Die Gottesfrage

Katechesen (1981) von S.E. Dr. Günther Storck

Teil 1

Das Entscheidende der christlichen, das heißt der wahren, Gottesbeziehung ist die Aussage, dass der Mensch nur von Gott her verstanden werden kann. Wir stehen damit im völligen Gegensatz zu der heutigen, landläufigen Form, Theologie zu treiben. Ich darf zum Ausdruck dessen, was man heute als Theologie versteht, - das heißt ja auch: "Lehre von Gott" - , noch einmal den Grundsatz der Theologie Rahners vortragen. Da heißt es, Theologie sei Anthropologie, sei Lehre vom Menschen.

Das würde also heißen, wenn man vom Menschen spricht, spricht man von Gott. Oder nehmen Sie einmal den anderen Grundsatz, den Rahner auch vorgetragen hat, der ebenso entlarvend ist, wenn er sagt: die Norm der Ethik, der Moral, ist der Mensch. Wenn das zutrifft und wenn dieser Mann sich etwas dabei denkt, dann heißt das, dass der Mensch und alles das, was der Mensch ist und denkt und vorstellt und will, Maßstab dessen ist, was moralisch ist oder als moralisch zu gelten hat!

Sie sehen, hier kann es dem Wesen nach (jedenfalls, wenn man konsequent ist - und dies ist ja leider auch nicht gerade ein Vorzug der modernen Theologie) Gott gar nicht mehr geben. Das ist völlig klar: Wenn Theologie "Lehre vom Menschen" ist und die Ethik als Kriterium den Menschen nennt und zulässt, dann kann es keinen Gott und kann es auch keine Lehre von Gott geben. Aber damit steht diese moderne "Theologie" (man darf sie gar nicht mehr Theologie nennen), diese moderne Weltanschauung, im konträren, im widersprüchlichen Sinne zu all dem, was die Tradition an Lehre, an Moral, an Liturgie, an Verkündigung innerhalb der Liturgie eigentlich ist und was sie gewollt hat.

Wir machen im Grunde also einen riesengroßen Schritt weg von dem, was uns alle in mehr oder weniger ausdrücklicher Form umgibt! Ich will auch noch eine Theorie, die sich im Anschluss an Hegel - der ja eigentlich der moderne Kirchenlehrer ist, der Philosoph, dem die meisten heute anhängen, ob sie es erkennen oder nicht, ob sie es durchschauen oder nicht - , im Anschluss an Hegel hat sich die Theorie verbreitet, vor allem von Feuerbach formuliert: Der Mensch macht Gott!

Dann ist Gott Ebenbild des Menschen, aber nicht umgekehrt, wie es ja die christliche Lehre im Anschluss an diese Formulierung im Buche Genesis zum Ausdruck bringt, dass der Mensch ein Ebenbild Gottes ist (Gen.1,26), das ist die wahre Lehre, das ist die wahre Auffassung! - Man hat sie völlig in das Gegenteil verkehrt, indem man zum Ausdruck gebracht hat, dass Gott nur eine "Projektion" des Menschen ist, dass Gott nur das Ebenbild oder das Abbild des Menschen, seiner Illusion, seiner Ideale, wenn man so will, sei.

Wenn wir jetzt die Frage nach dem Gottesbegriff, nach der Lehre von Gott stellen, dann fragen wir nicht nach unserer eigenen "Projektion", nach dem, was wir "hypostasieren", weil wir es als ideal uns vorstellen - das ist ja die Theorie: Nach Feuerbach bin ich im Elend, und ich stelle mir einen Gott vor, der nicht im Elend ist! Das wird sogar nur als Negation meines Zustandes gedacht: Ich bin im Leid, in der Krankheit, ich stelle mir das Paradies vor, und das nenne ich Gott! Oder: Mir geht es schlecht, ich stelle mir die Liebe vor, dann ist das also Gott!

Wenn wir diese Frage nach Gott stellen, dann meinen wir ein absolutes Wesen! Ein absolutes Wesen, das unabhängig ist vom Menschen, von seiner Willkür, von seiner Vorstellung, von seinen Interessen! Wir fragen nach einem absoluten, in sich selbst stehenden Wesen, das aus sich ist!

Ich gebrauche jetzt nur annäherungsweise eine Bestimmung - auf die wir noch kommen werden! -, nur um diese Grenze zu ziehen zu allem, was "modern" ist und was auf Grund bestimmter Voraussetzungen eine echte Gottesfrage, eine echte Gotteslehre gar nicht zulässt!

Jetzt möchte ich noch etwas sagen, was auch ganz wesentlich ist: Man kann über Gott natürlich nur sprechen, wenn man ganz bestimmte Voraussetzungen mitbringt oder mindestens diese Voraussetzungen nicht bestreitet. Wenn jemand bestreiten wollte, dass es eine Sonne gibt, dann wird es auch sinnlos, zu fragen: Was ist eine Sonne? Oder: Was ist das Licht der Sonne? Ebenso: Wenn jemand bestreitet, dass es Gott überhaupt gibt, dann ist es unsinnig, sich mit der Gottesfrage zu beschäftigen.

Was macht aber die Gottesfrage so unausweichlich für den Menschen, jedenfalls für den Menschen, der offen ist, der nicht wie ein Ideologe schon bestimmte Ergebnisse erreichen will, die er "vorprogrammiert" hat?

Der Mensch ist ein endliches Wesen, das ist das Entscheidende! Der Mensch hat ganz bestimmte und wesentliche Fragen. Die Frage etwa nach seiner Herkunft. Die Frage danach, ob es eine Wahrheit überhaupt gibt. Ob man diese Wahrheit überhaupt erkennen kann. Ob es eine echte Moral gibt, eine Norm dessen, was sittlich sein soll. Ob es ein Gewissen gibt, und ob hier wirklich im echten, nach der Wahrheit gebildeten Gewissen Gott spricht. Welches der Sinn der Geschichte ist, ob es einen Gott im Sinn gibt, und ob ich an diesem Sinn der Geschichte, wenn es ihn gibt, tatsächlich teilhaben kann. Das sind einige dieser wesentlichen Fragen, die sich für jeden Menschen notwendig stellen müssen!

Nun kommt aber noch etwas hinzu: Diese Fragen stellen sich zwar notwendig für jeden Menschen, aber der Mensch kann doch auf Grund seiner Freiheit diesen Fragen ausweichen, oder er kann Pseudoantworten, falsche oder unzureichende Antworten auf diese Fragen suchen und geben! Wenn er so verfährt, dass er diese Fragen entweder abbiegt oder vor ihnen flieht, oder dass er unzureichende Antworten sucht und sich damit zufrieden gibt, dann kann er Gott natürlich nicht erkennen, völlig klar, dann kann er Gott nicht finden! Und dann kann er auch die Antwort auf diese wesentlichen und entscheidenden Fragen nicht finden und ist deshalb innerlich natürlich gespalten, ganz notwendig. Wer diese wesentlichen Fragen nicht klärt, wer nicht die rechte Antwort darauf sucht, der kann mit sich, mit seinem Leben nicht ins Reine kommen. Und hier sehen Sie die Bedeutung dieser Frage und der Klärung, der Beantwortung dieser Frage!

Es ist also wichtig, dass wir, wenn wir diese Frage stellen und wenn wir eine Lösung auf diese Frage suchen, dass wir die Wahrheit suchen! Ganz entscheidend wichtig! Und wenn man die Wahrheit sucht, dann kann man sie nur finden, wenn man sie wahrhaftig liebt! Und wenn man sie über alles liebt! Ich habe Ihnen schon gesagt, es gibt auch die Möglichkeit, auf wesentliche Fragen falsche und unzureichende Antworten zu geben und zu finden. Das ist nicht unser Ziel!

Unser Ziel ist, auf diese dringlichen und wesentlichen Fragen die rechte Antwort zu finden! Und damit habe ich etwas gesagt, was auch fundamental ist für jede Abhandlung, für jede Darstellung der wahren Gottesvorstellung oder der rechten Gotteslehre!

Wir wollen ja nicht irgendeine Vorstellung von Gott, sondern die wahre Vorstellung von Gott! Und hier befinden wir uns noch einmal in einem Unterschied zu den allermeisten Menschen. Viele Menschen werden gewiss noch zugeben, dass es Gott gibt. Gar keine Frage. Aber sie werden nicht mehr ohne weiteres zugeben, dass es nicht genügt zu sagen, es existiert ein Gott, sondern dass man die rechte, die wahre Gottesauffassung gerade suchen und finden muss!

Denken Sie einmal an den ganzen ökumenischen Betrieb in der modernen Gesellschaft, in der modernen Kirche, wenn man das Kirche nennen will: Hier ist man ja übereingekommen, zu sagen: Im Grunde haben alle Religionen denselben Gott! Zwar mit gewissen Verschiedenheiten, mit gewissen Differenzen, Differenzierungen untereinander, aber diese Differenzierungen müsse man abstreifen, dann finde man den wahren Gott und finde man auch die Einigung aller Religionen, aller Sekten usw. im Bekenntnis zu diesem einen Gott.

Das ist eine geradezu horrende Annahme. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Es gibt Gottesvorstellungen, denken Sie an Feuerbach, denken Sie an Hegel, die diesen Namen überhaupt nicht verdienen! Diese Philosophen reden von Gott, aber das, was sie als Gott bezeichnen, verdient diesen Namen überhaupt nicht! Das ist eine einzige Irreführung der Menschen, die das oft gar nicht ahnen, die das Gift schlucken, das in diesen Theorien steckt und damit scheitern, vor allem die Jugendlichen. Ich mache vor allem auf die Universität aufmerksam. Hier sind Nöte, die Sie vielleicht gar nicht ahnen, grauenhafte, abgründige Nöte und Probleme bei diesen Menschen, die vor allem verursacht sind von den Professoren und von dem Mangel an Wahrhaftigkeit und Wahrheitsliebe bei den Professoren!

Mit dem gerade Erwähnten zusammenhängend geht es uns nicht nur um den wahren Gott, es geht uns zugleich mit der Klärung der wahren und rechten Gottesvorstellung auch um die Erkenntnis des wahren und rechten Gottes! Hier sehen Sie, das, was ich eben schon andeutete, wir müssen die Wahrheit suchen, wir müssen die Wahrheit lieben! Ohne Liebe zur Wahrheit, ohne den Willen, bei der rechten Antwort auf diese Fragen anzukommen, finden wir die Wahrheit nicht! Die Wahrheit drängt sich nicht auf, etwas ganz Wesentliches! Man muss sie suchen, oft lange! Oft mit Mühen, oft unter Schwierigkeiten, mit großen Opfern! Wer das alles nicht tut, wer zu all dem nicht bereit ist, der wird sie auch nicht finden!
 

(Fortsetzung folgt)
 

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