Wann
wurden die Evangelien verfasst? Je früher die Evangelien geschrieben wurden, desto mehr mussten sich die Evangelisten mit ihrem Werk dem kritischen Urteil der Zeitgenossen Jesu stellen, desto weniger hätten sie es sich leisten können, “Verkündigung” mit nur erfundenen Fabeln über Jesus zu betreiben. Es gibt nun immer wieder Versuche, die Entstehung der Evangelien erst sehr spät und lange Zeit nach Jesu Tod anzusetzen. Dahinter verbirgt sich eine Hypothese, die einen Bruch und einen großen Abstand zwischen dem geschichtlichen Jesus und dem Christus des Glaubens annimmt und die vor allem seit Rudolf Bultmann viele Anhänger auch unter “Christen” gefunden hat. Die Evangelien seien nach Meinung dieser Schule weniger ein authentischer Bericht über das tatsächliche Leben und Wirken Jesu als vielmehr nur eine Zusammenfassung dessen, was die Gemeinde Jesu über ihn später verkündet und erfunden hat. Diese Theorie birgt in sich schon große Schwierigkeiten, die letztlich nicht behoben werden, erfordert also von ihren Anhängern eine große "Glaubensbereitschaft" dieser Meinung gegenüber. Wie hätte sich zum Beispiel unter den schwierigen Bedingungen eine so überzeugte, begeisterte und opferbereite Gemeinde sammeln können, wenn das Wesentliche ihrer Jesus-Verkündigung sich nicht wirklich ereignet hätte, sondern nur von der Gemeinde selbst erfunden worden wäre? Wissenschaftlich gesehen ist diese These aber auch aus anderen Gründen fragwürdig: Funde von Bruchstücken aus dem Neuen Testament zwingen immer mehr dazu, die Entstehung der Evangelien schon sehr früh anzusetzen. 1947 erregten Funde bei Qumran am Toten Meer ein großes Aufsehen: In verschiedenen Höhlen waren alte Schriftrollen entdeckt worden, die als Bestände der Klosterbibliothek einer Sektengemeinschaft aus der Zeit Jesu identifiziert werden konnten. Die Klostersiedlung von Qumran war um 68 n. Chr. zerstört worden, das Mindestalter der Schriften konnte man berechnen. Je ausgiebiger nun diese Funde erforscht wurden, desto tiefer wurde die Bedeutung dieser Schriftensammlung erkannt. Denn die Schriften ermöglichten nicht nur einen tieferen Einblick in die Lehre und das Leben der Qumrangemeinde. Viel bedeutender waren die gefundenen Teile des Alten und des Neuen Testaments, die einen Vergleich mit späteren Handschriften ermöglichten. Dabei wurde offenbar, mit welcher Treue die Texte der Heiligen Schrift durch die Jahrtausende überliefert worden sind. Entdeckt wurden z.B. neben verschiedenen Bruchstücken des Deuteronomiums und der Psalmen auch zwei Jesaia-Rollen, aber auch Texte aus Jesus Sirach, Tobias usw. Es sind vielfach nur kleine Teile der Schriften erhalten (manche Forscher schätzen sie auf 100000 Stück), die in mühseliger Arbeit entschlüsselt und richtig zugeordnet werden müssen. Brisante Funde barg die Höhle 7. Hier fand man Fragmente in griechischer Schrift, die zwar nur wenige Buchstaben enthalten, die aber dem Neuen Testament zugeordnet werden können, nämlich Mk 6,52-53 und 1 Tim 3,16 - 4,3. Nach anfänglicher Skepsis bestätigten verschiedene Untersuchungen - auch mit Hilfe ausgeklügelter Computerprogramme, die alle möglichen Kombinationen ermittelten - daß es sich hier praktisch nur um diese Stellen aus dem Neuen Testament handeln konnte. Damit kamen viele Thesen und Hypothesen ins Wanken. Denn diese Schriftstücke fanden sich in einem 68n.Chr. versiegelten Krug, konnten also nicht erst später von Christen dorthin gebracht worden sein. Damit konnten vom Neuen Testament in Qumran zwar bisher nur winzige Bruchstücklein gefunden und identifiziert werden, aber gerade sie geben Zeugnis davon, daß die Evangelien nicht erst im späten ersten oder gar zweiten christlichen Jahrhundert entstanden sind, sondern zumindest schon vor 68n.Chr.! Ein wichtiges “Dogma” vieler “moderner” Exegeten wird somit erschüttert, daß die Prophezeiung Jesu über die Zerstörung des Tempels erst nach nach dieser Zerstörung um 70.n.Chr. verfasst worden sein könne, da man ja erst nach 70n.Chr. von dieser Zerstörung gewusst habe. Die Evangelien erweisen sich damit nicht als späte und verzerrende Schöpfung der christlichen Gemeinde, sondern eröffnen einen wirklichen Zugang zu Jesus Christus selbst, der durch das Zeugnis von Augen- und Ohrenzeugen beglaubigt ist! Die Berichte über Prophezeiungen und Wunder, über Tod und Auferstehung Jesu erweisen sich damit einmal mehr als echt und glaubwürdig.
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