Söldner überfallen christliche Dörfer
Nigeria / Bericht eines Augenzeugen aus dem düsteren Religionskrieg im Westen
Afrikas
Die Überfälle von Muslimen an Christen in Nigeria
haben dramatisch zugenommen. Seit Februar 2004 wurden im Bundesstaat Plateau
fast 2000 Christen getötet.
Während der Überfälle auf christliche Gemeinden im gemischt muslimisch
christlichen Bundesstaat Plateau wurden in knapp zwei Jahren fast 2000 Menschen
getötet und 269 Kirchen niedergebrannt. Es handelt sich um einen schlimmen, doch
unbekannten Religionskrieg.
In einigen Kirchen, die eine Delegation der Hilfsorganisation Open Doors
Deutschland besuchte, war nicht Platz genug für alle Witwen, deren Männer bei
Überfällen ermordet wurden. Eine der Frauen ist Rahab, Witwe eines Pfarrers, Sie
ist mit ihren Kindern geflohen und erzählt, dass in ihrem Dorf während des
Gottesdienstes Gewehrsalven zu hören waren. Rahab verlor ihren Mann und einen
Sohn, dem alle Gliedmaßen abgetrennt wurden, Kirche und Hütten wurden in zwei
Stunden dem Erdboden gleichgemacht.
Die Geschichten der anderen Witwen stehen sich in ihrer Grausamkeit in nichts
nach. Sie belegen den Fanatismus muslimischer Rebellen und ihrer Drahtzieher.
Gut ausgerüstete Krieger umzingeln ein Dorf, töten die Männer und brennen alles
nieder. Frauen und Kinder müssen ansehen, wie ihre Männer und Väter massakriert
werden.
Nigeria ist ein religiöses Pulverfass, das jederzeit vollends in die Luft gehen
kann. Christen und Muslime stellen je rund 45 Prozent der Bevölkerung. Der
Norden ist islamisch dominiert, im Süden sind die Christen vorherrschend. Der
Plateau Staat im Zentrum des westafrikanischen Landes ist als "Auge im Sturm"
Schauplatz eines von der Welt kaum beachteten Religionskrieges. Muslimische
Geistliche wollen das ganze Land unter Kontrolle der Scharia (des islamischen
Gesetztes) bringen. 13 der 36 Bundesstaaten haben es bereits ausgerufen. An
gesellschaftlichen Schaltstellen, an Universitäten und in den Medien sitzen
Muslime, die mit antichristlichen Parolen die Lage anheizen.
Im Plateau Staat wird das gezielte Vorgehen der Muslime deutlich. Obgleich hier
über 90 Prozent der Bevölkerung Christen sind, versuchen sie, die Herrschaft
über diesen Staat zu gewinnen. "Zuerst dachten wir, dass sie mit uns friedlich
zusammenleben wollten", sagt uns ein Vertreter der Christlichen Gemeinschaft von
Nigeria. "Dann fingen sie an, uns zu bekämpfen." Söldner aus den Nachbarstaaten
Tschad und Niger lassen sich für dieses blutige Handwerk bezahlen.
Die Stadt Velwa ist ein Synonym für Massenmord. 1500 Christen kamen während der
Unruhen im Februar 2004 ums Leben. "Wir haben die Hölle gesehen", sagt Rebekka,
eine Witwe, die drei Angriffe überlebt hat. "Hier kann jederzeit alles
passieren."
Die Kirchen Nigerias sind durch die Verfolgung zusammengewachsen. "Früher gab es
eine Atmosphäre der Bitterkeit unter den Konfessionen", erzählt Justin La
Nibetle von der Kirche Christi. Heute wüssten evangelische, katholische und
pfingstkirchliche Christen, was sie aneinander haben. "Und wir haben denselben
Feind. "Es ist der Teufel selbst, nicht die Muslime. Sie sind nur seine
Instrumente."
Aus: Südwest Presse vom 15.11.2005, Manuel Liesenfeld, idea