Unter dem Kreuz Jesu

 

 
Die Ablehnung christlicher Symbole und der Kampf gegen christliche Wertvorstellungen wird immer radikaler und umfassender. Auch vom obersten Gerichtshof der Bundesrepublik Deutschland sind nun die Kruzifixe in den Klassenzimmern von öffentlichen Schulen als verfassungswidrig erklärt worden. Manche begrüßen ein solches Urteil im Namen von “Toleranz”, “Freiheit” und “Pluralismus”. Andere hat dieses Urteil aufgeschreckt und an totalitäre Staatsformen erinnert, wo den Gläubigen von Staats wegen ebenfalls die Freiheit genommen wird, ihren Glauben öffentlich zu leben, was viele in unseren Landen noch aus eigener Erfahrung kennen. Selbst Leute, die mit Glaube und Christentum sonst nicht viel anzufangen wissen, hat ein solches Urteil deshalb sehr betroffen gemacht.

Unwillkürliche gedankliche Verbindungen vermögen nun zwar bisweilen schlaglichtartig die Problematik einer Situation zu erhellen. Jedoch können sie die tiefere und kritische Auseinandersetzung mit einem Thema nicht wirklich ersetzen. Als Staatsbürger können wir uns nicht nur fragen, ob wir ein solches Urteil befürworten oder ablehnen, sondern wir müssen uns auch mit den dahinter stehenden geistigen Grundsätzen kritisch befassen. Als Christen und Katholiken stellt sich uns die Frage, wie und ob wir die Stellung der Kirche zum Staat in allen Fällen richtig bestimmen und welche Forderungen sich vom Evangelium aus für uns in bestimmten Situationen ergeben.

Jedenfalls lassen die jüngsten Entwicklungen erkennen, wie leicht mit Schlagworten wie “Toleranz”, “Freiheit” oder “Pluralismus”, sofern diese an keine höheren Werte mehr gebunden sind, letztlich auch Intoleranz, Unfreiheit und Uniformismus herbeigeführt werden können.

“Freiheit”, “Toleranz” oder “Pluralismus” sind nicht absolut, keine reinen Werte an sich, sondern sind gegeben um eines höheren Gutes willen. Werden sie absolut gesetzt, verlieren sie ihren Sinn, da sie dann nicht mehr dem Ziel dienen, die wahre Liebe zu ermöglichen und zu verwirklichen. Sie werden vielmehr unversehens zu Instrumenten der Rechtfertigung von Unfreiheit, Bevormundung, Unduldsamkeit und Einförmigkeit durch jene, die diese Instrumente erfolgreich und mit dem notwendigen manipulativen Geschick zu nützen vermögen. Wahrheit und Liebe bleiben dann natürlich auf der Strecke.

Wir sehen, wie notwendig es ist, immer wieder darauf hinzuweisen, daß der Staat kein “geschlossenes System” ist, das sich selbst alle notwendigen Gesetze für ein gedeihliches Funktionieren selber gibt, sondern daß auch er höheren und absoluten Forderungen unterliegt, das heißt, daß er die Menschen bei der Gestaltung des sittlichen Lebens unterstützen und fördern muß. Auch der Staat kann sich nicht der grundsätzlichen Anerkennung der Autorität Gottes für alle Bereiche des menschlichen Lebens entziehen, sondern muß seinerseits immer nach den optimalen Möglichkeiten der Förderung wahrer Liebe und Gerechtigkeit suchen. Es bedarf dabei nicht einfach irgend einer Religion, sondern des Salzes des Evangeliums Jesu Christi, welches zu sein wir als Katholiken berufen sind. Denn nur Jesus allein kann uns und einer Gesellschaft das unfehlbare Beispiel für wahre Liebe und für eine sittliche Verwirklichung von Freiheit geben.

Als Katholiken sollten wir aber auch eines bedenken: Wer nur “Religionsfreiheit” fordert, ohne an die grundsätzliche Verpflichtung des Staates zu erinnern, die Erfüllung der Gebote Gottes zu fördern und Unrecht so weit wie möglich zu verhindern, bereitet geistigerweise eine Atmosphäre von “Freiheit”, welche Wahrheit und Liebe in den Hintergrund treten läßt und menschlicher Willkür und Tyrannei den Boden bereitet. 

Wir sollten uns auch darauf besinnen, ob wir denn die Botschaft vom Kreuze den Menschen noch recht vermitteln, ob nicht auch wir praktisch schon lange “geurteilt” haben, das Kreuz passe nicht mehr in unsere heutige Gesellschaft, und ob nicht auch wir das Kreuz praktisch längst von den Ehrenplätzen in unseren Häusern wie auch in unseren Herzen verbannt haben.

Vor allem aber müssen wir fragen, welchen Stellenwert das Kreuzesopfer Christi in den Herzen der “Katholiken” dort noch einnimmt, wo man zuläßt, daß man den überlieferten Glauben der Kirche beiseite schiebt, die katholische Theologie des Meßopfers als Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers lächerlich macht, die Worte Jesu im Abendmahlssaal verändert und die Treue zur überlieferten Liturgie der Kirche als “Vergehen” behandelt. Wie könnten wir Christus am Kreuz treu sein, wenn wir uns hier beteiligen oder mitschuldig machen würden?

Christen und erst recht Katholiken können wir nur sein, wenn wir uns unter dem Kreuz unseres Herrn und Heilandes sammeln. Gerade darin liegt auch die Aufgabe unserer Arbeitsgemeinschaft: Mitzuhelfen, daß das Kreuz Jesu besser verstanden wird und damit das eigentliche Unterscheidungsmerkmal von wahrer und falscher “Religion” klar heraustritt. Nur das Kreuz Christi erhebt und befreit von allzu menschlichen “Ideologien”, die sich oft unter dem Mantel von Religiosität verbergen: “Denn Gottes Torheit ist weiser als die Menschen, und Gottes Schwachheit ist stärker als die Menschen” (1Kor.1,25). Mag das Kreuz “für die Juden ein Ärgernis” sein und “für die Heiden eine Torheit” (1Kor.1,23), für uns, die wir berufen sind, liegt in diesem Zeichen Christi “Gottes Kraft und Gottes Weisheit” (1Kor.1,24).

Bitten wir vor allem die Gottesmutter Maria um Licht und Kraft, damit wir mit ihr trotz allem Spott unter dem Kreuz ausharren können und seine wahre Bedeutung für unser Leben heute erfassen und klar werden lassen können!

 

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