Ostern und die Bedeutung der Wahrheit für den Jünger Jesu Christi
 
 
 

“Wir sind nicht spitzfindigen Märchen nachgelaufen, als wir euch die machtvolle Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus kundtaten. Wir waren ja Augenzeugen seiner Herrlichkeit” (2Petr. 1,16), betonen die Apostel immer wieder mit vollem Ernst.

Auch für uns ist es wichtig, daß wir keiner Schein-Wirklichkeit nachlaufen, daß wir Ostern nicht nur zum Scheine feiern. Christliches Leben ist nur als ein Leben in der Wahrheit möglich. “Die Wahrheit wird euch frei machen” (Joh. 8,31). Kein spitzfindiges Märchen hätte die Apostel zu mutigen Bekennern machen können, die ihr Leben freiwillig für den Glauben an die Auferstehung hingaben, keine Lüge bringt über Jahrtausende die Früchte eines neuen und wahren Lebens in den Herzen der Menschen hervor. Der Sieg Jesu über Sünde und Tod kann nur dort Früchte tragen, wo der Wahrheit die Tür geöffnet wird! Die Liebe zur Wahrheit ist deswegen eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, daß sich das Wunder von Ostern auch in unseren Herzen auswirken kann.

Gott will die Menschen aber nicht mit Zwang oder aus bloßer Notwendigkeit für die Wahrheit gewinnen, wie die Verkündigung Jesu Christi uns zeigt. Gott offenbart sich uns in Jesus Christus in Seiner Liebe, damit auch wir in Liebe unser ganzes Leben mit Freude auf die Wahrheit hin ausrichten. Er selbst ist die Ursache aller Güte und Liebe, aller Schönheit und Wahrheit, der absolut Gute. Das Gute rechtfertigt sich selbst und braucht durch nichts Höheres mehr "begründet" zu werden. So offenbart sich Gott als die Liebe und die Wahrheit. Wer liebt, dem wird die Botschaft Jesu von selbst hell und klar erscheinen.

Aber wie ist es mit den Tatsachen? Unser Glaubensbekenntnis bezieht sich doch auch auf konkrete Ereignisse in unserer Geschichte! Für den Glauben an die Auferstehung brauchen wir doch auch nach außen hin sichtbare Zeichen!? 

Wie dem heiligen Apostel Thomas, der nicht eher an die Auferstehung glauben wollte, als bis er an Jesu Händen selbst "das Mal der Nägel sehen" und seinen Finger selbst "in die Stelle der Nägel legen" und seine Hand "in seine Seite legen kann" (Joh. 20,25), so gewährt Jesus zu allen Zeiten auch äußere Zeichen und Wunder, an denen wir die Wahrheit der Frohbotschaft bestätigt finden können. Diese Bestätigung durch Gott erfuhren schon die Apostel. Sie ist auch ein Merkmal der ganzen Kirchengeschichte. 

Eindrucksvolle Zeichen finden wir auch in unserer Zeit, wenn wir nur an die sehr bekannten, einwandfrei belegten und streng untersuchten, außerordentlichen Vorkommnisse in Lourdes (seit 1858), bei Pater Pio (1887 - 1968), bei Therese Neumann (1898 - 1962), aber auch an vielen anderen Orten denken, die selbst von glaubenslosen Zeitgenossen anerkannt werden und schon häufig Anlass für Bekehrungen geworden sind. Im Zusammenhang mit Jesu Tod und Auferstehung sei auch das Grabtuch von Turin erwähnt, das zwar in der Geschichte immer schon als wahres Abbild und Leichentuch Jesu verehrt worden ist, das aber erst durch die heutigen wissenschaftlichen Möglichkeiten genauer untersucht werden konnte. Es bestätigt eindrucksvoll viele interessante Einzelheiten aus den Berichten der Evangelien über Tod und Auferstehung Jesu, wobei die Entstehung der Abbildung bisher nicht durch gewöhnliche, natürliche Vorgänge erklärt werden konnte. Dass es sich um keine Fälschung aus Menschenhand handeln kann, ist heute nach eingehenden, jahrzehntelangen wissenschaftlichen Untersuchungen praktisch unbezweifelbar.

Christlicher Glaube ist aber mehr als bloß naturwissenschaftliche Untersuchung oder bloßes Aufzeigen von Denknotwendigkeiten. Denn der Glaube ist immer eine Beziehung zu Gott, die nur dann möglich ist, wenn das Licht des Heiligen Geistes, welcher als die ewige Wahrheit zum Herzen des Menschen spricht, auch erkannt und angenommen wird. In diesem Sinn weist Jesus den heiligen Apostel Thomas darauf hin, daß es nicht darauf ankommt, mit den sinnlichen Augen zu sehen, indem Er ihm nach Offenbarung Seiner Wundmale sagt: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!" (Joh. 20,29). "Nicht-Sehen" meint hier offenbar die sinnliche Sensation, die dort nicht notwendig ist, wo der Mensch die Wahrhaftigkeit und Wahrheit Gottes mit dem inneren Auge erkannt hat. 

Jesus will aber von uns sicher nicht ein blindes Für-Wahr-Halten, welches ohne Gewissheit etwas behauptet. Denn sonst hätte Jesus auf das Verlangen des Thomas ja nicht Rücksicht genommen und seinen Wunsch nach Klarheit nicht erfüllt! Vielmehr sollen und dürfen wir die äußeren Zeichen dankbar von Gott annehmen, zugleich aber immer und in erster Linie um das innere Licht bitten, das nur der Heilige Geist geben kann und das uns alle bloß äußeren "Merkwürdigkeiten" erst richtig verstehen läßt!

Erinnern wir uns, daß die Zeichen Jesu immer viele Menschen gesehen haben und auch heute noch sehen, daß sie aber nur für wenige auch zur Gnade werden. Nur wenige erkennen sie im Lichte Gottes und nur wenige stellen ihr Leben darauf ein, weil nur wenige reinen Herzens die Wahrheit suchen. Erst die unvoreingenommene Liebe läßt uns wirklich "Ja" sagen zu Gott und schenkt uns die wahre und unverstellte Erkenntnis Gottes. Diese Liebe ist möglich, weil Gott uns zuerst geliebt und Seinen Sohn für uns dahingegeben hat (vgl. 1Joh. 3,16; 4,9ff.). "Selig, die reinen Herzens sind! Sie werden Gott schauen!" (Matth. 5,8), verheißt uns Jesus. An uns liegt es, das Licht der Wahrheit mit reinem Herzen zu suchen, anzunehmen und auch weiterzugeben, auch wenn uns immer klar bleiben muß, daß jede Erkenntnis eine unverdiente Gnade ist, die wir nicht durch unsere Leistung erzwingen können. Wir sollten deshalb nicht gleich verzagen, wenn uns etwas noch unverständlich erscheint oder wenn sich Gott uns noch nicht so gezeigt hat, wie wir es uns vorgestellt haben... Vielleicht will uns Gott in der Prüfung und im Verlangen, Ihn zu lieben, nur enger an sich ziehen und uns von allem Unwichtigen befreien, das uns den Weg zu Ihm versperrt? Jedenfalls ist auch der Schmerz beim Suchen nach der Wahrheit schon ein Zeichen der Liebe zur Wahrheit. Er offenbart, daß wir sie, die absolute Wahrheit, schon urbildhaft erkannt haben, weil wir sonst gar nicht wüssten, daß - oder wonach wir suchen!

Gott möchte aber, daß Ihn die Menschen ganz erkennen. Deshalb ist die Verantwortung der Jünger Jesu groß! Sie sollen das Licht, das Ihnen geschenkt wurde, nicht für sich behalten, weil Gott durch die Jünger Jesu das Zeugnis Seiner Liebe vermitteln möchte. Gott gibt zwar jedem Menschen genügend Gnade, um gerettet zu werden, und deswegen auch die notwendige Erkenntnis, das ist katholische Lehre. Trotzdem will Jesus aber auch unsere Mithilfe! Das Leben aus der Wahrheit ist deswegen immer notwendig auch ein Zeugnis für die Wahrheit, ja der Weg der Wahrheit kann bis äußersten Zeugnis, zum Martyrium führen! (Das griechische Wort "Martyrer" bedeutet soviel wie "Zeuge"). Die Wirklichkeit ist für den Liebenden nicht unbedeutend oder gleichgültig, sondern sie will von der Liebe selbst erfüllt und zur Vollkommenheit umgestaltet werden.

Gott hat uns als Seine Ebenbilder für die Erkenntnis der Wahrheit erschaffen und Er hilft uns gerne dabei! Der Heilige Geist muß also unser Innerstes erleuchten, damit wir wahrhaft erkennen und lieben können, und wir sollten Ihn auch immer darum bitten! Das Licht der Wahrheit und des Heiligen Geistes ist immer stärker als alle irdische Bedrohung und Finsternis. Es erstrahlt in seiner Milde und erfüllt das Herz auch im Todesdunkel mit einer Freude, die nur der kennt, der wahrhaft liebt, der das Angesicht Gottes in der Liebe Jesu und in Jesus erkannt und gesehen hat. Wahre Nachfolge Christi beinhaltet deshalb immer beides: Sterben, aber auch Leben in der Auferstehung mit Jesus Christus! 

Auch die katholische Kirche selbst ist ein lebendiges Zeichen der Gegenwart Gottes in der Welt, eine Verwirklichung des Ostersieges Jesu Christi über Tod und Sünde, weil sie das neue Leben in Christus durch alle Jahrhunderte offenbart und weitergibt. Mit dem äußeren Auge nehmen wir dabei die Erscheinung des wahren Lebens wahr, mit dem inneren erkennen wir es als das Leben Gottes in Wahrheit und Liebe.

Leider müssen wir heute erleben, daß Jesus auch durch "Katholiken" und sogar "Hirten" Ablehnung und Todesleiden erfährt. Besonders schmerzlich ist vor allem das Unrecht der Verfolgung des überlieferten Glaubens und der überlieferten Liturgie, die so weit geht, daß man in den neuen "Wandlungsworten" aus "vielen", von denen Jesus spricht, "alle" macht. Indem man Jesu Worte selbst verändert, öffnet man der Willkür Tür und Tor. Die Folgen sind sichtbar: Alle möglichen "Experimente" und Irrlehren, ja auch Vertreter aller Religionen scheinen heute in "katholischen" Gotteshäusern willkommen, nur die Treue zur überlieferten Liturgie der Kirche gilt als unerwünscht, so daß die Gläubigen aus den Kirchen ausgesperrt bleiben! Wie soll es da zu einer Erneuerung der Kirche kommen?

Beten wir um die Umkehr zur Wahrheit! Echte Reform kann nicht in einen Gegensatz zur Kirche aller Zeiten führen, das gilt in besonderem Maße für eine "Liturgiereform"! Gerade sie muß sich an der Treue zu Jesus Christus messen und muß sich fragen lassen, ob sie zu einem vertieften Verständnis und zu einem vertieften religiösen Leben in Ehrfurcht vor Gott und in Liebe beiträgt. Ehrfurchtslosigkeit und eine Abschwächung der Glaubenswahrheiten, welche heute im Zusammenhang mit "Liturgiereform" einhergehen, wie auch der allgemein zu verzeichnende Schwund an Verständnis für die katholische Liturgie und für die katholische Glaubens- und Sittenlehre, sind keine Zeichen für echte Reform. Das sehen immer mehr Katholiken auf allen Kontinenten, jeden Alters und jeden Standes. Sie versuchen, die Treue zum katholischen Glauben ohne große "organisatorische Mittel", seit mehreren Jahrzehnten unter großen Opfern zu leben und das Licht der katholischen Wahrheit auch weiterzugeben.

Zu einem österlichen Neubeginn im Leben der Kirche kann nur die bewußte Nachfolge Jesu Christi führen, die aber nur möglich ist in Demut und Liebe und Treue zur Wahrheit! Diese Treue lebt nicht in Ängstlichkeit, Flucht oder Resignation, auch nicht in Bitterkeit oder Selbstgefälligkeit. Aufrichtige Liebe zur Wahrheit geht viel tiefer, denn sie ist im Heiligen Geist verwurzelt und muß immer eine Frucht der Gottesliebe und des Gebetes sein! Nur so wird der Weg der Wahrheit auch ein Weg in der Kraft Gottes sein und ein Weg zu Gott hin, ein Weg der Liebe und der Freude im Heiligen Geist, der immer auch ein Weg der Freude an der Wahrheit ist, auch wenn der Jünger in der Nachfolge Christi von zahlreichen Anfechtungen und Widerständen bedrängt wird.

Österliche Menschen sollen wir sein. Der Glaube an die Auferstehung kann und soll in unserem Leben nicht unsichtbar bleiben. Christus hat Not und Verlassenheit des Todes mit uns geteilt, damit auch wir lieben und als Glieder Seiner Kirche das neue Leben, das Er uns durch Seinen Tod geschenkt hat, mit anderen teilen. In der Bemühung um die Wahrheit erhebt sich ein Christ nicht stolz über andere, sondern er gesteht demütig seine eigenen Fehler und Schwächen ein, um dem Wirken Gottes Raum zu schaffen und so auch den anderen bei seinem Bemühen zu begleiten, - nicht, um ihn dann blind weitergehen zu lassen, wie es heute oft praktiziert wird, sondern um ihm auf seinem Weg zu Gott und zur Wahrheit nach Möglichkeit voranzuhelfen. Wir dürfen den Menschen die Liebe Gottes nicht vorenthalten.

Die Botschaft von Jesu Auferstehung fordert von uns ein Leben aus der Wahrheit, das sich mit dem Bösen nicht einfach abfindet. Mit Christus teilen wir unser Leben und unser Sterben, um Seine Liebe weitergeben. Nur der wahre Glaube und der wahre Gott kann uns die Kraft dazu geben. Wenn wir Ihm unser Herz öffnen und uns unserer eigenen Schwachheit immer bewußt bleiben, wird Er uns dazu auch die notwendigen Gnaden und Hilfen schenken.

Traurig und aus Furcht vor den Juden hatten die Jünger damals die Türen verschlossen. Doch unerwartet tritt Jesus in ihre Mitte und spricht: “Der Friede sei mit euch. Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh. 20, 21). Jesus möchte auch uns heute Anteil an Seiner Osterfreude und an Seinem neuen Leben schenken. Und wenn wir auch trauern und vielleicht aus Furcht die Türen unseres Herzens verschlossen haben, steht Jesus trotzdem vor der Tür und wartet, daß wir Ihm öffnen (vgl. Offbg. 3,20), um einzutreten und zu uns dasselbe wie zu Seinen Aposteln zu sagen.

Alleluja! Christus ist wahrhaft auferstanden! Mit dem Wunsch und dem Gebet, daß die Osterfreude in diesem Sinn auch in unserem Leben reiche Früchte trage, vereinigen wir uns in diesem Bekenntnis mit den Christen aller Zeiten, die sich seit alters an Ostern durch diesen Zuruf begrüßt und sich die unbegreifliche, aber doch unbezweifelbare Wahrheit der Auferstehung in Erinnerung gerufen haben. Möge Er auch uns die tiefe und klare Erkenntnis der Wahrheit schenken, damit unser Leben wahre Früchte der Liebe hervorbringe und den wahren Frieden und die wahren Freude im Heiligen Geist verbreite!


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