Die Gottesfrage

Katechesen (1981) von S.E. Dr. Günther Storck

Teil 3

Ich will noch etwas besonders Wichtiges kurz andeuten: Der Verstand, die Vernunft arbeitet nicht sozusagen 'automatisch'. Das ist ja die Voraussetzung der heutigen 'Universität'. Die Meinung ist die: Ich brauche nur Theologie zu studieren, ich brauche nur Philosophie zu studieren, dann komme ich auch zu den entsprechenden Resultaten.

Die Kirche hat immer die ganz andere Auffassung vertreten: Erst muss ich sittlich leben, erst muss ich den Glauben einüben, erst muss ich die Betrachtung vollziehen. Ich muss die Stille suchen, ich muss die Bildung des Herzens, die Bildung des Gewissens suchen, erst dann kann ich Gott erkennen und Gott finden!

Sie sehen hier eine ganz wichtige Voraussetzung, die der moderne Wissensbetrieb leider gar nicht mehr macht! Das ist übrigens eine Nachwirkung einer heidnischen Philosophie, die die Auffassung hat: Die Wahrheit kann man 'neutral' erkennen, ohne dass man sie liebt!

Ich sagte Ihnen aber eben schon: Die Wahrheit drängt sich nicht auf, sondern, wenn man die Wahrheit finden will, muss man sie lieben, muss man sie suchen! Und je mehr ich sie suche, um so mehr finde ich sie auch. Ich finde die Wahrheit an sich aber nur, wenn ich sie ganz will, ganz liebe, über alles liebe! Und hier haben Sie auch eine Voraussetzung, die wir gerade im ersten Gebot, diesem Hauptgebot des Alten und Neuen Bundes auch zum Ausdruck gebracht sehen: 'Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus ganzer Seele, mit allen deinen Kräften!' (vgl. Dt.6,5; Mt.22,37; Mk.12,30). Wer nicht so liebt, wie es hier gesagt und gefordert ist, der findet Gott auch nicht! Der findet meinetwegen eine Theorie, eine 'Theologie' in Anführungszeichen, eine Lehre, so wie Rahner oder sonst wer sie verbreitet. Der findet vielleicht eine Gesellschaft, die man Kirche nennt, und der wird vielleicht auch die Theorien annehmen, die in dieser Gesellschaft, die man Kirche nennt, verbreitet sind. Aber er findet nicht Gott!

Das ist übrigens auch die Erklärung für diesen Massenabfall der Gläubigen in der Kirche heute, auch der Lehrer der Theologie, auch der Hierarchie! Bis 1962 hat man diese 'Theorie' gehabt und ist ihr gefolgt. Jetzt ist eine andere Theorie 'in', wie man heute sagt, modern, - und so folgen wir ihr! Eine Erkenntnis war im ersten Fall nicht da, sie ist auch im zweiten Fall nicht da!

Und hier sehen Sie die furchtbare Gefahr, Autorität so zu verstehen, dass einer Macht ausübt und in seiner Macht eben andere zum Gehorsam und zur Gefolgschaft zwingt und veranlasst. Das ist ja sehr, sehr weit verbreitet!

Die 'moderne Kirche' kennt Gott nicht. Eine 'Kirche ohne Wahrheit' - eine Kirche ohne Gott! - Und ich bin immer wieder erschüttert! Jeden Tag bekommt man neue Eindrücke und Erfahrungen von dem Ausmaß der Katastrophe, die darin besteht, dass die Menschen die Wahrheit gar nicht kennen! Dass sie sie auch eben deshalb gar nicht lieben! Denn liebten sie sie, dann würden sie sich aufmachen! Liebten sie sie so, wie sie geliebt werden will und soll, dann würden sie sie auch erkennen! Und dann würden sie sich auch nach ihr richten! Das ist ja völlig klar! Sie sehen selbst, und ich lade Sie immer wieder ein, das selbst zu registrieren, in welchem Ausmaß die Wahrheit verraten wird! Die Wahrheit stirbt täglich!

Ich will noch eine kurze Anmerkung machen, weil dieser Sachverhalt so wichtig ist. Man könnte sagen: 'Ja, du bist Christ, weil du eben diese Voraussetzung hast! Du hängst dem christlichen Gott an, weil du diese religiösen, theologischen, moralischen Voraussetzungen teilst! Ich bin Mohammedaner, weil ich die mohammedanischen Voraussetzungen teile.' Ein dritter ist Hindu, weil er die hinduistischen Voraussetzungen teilt, und so könnte man das immer wieder erweitern.

Dann gäbe es also so viele Götter, wie es Religionen gibt! Das ist auch in Wahrheit, tatsächlich, der Fall! Diese Bemühung, dem heutigen Ökumenismus entnommen, scheitert völlig! Wenn Sie alles abstreichen, was die Religionen voneinander trennt, finden Sie nicht Gott, wie man angibt, sondern finden Sie nur ein 'Nichts', ein 'Nichts an Gott', wenn ich so sagen darf. Ich denke, Sie verstehen mich!

Zurück bleibt nur die völlige Skepsis bei dieser ganzen "ökumenischen Bemühung", der völlige Unglaube, der völlige Atheismus! Das ist das Resultat, und das zeigt, was man gesucht hat. Man sucht nicht Gott, sondern man sucht, sagen wir, die "Einheitsreligion", den "Einheitsglauben", die "Einheitstheologie" und so weiter. Aber das führt zum Verlust jeder echten Gottesbeziehung!

Wenn es so wäre, wie ich andeutete, dann wäre alles relativ! Nicht wahr: Ich habe diese Voraussetzungen - also habe ich diesen Gott. - Ich habe andere Voraussetzungen, also habe ich einen anderen Gott!

Wir wollen nicht irgendeinen Gott, sondern wir wollen den wahren Gott! Den allein lebendigen, den allein wahren Gott! Darum geht es!

Unternimmt man diese Anstrengung nicht, kommt man auch nicht am wahren Ziel an! Ist man nicht allein an Gott interessiert, will man nicht Ihn allein, liebt man Ihn nicht aus ganzem Herzen, dann findet man einen Götzen! Notwendig! Und Sie sehen hier: An der Einstellung, die ich mitbringe, entscheidet sich schon alles! An der Einstellung, an der Voraussetzung, an dem Anfang, an dem ich beginne, ist das Ziel schon vorgeprägt! Sie sehen hier, wie wichtig es ist, dass man, was die eigenen Voraussetzungen - moralisch etwa - angeht, sich völlig reinigt, sich völlig läutert! Den Standpunkt der Wahrheit einnimmt und nicht einen anderen, einen beliebigen, einen austauschbaren! Und Sie sehen hier noch einmal: Hier entscheidet sich schon alles. Suche ich Gott in Wahrheit, dann finde ich Ihn auch, weil ich ja Ihn allein will. Suche ich einen Götzen, dann finde ich auch einen Götzen!

Wir werden auf diese merkwürdige Voraussetzung, die sich hier andeutet, noch deutlicher hinzuweisen haben. Hier zeigt sich nur, dass Gott absolut Gott ist. Ich finde Ihn nicht nur am Ziel, sondern ich muss Ihn schon am Anfang meiner Bemühung anerkennen und beachten und berücksichtigen!

(Fortsetzung folgt)

 

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