Zum 10. Jahrestag des Heimgangs von Bischof Günther Storck
 


Wenn auf das Leben eines Menschen Rückschau gehalten werden soll, muss man sich im Klaren sein, ihm unbedingt Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Und dies bedeutet - möchte man objektiv sein und bleiben -, dass man sich die Mühe machen sollte, möglichst in Erfahrung zu bringen, was ihn jeweils bewegt hat, was die Motivation, die Antriebsfeder für sein Denken und Handeln war. Nur so lernt man ihn authentisch kennen, versteht man ihn bzw. verhält sich ihm gegenüber gerecht.

Vor zehn Jahren, am 23. April 1993, starb Seine Exzellenz Bischof Dr. theol. Günther Storck, versehen mit den hl. Sakramenten der katholischen Kirche. In der Zeit danach wurde nicht wenig über ihn geschrieben und berichtet. Und nicht immer ist ihm dabei jene Gerechtigkeit widerfahren, von welcher gerade die Rede war, wobei sich daran traurigerweise auch und gerade einige jener Menschen versündigten, die sich zu seinen „Glaubensbrüdern“ rechne(te)n.

Manchmal ist es möglich, bei einem Menschen auch eine Art Leitlinie ausfindig machen, von der er sich bewegen ließ, nach der er sich im Leben orientierte, die für ihn geradezu charakteristisch war. In den letzten Monaten habe ich nicht selten an meinen Weihebischof gedacht, da sind mir oft manche Situationen aus seinem Leben durch den Sinn gegangen. Und ich denke, es wäre berechtigt, wenn man sein Wirken als katholischer Priester und Bischof unter dem Gesichtspunkt des Eintretens und des Kampfes für die unabänderliche katholische Wahrheit betrachten würde, da sich ja die Sorge um diesen katholischen Glauben in Zeiten der In-Frage-Stellung und Relativierung des katholischen Glaubens auch seitens des modernistischen Neuen Rom wie ein roter Faden praktisch durch sein ganzes Leben zieht.

Geboren in einer zutiefst katholischen Familie lernte er später im Umfeld des Münsterlandes, in welchem er aufgewachsen war, auch manches kennen, was - gelinde gesagt - nicht gerade förderlich war für eine günstige Glaubensentwicklung bei den Menschen. So wies er später in Gesprächen mit uns nicht selten darauf hin, der Modernismus habe auch deshalb so viel „Erfolg“ bei den Katholiken erzielt, auch (und vielleicht gerade) in überwiegend katholischen Gegenden, weil viele oft keine Glaubensüberzeugung mehr gehabt hätten, weil sie ihren Glauben viel zu gewohnheitsmäßig und ohne inneres Feuer praktiziert hätten.

Als junger Mensch hatte der spätere Bischof Storck zunächst Germanistik und Altphilologie studiert. Während dieser Zeit reifte in ihm die Berufung zum Priestertum. So trat er danach, im Jahre 1962 in das Priesterseminar in Münster ein. Dort konnte er sozusagen hautnah Schritt für Schritt die „Reformen“ und unglückseligen Entwicklungen des zur selben Zeit stattfindenden sogenannten „Zweiten Vatikanischen Konzils“ erleben, was ihn auch für seine ganze weitere Entwicklung tief geprägt hatte.

Er hatte erkannt, dass er in einem Klima des Halb- oder Unglaubens, das sich bereits damals an den Seminaren und theologischen Hochschulen breit machte, nicht katholische Theologie studieren und seine Berufung nicht verwirklichen konnte. Durch einen Bekannten lernte er den Philosophieprofessor Dr. Reinhard Lauth kennen, um den sich in München bereits ein Kreis treukatholischer Akademiker gesammelt hatte, wo man aktiv den geistigen Kampf mit gefährlichen modernen Strömungen in Kirche und Gesellschaft führte.

Prof. Lauth war ein geistiger Sohn von Pater Pio, den er immer wieder in San Giovanni Rotondo besuchte. Zudem war er ein profunder Kenner der geistesgeschichtlichen Entwicklung und der philosophischen Fragen der Neuzeit.

Das eigentliche Problem dieser Jahre des geistigen Umsturzes in Kirche und Gesellschaft war ja, dass den Leuten systematisch jedes Fundament zu einer klaren und moralischen Lebenshaltung entzogen wurde! Prof. Lauth half seinen Studenten, von denen eine ganze Reihe später der Berufung zum Priester folgten, wieder geistigen Boden unter den Füßen zu gewinnen, den Weg zu Gott zu erkennen und zur Klarheit des katholischen Denkens zurückzufinden, was in der Wirrnis jener Tage, die bis heute anhält, ja die sich noch weiter ausgebreitet hat, von enormer Bedeutung für alles geistliche und moralische Leben war und auch heute noch ist! Klarheit im Denken und im Glauben ist die erste Voraussetzung für die Verteidigung des Glaubens und der Wahrheit!

Und wie stark beim Theologiestudenten Günther Storck die unbedingte Liebe zur Wahrheit und das klare Bekenntnis zum unverfälschten und gesunden katholischen Glauben bereits in diesen Jahren sein Denken und Handeln bestimmte, ersehen wir aus der Tatsache, dass er sich geweigert hatte, von einem der modernistischen Bischöfe zum Priester geweiht zu werden. Obwohl er bereits 1967/1968 vom Münsteraner oder Kölner Diözesanbischof hätte ordiniert werden können (noch gültiger Weiheritus und gültige Weihesukzession, noch vor Einführung der „neuen Messe“!), lehnte er diese Möglichkeit für sich mit der Begründung ab, er wolle nicht die Weihe von Bischöfen empfangen, welche die auf dem Vatikanum II. gefällten Entscheidungen mitgetragen und sich somit bei der Zerstörung des katholischen Glaubens beteiligt hatten.

So dauerte es bis 1973 mit seiner Priesterweihe, bis er nämlich in Kontakt kam mit dem Franziskaner-Missionsbischof Blasius Kurz, der seinerseits 1939 in der St. Peters-Basilika in Rom von Papst Pius XII. zum Bischof (für die Mission in China) konsekriert wurde. Bischof Kurz gehörte auf dem Konzil zu den konservativen Konzilsteilnehmern um Kardinal Ottaviani und hielt trotz Einführung des „Novus Ordo Missae“ die Treue zum überlieferten Messritus. Diese Priesterweihe fand am 21. September 1973 in Egg nahe Zürich statt.

Die Wahl des Weiheortes fiel deshalb auf dieses Franziskanerkirchlein in der Schweiz, weil zu befürchten war, dass der damalige Münchner Erzbischof Döpfner, der ja zu den sogenannten „Progressiven“ gehörte, keine Erlaubnis zum Vollzug dieser Weihe in seiner Diözese geben würde, da Günther Storck zu der Zeit bereits als Assistent von Theologieprofessor Leo Scheffczyk an der Theologischen Fakultät der Universität München fungierte und dort für seine katholische und antimodernistische Einstellung inzwischen hinlänglich bekannt war. So wurde bezeichnenderweise immer er von Scheffczyk zu den Streitgesprächen mit den Philosophen-Agnostikern geschickt, die jegliche absolute Wahrheit leugneten, um eben die katholische Lehre sowohl von der Existenz und Erkennbarkeit Gottes als auch der absoluten Geltung der göttlichen Wahrheit für alle Menschen ohne Unterschied zu verteidigen.

Im Jahre 1976 erwarb er bei Prof. Scheffczyk an der Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München den akademischen Grad eines Doktors der Theologie. Inhaltlich behandelte seine Dissertationsarbeit mit dem Titel „Die Gottesidee der Wissenschaftslehre J.G. Fichtes“ das Thema der Erkennbarkeit und der Erkenntnis Gottes des absoluten, wobei sie im Anschluss daran zur Rechtfertigung der katholischen Trinitätslehre überging.

Durch seine langjährigen Studien und die wissenschaftliche Tätigkeit an der Universität konnte bzw. musste der spätere Bischof Storck sozusagen aus nächster Nähe die gefährlichen und zerstörerischen Irrtümer der modernen Theologen und Philosophen beobachten und den daraus resultierenden geistigen Ruin der Katholiken und der offiziellen „Kirche“ miterleben. Schon deshalb musste er sich mit diesen Irrtümern intensiv auseinander setzen, um sie sowohl theologisch als auch philosophisch zu entkräften und der katholischen Wahrheit zum Sieg zu verhelfen.

Und was für ihn bei dieser wissenschaftlichen Bemühung von ausschlaggebenden Bedeutung war, war seine Betonung und das unbedingte Gelten-Lassen der Wahrheit, weil ja Gott nicht verschieden von der Wahrheit ist, ja nach dem Ausspruch Christi sogar die Wahrheit selbst ist (vgl. Joh 14,6)! Wer somit Gott liebt und Ihm dienen will, der kann nicht anders als auch die Wahrheit zu suchen und zu bejahen.

Wie sich die katholische Theologie nicht auf einen einzigen Theologen beschränkt (jeder einzelne bringt aufgrund seiner eigenen wie der jeweiligen kirchenhistorischen Situation bestimmte Punkte des katholischen Glaubens verstärkt zum Vorschein), so kann auch die christlich-katholische Philosophie nicht auf einen einzigen Philosophen reduziert werden bzw. aus einer einzigen philosophischen Schule bestehen, wobei alle anderen pauschal zu verwerfen wären. Wer bei allem allein die Wahrheit gelten lässt, der braucht keine Angst zu haben, gegen Gott zu handeln!

So griff Seine Exzellenz in seiner Bemühung um die Wahrheit auch jene philosophischen Ansätze auf, die vom hl. Kirchenlehrer Augustinus, vom hl. Anselm oder hl. Bonaventura erarbeitet worden und teilweise auch im philosophischen Konzept des hl. Thomas von Aquin enthalten sind.

Weil aber interessante und wahrheitsdienliche Argumente auch von einigen anderen Philosophen erbracht worden sind, und weil wahre Erkenntnisse nicht gegen, sondern immer in Entsprechung zum katholischen Glauben stehen, legte Bischof Storck aus Liebe zur Wahrheit einen großen Wert auch auf eine Beschäftigung mit ihnen. Dabei ging es ihm nicht um eine etwa unkritische Übernahme alles dessen, was irgend jemand gesagt und gelehrt habe, sondern um eine sachliche und objektive Auseinandersetzung mit diesen philosophischen Systemen. Nicht irgendeine philosophische Partei wollte er gründen oder propagieren, sondern einzig und allein der göttlichen Wahrheit zum Sieg verhelfen und somit Gott und der katholischen Kirche dienen!

Dabei stützte sich Bischof Storck auf den in 1 Thess 5,21 ausgesprochenen Grundsatz des hl. Apostels Paulus: „Prüft alles; was gut ist, behaltet“! Wenn irgend jemand etwas Richtiges sagt, dann ist es eben richtig und wahr, und zwar unabhängig davon, was dieser Mensch sonst noch so alles vertritt! Es darf uns nämlich nicht darum gehen, uneinsichtig und einseitig auf dem Buchstaben irgendeines Gesetzes „herumzureiten“.

Nein, erfüllt von der Sorge um den katholischen Glauben, muss es uns in erster Linie um den Geist dieses Gesetzes gehen, d.h. um das, was die katholische Kirche damit verbinden und erreichen will! Es muss uns mit anderen Worten, um konkret zu werden, um die göttliche Wahrheit und um ihre Verteidigung angesichts der massiven Angriffe seitens ihrer Gegner gehen, wenn wir die Intention der katholischen Kirche befolgen wollen, philosophische Wissenschaft zu treiben.

Denn sonst würde man jenen Juden des Evangeliums gleichen, die Anstoß daran genommen haben, dass Jesus am Sabbat den Kranken am Bethesdateich geheilt hatte, dabei aber in ihrer Verblendung und dem Hass gegen Christus völlig außer Acht ließen, dass Er einem Menschen in seinem nicht unbeträchtlichen Leid geholfen hatte (vgl. Joh 5,5ff.)!

Zumal sich Bischof Storck bei seiner wissenschaftlichen Bemühung auf Äußerungen von Päpsten berufen konnte, die allein der Wahrheit den Vorrang geben (Leo XIII.) und es als geboten erscheinen lassen, sich über den Pflichtphilosophieunterricht der Theologen hinaus mit weitergehender philosophischer Forschung zu beschäftigen (Benedikt XV., Pius XII.)! Darüber habe ich in meiner 1996 veröffentlichten „Klarstellung“ berichtet, die sich mit diesem Thema beschäftigt.

Hat sich ja der hl. Thomas von Aquin, der größte Vertreter der scholastischen philosophischen Schule, angesichts des Aufkommens aristotelischer Schriften in seiner Zeitepoche im Westen veranlasst gesehen, sich sogar mit den Werken dieses Aristoteles, eines altgriechischen Heiden (!), zu beschäftigen, wobei er sich in seinen philosophischen Ausführungen sogar wesentlich auf diesen Autor stützte, indem er sich bemühte, dessen Philosophie in den Dienst des katholischen Glaubens zu stellen.

Obwohl der hl. Thomas sogar seitens einiger Bischöfe und der Päpste Gregor IX., Innozenz IV., Urban IV. eindringlich vor dieser Beschäftigung mit dem Aristotelismus gewarnt wurde, beharrte er offensichtlich auf dem Grundsatz, dass sich die einzig und allein an der göttlichen Wahrheit orientierende philosophische Forschung niemals gegen Gott oder auch die katholische Kirche richten könne.

Prägnanter können die theologischen und philosophischen Anstrengungen von Bischof Storck wohl kaum beurteilt werden, als die Äußerung einer Person, die sich sonst nicht besonders gut mit ihm verstand und kaum eine Gelegenheit zur (oft einseitigen und somit nicht objektiven) Kritik an ihm ausließ, aber vor einigen Jahren sich dennoch zu der Feststellung durchrang, „die Schule von Storck“ sei „gut gewesen“!

Und in der Tat haben seine Seminaristen viel von seinen mit großem Engagement gehaltenen Vorlesungen profitiert. Auch die von ihm betreuten Gläubigen konnten einen nicht geringen Nutzen aus seinen Predigten und nicht selten gehaltenen Katechesen ziehen, wobei diese letzteren - das darf zur Erheiterung am Rand vermerkt werden - von ihm gelegentlich zeitlich überzogen wurden, was ja auf der anderen Seite ebenfalls ein Hinweis auf seine grundsätzlich guten Absichten ist.

Und wie ein roter Faden ziehen sich in all seiner Lehrtätigkeit die Darlegung des christlich-offenbarten Glauben, die Rechtfertigung der katholischen Dogmen, die Aufdeckung der Irrtümer des kirchlichen Modernismus und der modernen Welt durch, wobei deutlich zu erkennen war, dass er nicht bloß allgemein palaverte, sondern über ein profundes Wissen verfügte und die feste Überzeugung vom Gesagten besaß.

Ich erinnere mich noch ganz lebendig, wie zentral es ihm in Abgrenzung zu den modernen Irrtümern immer darum ging, unmissverständlich darzulegen, dass es eine absolute und objektive Wahrheit und eine absolut verbindliche Moral gibt, dass Gott der absolut Heilige ist und sich aufgrund Seiner selbst moralisch rechtfertigt, dass man Gott in Wahrheit erkennen und lieben kann und soll! Niemals wurde von ihm etwas anderes gelehrt! Ebenfalls stellte er häufig den Opfercharakter der hl. Messe heraus.

Gelegentlich wurde an Bischof Storck unsachgemäß herumkritisiert (was leider auch in der Gegenwart von manchen der selbst ernannten „Experten“ zu hören ist), er habe sich mit einer angeblich unchristlichen und atheistischen Philosophie abgegeben. Wie absurd und abwegig diese (übrigens schwer sündhaften!) Anschuldigungen sind, und was von ihnen zu halten ist, kann jeder selbst beurteilen, der sich entweder selbst an die gesprochenen Worte von Bischof Storck erinnern kann oder auch jene seiner Predigten und Schriften lesen wollte, die wir in unserer Zeitschrift bereits veröffentlicht haben , so dass es sich nicht lohnt, weiter auf diesen Unsinn einzugehen. Wenn doch nur bei allen Sachlichkeit und die unbedingte Liebe zur Wahrheit vorliegen würden!

In demselben Jahre 1976 schloss sich der Priester Günther Storck der Priesterbruderschaft St. Pius X. an, da er hoffte, deren Gründer, der französische Erzbischof Lefebvre, würde eine zunehmend klarere Linie bezüglich Pauls VI. einnehmen. Hat ja auch Mgr. Lefebvre in demselben Jahr bei öffentlichen Veranstaltungen (so z.B. in Friedrichshafen) davon gesprochen, dieser Montini könne (wegen der von ihm begangenen Vergehen gegen den katholischen Glauben) eigentlich kein Papst und das Neue Rom nicht die katholische Kirche sein. Zudem setzte sich Mgr. Lefebvre über die gegen ihn 1976 von Paul VI. verhängte Suspendierung hinweg, indem er weiterhin Priesterweihen spendete und Seelsorge betrieb.

Nachdem aber Pater Storck erkannte, dass Mgr. Lefebvre und die von ihm geleitete Priesterbruderschaft bewusst einen doppelten Kurs Rom gegenüber fuhren, indem sie auf der einen Seite zwar scharfe Kritik an den vom Vatikan verursachten modernistischen Entwicklungen übten und auf der anderen Seite aus lauter Opportunismus sich dennoch weigerten, die sich daraus ergebenden notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen, welche Erkenntnis auch durch ein persönliches Gespräch mit Mgr. Lefebvre untermauert wurde, trennte er sich 1979 wieder von dieser Gemeinschaft.

Somit stand er als Priester zunächst wieder völlig allein! Es sammelten sich jedoch bald etliche gleichgesinnte Priester und Gläubige um ihn. Mehrere glaubenstreue Gemeinden im süddeutschen Raum betreute er nun zusammen mit einigen gleichgesinnten Priestern, die wie er von der aktuellen Sedisvakanz des Apostolischen Stuhles in Rom ausgingen.

Wegen der außergewöhnlichen Situation der katholischen Kirche wurde Dr. Storck von verschiedenen Seiten gedrängt, sich doch auf Grund seiner hervorragenden theologischen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Heranbildung von guten katholischen Priestern zur Verfügung zu stellen. So übernahm er 1980/81 die Verantwortung für das Priesterseminar Heilig Blut in Feldafing, um junge Priester für die Tätigkeit im Weinberg des Herrn heranzuziehen, wobei von ihm im Hinblick auf die zerstörerischen Auswirkungen der modernistischen „Reformen“ größter Wert auf die Verteidigung und Rechtfertigung der kirchlichen Tradition gelegt wurde. 1981 konnte eine Kapelle in der Schellingstraße in München eingeweiht werden, 1983 wurde das Seminar in dasselbe Gebäude verlegt.

Alle, auch die von ihm betreuten Gläubigen, konnten in seinen Predigten und Katechesen miterleben, mit welchem Nachdruck es ihm um die Erklärung und unbedingte Beibehaltung des überlieferten katholischen Glaubens ging, mit welcher theologischer Klarheit und Entschiedenheit er die postkonziliaren „Neuerungen“ als Häresie und Ruin der Kirche entlarvte und verwarf.

Dabei legte er einen großen Wert auch auf sachliche Diskussion und beteiligte sich nicht an polemischen Schimpfeskapaden, deren sich heute - so traurig es ist - auch so manche traditionalistische Publikationen anzuklagen hätten, was leider gesagt werden muss. Unvergesslich bleibt mir seine Reaktion auf die Absicht einer Person, der Rechtfertigung der katholischen Position mit unsachgemäßen und objektiv nicht zu belegenden Argumenten „beizukommen“, indem er darauf verwies, man könne nur behaupten, was man belegen könne, und dürfe auch seine Gegner nicht mit unsachgemäßen und unzutreffenden Behauptungen überwerfen.

Seine Liebe zur Wahrheit ist auch darin zum Ausdruck gekommen, dass er bereit war, etwas bei Bedarf zurückzunehmen und sich zu entschuldigen, wenn er versehentlich etwas Falsches weitergegeben hatte.

Am 30. April 1984 wurde dann Pater Storck durch S.E. Bischof Guerard des Lauriers aus Frankreich zum Bischof konsekriert. Mgr. des Lauriers gehörte dem Dominikanerorden an, unterrichtete früher an der Lateranuniversität in Rom, gehörte zum Kreis um Kardinal Ottaviani und beteiligte sich maßgeblich an der Ausarbeitung der bekannt gewordenen „Kritischen Untersuchung des Novus Ordo Missae“, die unter der Verantwortung der Kardinäle Oddi und Bacchi veröffentlicht wurde. Konsekriert wurde Mons. Guerard des Lauriers seinerseits 1981 von dem vietnamesischen und aus seiner Heimat vertriebenen Erzbischof von Hue, Martin Ngo-Dinh-Thuc, als dieser nämlich die Notwendigkeit erkannte, um des Erhalts der gültigen katholischen Sukzession willen konkret zu handeln und selbst Bischofsweihen vorzunehmen, was ihm daher trotz mancher sonst begangener Fehler zum großen Verdienst gereicht.

Aufschluss über die Person von Bischof Storck geben auch die Umstände seiner Bischofsweihe. Obwohl ihm zuvor seitens einiger Laien nahe gelegt wurde, sich selbst um eine Bischofsweihe zu bemühen, lehnte er dieses Ansinnen mit der Begründung ab, man müsse auch zum Bischofsamt berufen werden und darf sich nicht darum reißen. Und erst als ihm Bischof Guerard des Lauriers Anfang des Jahres 1984 schrieb, ihm sei während der Messzelebration der Gedanke gekommen, Pater Storck zu konsekrieren, willigte er ein. Wohl auch daher lautete sein Bischofsspruch: „In verbo tuo“ - „Auf Dein Wort hin“ (vgl. Lk 5,5)!

Auch sonst war er nicht von sich eingenommen, stellte sich nicht in den Mittelpunkt, zeigte sich nicht überheblich - er ist, das darf man sagen, einfach und bescheiden geblieben. Dennoch ließ er nicht zu, dass Unberufene unzulässigerweise in seinen Verantwortungsbereich hineinredeten, weil ihm stets bewusst war, dass er allein am Ende der Tage vor Gott und vor niemand sonst für die ihm übertragenen Ämter und die ihm anvertrauten Seelen Rechenschaft ablegen muss!

Sein Verantwortungsbewusstsein zeigt sich auch darin, dass er nicht bereit war, mit jedem, der sich nur katholisch-konservativ nannte, eine engere Zusammenarbeit zu beginnen, sofern er nicht eine ehrliche katholische Gesinnung feststellen konnte oder zur Schlussfolgerung kommen musste, dass da entweder nicht genügend an gutem Willen vorliege, oder dass die ihm angebotene „Zusammenarbeit“ lediglich in der Absicht bestehe, selbstherrlich eine unsachgemäße Rolle einzunehmen. Wenn man gerade als Priester selbst analoge Erfahrungen macht, gewinnt man umso mehr Respekt und Hochachtung vor diesem klugen Bischof.

Schon seit jungen Jahren litt Bischof Dr. Storck an einer Lebererkrankung. Die doppelte Belastung, der Bischof Storck ausgesetzt war (Seelsorge und Seminarbetrieb), die von ihm die volle Anspannung der Kräfte verlangte, hat unter anderem auch dazu geführt, dass er mit der Zeit seine Gesundheit ruiniert hatte. Die jahrelange Lebererkrankung, gegen Ende verbunden mit Diabetes, hat letztendlich auch zu seinem Tod am 23. April 1993 geführt, wobei jeder, der ihn aus seinen letzten Jahren kannte, selbst beobachten konnte, welche Einschränkungen er krankheitsbedingt hinnehmen musste. Unvergesslich bleiben daher in diesem Zusammenhang seine an uns, die jungen Priester, gerichteten Mahnungen, sich nicht zu übernehmen, schonend mit seiner Gesundheit umzugehen und sie nicht leichtfertig auf Spiel zu setzen.

Er selbst aber hat den vollen Einsatz erbracht und sein Leben als ein guter Hirte schonungslos in den Dienst des katholischen Glaubens, der Gläubigen und der Kirche gestellt. Seine eigene Ehre und seinen persönlichen Ruhm hat er nie gesucht. Wichtig aber ist, dass der Herrgott um seine Absichten und seinen Einsatz weiß und ihm diese in der Ewigkeit entlohnen möge.

O Herr, gib ihm die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihm!

Herr, lass ihn ruhen in Frieden! Amen.
 

Pater Eugen Rissling

 

 

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