Wie wenige das Kreuz
Christi lieb haben
Solange sie auf keine Schwierigkeiten stoßen, lieben manche Jesus. Sie loben und preisen Ihn, solange Er sie mit Tröstungen erquickt. Verbirgt Er sich aber, und lässt Er sie auch nur kurze Zeit allein, fangen sie an zu jammern und verlieren den Mut. Die dagegen Jesus um Jesu willen lieben, und nicht Seiner Tröstungen halber, die preisen Ihn bei Trübsal und Herzensnot wie bei höchster Erquickung. Und sollte ihnen Jesus auch nie Trost spenden, würden sie Ihn dennoch unaufhörlich loben und verlangen, Ihm stets Dank zu sagen. Wie viel vermag die ganz uneigennützige, selbstlose Liebe zu Jesus! Müssen nicht samt und sonders Mietlinge heißen, die stets auf Tröstungen erpicht sind? Beweisen nicht eher Eigenliebe als Christusliebe, die nur auf eigenen Vorteil und Gewinn ausgehen? Wo den finden, der Jesus völlig selbstlos zu dienen bereit ist? Selten gelangt jemand im geistlichen Leben zur restlosen Selbstentäußerung. Wer kennt den Mann, der wirklich arm im Geiste und aller Geschöpfe ledig ist? „Man müsste ihn weit suchen, bis an die Enden der Erde.“ Die Aufgabe des gesamten Eigentums bedeutet noch nichts. Das größte Bußleben besagt wenig. Der Erwerb aller Kenntnisse gibt keineswegs den Ausschlag. Ja sogar hohe Tugend und innige Andacht bleiben fern vom Ziel. Das Eine, Unentbehrliche fehlt! Was denn? - Nachdem du alles verlassen, auch dich verlassen, dich restlos verleugnen, die Eigenliebe gänzlich abstreifen, und hast du alles getan, wozu du dich gehalten fühltest, das alles als nichts erachten! Schätze gering ein, was du hoch einschätzen könntest, und bekenne dich recht eigentlich als unnützen Knecht, gemäß dem Wort der Wahrheit: „Habt ihr jeden Auftrag erfüllt, gesteht immer noch: Wir sind unnütze Knechte.“ Das erlaubt wirklich, arm und geistig entblößt zu sein, und mit dem Propheten zu sprechen: „Ich bin allein und arm.“ In Wirklichkeit ist niemand so reich, so vielvermögend und frei, als wer imstande ist, sich und allem Eigenen den Abschied zu geben und den letzten Platz zu wählen.
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