Unser Vater im Himmel


Am 1. Sonntag nach Pfingsten ist Dreifaltigkeitssonntag

Der liebe Gott hat uns in Seinem Sohne alles geschenkt (vgl. Röm.8,32)! Jesus ist unseretwegen Mensch geworden, hat alle Schuld allein für uns getragen und uns den Weg der Liebe, die ja Gott selbst ist, wieder eröffnet!

Aus Feinden Gottes, die wir durch die Sünde sind, können wir in Glaube, Hoffnung und Liebe wieder wahre Kinder Gottes werden (vgl. Röm. 5,10)! Ja, Jesus Christus hat uns in die göttliche Liebe selbst hineingenommen, dadurch, dass Er uns Anteil an der Liebe des Heiligen Geistes und damit auch an der Liebe des Vaters und des Sohnes schenkt!

In Seiner Menschwerdung hat Er sich zu unserem Bruder gemacht hat, wie wir es besonders in der Weihnachtszeit in so manchen Kirchenliedern besingen, ja Er will unser Freund sein (Joh.15,15), der Seine Liebe im Dienst an uns erweist, ja Sein Leben dahingibt für uns (vgl. Joh.15,13; Joh.10,17f.)!
In Jesus erhalten wir auch Anteil an der Kindschaft Gottes! Wie der Sohn den Vater liebt, sollen auch wir jetzt den Vater lieben im Heiligen Geist, und wie der Vater den Sohn liebt, so sollen auch wir die Liebe zum Sohn in unsere Herzen einlassen! „Ich habe ihnen Deinen Namen kundgetan und werde ihn weiter kundtun, damit die Liebe, mit der Du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen!“ (Joh. 17,26). Wir sind im Heiligen Geist keine Fremdlinge mehr Gott gegenüber, sondern unser neues Leben ist das Leben in der Liebe Gottes selbst!

Welchen Namen Gottes, von dem Jesus spricht, hat Er uns aber kundgetan? Ein besonderes Geschenk der Offenbarung Gottes in Jesus Christus, das uns oft gar nicht mehr hinreichend bewusst wird, ist, dass wir nicht nur von „Gott“, sondern von und mit unserem „Vater im Himmel“ sprechen können als Seine Kinder. Als Sohn führt Er uns zu Seinem und unserem Vater! Der Unterschied zwischen dem Sohn und uns, zwischen Schöpfer und Geschöpfen, ist dadurch nicht aufgehoben! Jesus ist nicht einfach nur Mensch wie wir. Das wird deutlich, wenn Er von „meinem Vater und eurem Vater“ (Joh. 20,17) spricht. Das Verhältnis Jesu zum Vater ist einzigartig. Doch Er nimmt uns in dieses Sein Verhältnis zum Vater mit hinein!

Dadurch, dass Jesus uns dahin führt, Gott gegenüber das vertrauensvolle „Vater“ zu gebrauchen, erschließt Er uns das Verständnis für unsere Berufung zur Gotteskindschaft, die uns im umfassenden Sinn durch Seine Hingabe für uns am Kreuz geschenkt wurde. Durch diese Seine Liebe bis in den furchtbaren Tod hat Er uns den Weg aus der Gottesferne und aus der Sünde wieder eröffnet und im Sakrament der Taufe uns wieder zu Gottes geliebten Kindern (Eph.5,1; Röm.8,15.ff.21; Phil2,15) gemacht!

„Da kam die Fülle der Zeit, und Gott sandte Seinen Sohn... Er sollte die unter dem Gesetze Stehenden loskaufen, damit wir die Annahme an Kindes Statt empfingen. Weil ihr nun Söhne seid, sandte Gott in unsere Herzen den Geist Seines Sohnes, der da ruft: Abba, Vater! So bist du also nicht mehr Sklave, sondern Sohn, als Sohn aber auch Erbe durch Gott“ (Gal. 4,4ff.).

Diese Anrede Gottes mit „Abba“, die Jesus selbst verwendet (Mk.14,36) und die Seine Apostel und Jünger weitergeben und praktizieren, ist mehr und inniger, als wir es mit dem deutschen Wort „Vater“ wiedergeben können. Es ist ein sehr kindliches Wort, in dem tief die Liebe zum Vater und des Vaters selbst ausgedrückt wird, ein Wort, das ein tiefes Vertrauensverhältnis voraussetzt und bezeichnet.

Ein solches Verhältnis zu Gott kennt keine andere Religion, sie kann es gar nicht haben, insofern sie Gott und Seine Offenbarung nicht kennt. Eine gewisse Vaterschaft Gottes wird auch im Alten Testament gelegentlich ausgesprochen, jedoch nicht so sehr als Ausdruck des persönlichen Verhältnisses zu Gott, sondern als Umschreibung der väterlichen Rolle Seinem alttestamentarischen, auserwählten Volk gegenüber (vgl. Dt. 8,5; 32,6; Ps. 103,13; Is. 1,2; 63,16; 64,7; Mal. 1,6).

In einem allgemeinen Sinn ist Gott natürlich Vater allen Seinen Geschöpfen gegenüber. Aber durch die Sünde ist unser Verhältnis zu Gott gebrochen! Erst Jesus Christus hat uns wieder geheilt und unsere ursprüngliche Berufung wieder ermöglicht! Nur durch die Befreiung von der Sünde und die Heiligung im Heiligen Geist sind wir wieder wahre Kinder Gottes geworden! Vorher waren wir unsererseits im Hinblick auf die Sünde noch Feinde Gottes (vgl. Röm.5,10)!

Ohne Jesus Christus bleibt „Gott“ immer entweder einseitig der Jenseitige, der Unerreichbare, der Unnahbare, der Unaussprechliche - oder er wird verdinglicht, verweltlicht, ein Götze, ein bloßes Abbild unserer Laune und unserer begrenzten Vorstellungskraft. Beides ist nicht der wahre Gott!

Denn Gott ist natürlich unaussprechlich erhaben und vollkommen, jenseitig, - aber wir könnten Ihn gar nicht wirklich erkennen oder lieben, wenn Er uns nicht auch zugleich sehr nah und direkt, voller Anteilnahme an unserem Geschick und Leben - also kurz: wirklich väterlich! - begegnen würde!

Indem Gott „Vater“ ist, werden beide Wirklichkeiten Gottes licht und klar: Seine Erhabenheit und unendliche Heiligkeit, die über alles Geschöpfliche unaussprechlich hinausragt, und Seine Nähe und Fürsorge, die uns in unserer Armseligkeit annimmt und emporhebt!

Als die Jünger bitten, ihnen das Beten zu lehren, da spricht Jesus das „Vater unser“ (Mt.6,9ff.; Lk.11,1ff.). Es ist das Urgebet der Kirche. Bis heute orientiert sich alles liturgische Beten an diesem Beten Jesu. Im Namen und mit der Endung „durch Jesus Christus, unseren Herrn“ betet die Kirche zum Vater.

Wie aber hat Jesus Seinen Jüngern den Vater vorgestellt? Der Apostel Philippus und mit ihm bestimmt auch die anderen Jünger haben ihn gebeten: „Herr, zeig uns den Vater. Das genügt uns!“ (Joh.14,8).

Was erhält Philippus und damit auch wir als Antwort? „Jesus erwiderte ihm: ‚So lange schon bin ich bei euch, und du kennst mich noch nicht, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen... Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch rede, sage ich nicht aus mir selbst; der Vater, der in mir bleibt, vollbringt die Werke. Glaubt mir, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist. Sonst glaubt doch wenigstens um der Werke willen“ (Joh. 14,9-11).

Wenn Jesu sagt: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh. 10,30), so hebt Er den Unterschied in den Personen nicht auf, zeigt aber ganz klar, dass Gott dennoch in sich nur ein Einziger ist! Und so können und dürfen wir in Jesus und in Seiner Liebe auch das Angesicht und die Liebe des Vaters erkennen! In der Menschwerdung zeigt uns Gott Sein wahres Angesicht und Seine unendliche Liebe!

Die Worte und die Werke, von denen Jesus spricht und aus denen wir Ihn als Gottes Sohn erkennen sollen, sind die Zeichen, die Jesus uns gibt. Aus ihnen spricht die Wahrheit und Liebe Gottes. Wer nicht liebt und die Wahrheit hasst, nimmt sie nicht an. Er zeigt, dass er die Liebe Gottes ablehnt, dass er nicht den wahren Vater liebt, sondern sich einen falschen sucht, der aber niemals die Liebe sein kann. In diesem Sinn sagt Jesus zu den die Frohbotschaft vom Reiche Gottes ablehnenden Juden: „Ihr habt den Teufel zum Vater und wollt nach den Gelüsten eures Vaters tun. Der war ein Menschenmörder von Anbeginn“ (Joh.8,44).

„Seht, welch eine Liebe uns der Vater erwiesen hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ (1Joh.3,1). Das ist nicht nur eine unendlich große Gnade, sondern auch eine ernste Berufung zur Heiligkeit: „Daran erkennt man die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels: Wer das Rechte nicht tut, ist nicht aus Gott. Ebensowenig, wer seinen Bruder nicht liebt“ (1Joh.3,10)!

Der Glaube an Vater, Sohn und Heiligen Geist ist also nicht austauschbar mit irgend einem anderen Glauben, wie heute viele meinen! Nur durch die Gnade Jesu und im Heiligen Geist finden wir zu unserem wahren Vater und zur wahren Liebe Gottes! Der Glaube an Gott muss in der Liebe wirksam werden, sonst ist er nicht echt (vgl. Gal. 5,6)!

„Niemand hat Gott je gesehen. Der Eingeborene, der Gott ist, der da ruht am Herzen des Vaters, Er hat Kunde gebracht!“ (Joh.1,18).


Thomas Ehrenberger


 

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