An welchen Gott glauben wir?
■ Nicht selten bekommt man heute, wenn man in Gesprächen mit bis dahin oft unbekannten Menschen das Thema Religion anschneidet, das Argument zu hören: “Wir haben ja alle denselben Gott”. Und zwar wird dies nicht nur in Bezug auf die verschiedenen christlichen Konfessionen angebracht (sofern diese natürlich Jesus Christus als den göttlichen Erlöser bekennen), sondern ausdrücklich auch im Hinblick auf praktisch alle nichtchristlichen Religionen gemeint. Damit soll wohl unterstrichen werden, dass es in erster Linie nicht darauf ankomme, woran man denn genau glaubt, sondern dass man überhaupt an irgendein wie auch immer beschaffenes höheres Wesen glaubt, mag dieses in den verschiedenen Religionen “Gott”, “Jesus Christus”, “Allah”, “Buddha” oder auch nur “der große Geist” (der Indianer) genannt werden. Letztendlich seien ja alle Religionen (in ihrer Grundausrichtung) gleich und würden sich eben an denselben “Gott” wenden.
Diese These erfreut sich heute besonders in unserer westlichen Welt einer ziemlich großer Beliebtheit, zumal sie auch von den Medien und der Politik (sofern Religion da überhaupt noch irgendeine Rolle spielt) mit allem Nachdruck bejaht, als sozusagen “politisch korrekt” hingestellt bzw. dann auch für die eigenen globalen Ziele instrumentalisiert wird. Denn wer es wagt, solchen Anschauungen zu widersprechen und welche Religion oder auch nur christliche Konfession auch immer für besonders und einmalig zu halten, wird ohne eine jede weitere sachliche Nachfrage sofort und automatisch als “intolerant” und “extremistisch” abgestempelt.
Leider lassen sich Anhänger dieses “Grunddogmas” unserer gesellschaftlichen Öffentlichkeit auch unter zahlreichen Mitgliedern der “Konzilskirche” bzw. in ihrem Klerus finden. Manchmal hat man sogar den Eindruck, dass man da besonders darauf erpicht ist, sich nach der Art des an sich abstoßenden vorauseilenden Gehorsams konform der öffentlichen Meinung zu erweisen, um nur nicht anzuecken oder sonst wie den “Unmut” der Liberalen auf sich zu ziehen. In quasi-religiöser Hinsicht meint man (oft in ziemlich naiver Weise), mit dieser Haltung neue Impulse für die moderne so genannte ökumenische Bewegung zu liefern und besonders der Verbrüderung aller Menschen bzw. dem Weltfrieden beizukommen.
Nun, sicher gibt es, von der Zahl her gesehen, nur einen einzigen Gott! Es wäre geradezu absurd, die Existenz von zwei oder mehreren Göttern anzunehmen. Und sicher kann jeder Mensch, wie der genuine katholische Glaube lehrt, diesen einen wahren Gott auch grundsätzlich finden, wenn er Ihn nur ehrlich und aufrichtig sucht. So erklärt das (Erste) Vatikanische Konzil von 1870, indem es sich nämlich auf die Tatsache der Erschaffung des Menschen als eines mit Verstand und dem freien Willen begabten Wesens stützt: “Der eine wahre Gott, unser Schöpfer und Herr, kann mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen mit Sicherheit erkannt werden” (Pohle, J., Gummersbach, J., Lehrbuch der Dogmatik. Verlag Ferdinand Schöningh 1952, Band I, S. 117).
Somit ist es sicherlich auch möglich, dass auch Nichtchristen in sich die ehrliche Sehnsucht nach dem Überzeitlichen, Ewigen, Übernatürlichen, Göttlichen erwecken und sich das aufrichtige Verlangen nach der echten inneren Reinigung, der geistigen Reinheit der Seele, zum über alles erstrebenswerten Ziel machen. Beschwert doch das irdische Dasein mit seinen verschiedenen Lasten und vielschichtigen trügerischen Versprechungen des Versuchers jeden Menschen, der nur ehrlich zu sich ist und die gegebenen unzulänglichen Realitäten ungeschminkt wahrnimmt.
Dennoch gibt es zwischen der christlichen Offenbarungsreligion auf der einen und allen anderen Religionen (wie auch immer sie heißen mögen) auf der anderen Seite einen fundamentalen Unterschied! Dieser liegt schlicht und ergreifend in der Person und dem Heilswirken Jesu Christi, der bekanntlich sowohl das Christentum als Religion stiftete als auch den absoluten Mittelpunkt dessen Glaubensbekenntnisses bildet. Und um uns im Zusammenhang unserer Themenstellung die zentrale Bedeutung und die entscheidende Rolle Jesu Christi im christlichen Glauben in Erinnerung zu rufen (welches Wissen vielen der modernen Christen - äußerst bedauernswert - teilweise sogar weitestgehend abhanden gekommen ist), wollen wir hier zunächst einige Grundsätze der Gotteslehre beleuchten.
■ Nun, wir alle werden wohl in Prinzip zugeben müssen, dass Gott an sich in gewisser Hinsicht ganz anders ist als der Mensch Ihn sich vorstellt. Und zwar zunächst insofern, dass Er alle Eigenschaften, die wir Ihm im Zuge Seiner Erkenntnis zusprechen, im unendlich hohen, ja für uns, Menschen, höchst denkbaren Umfang besitzt. So ist Er nicht nur gut bzw. gütig, sondern die unendliche Güte selbst; nicht nur gerecht, sondern in einem viel höheren Maß der Inbegriff des Rechts bzw. der Gerechtigkeit, wie der klügste Menschenverstand dies überhaupt jemals fassen könnte; nicht nur großzügig und barmherzig, sondern die jegliche menschliche Fassungsgabe übersteigende Liebe schlechthin!
Eingedenk jedoch der Tatsache, dass der menschliche Verstand klaren intellektuellen Beschränkungen unterliegt, müssen wir uns dessen bewusst werden, dass auch dieses für uns höchst denkbare Maß an Heiligkeit und Vollkommenheit Gottes immer noch lediglich einen Schatten dessen darstellt, Wer bzw. wie Gott tatsächlich ist! Wir können zwar Gott mit unserem Intellekt wirklich erkennen - dass Er nämlich existiert, dass Er zum Beispiel gut, gerecht, allwissend, allmächtig und barmherzig ist. Diese grundsätzliche Fähigkeit zeichnet den Menschen vor der gesamten Tierwelt aus - in dieser Hinsicht unterliegt er keinem notwendigen Irrtum.
Aber trotz dieser im Vergleich zu anderen Lebewesen außergewöhnlichen Erkenntnisleistung sind wir dennoch nicht in der Lage, die ganze Tiefe des Gutseins bzw. den gesamten Reichtum der sittlichen Vollkommenheit Gottes auszuschöpfen und zu begreifen! Was dem menschlichen Geist hier nämlich die entscheidende Schwierigkeit bereitet bzw. was er wegen der Eingrenzung seiner geistigen Leistungsfähigkeit nicht fassen kann, ist die Ewigkeit und Unendlichkeit dessen, Wer bzw. wie Gott an sich ist. Somit sollten wir uns vor dem Irrtum hüten anzunehmen, wir würden mit unserem Erkennen Gottes auch schon Seine gesamte Realität überblicken bzw. die Intensität und geistige Konzentration Seiner unendlich erhabenen Vollkommenheit erahnen können. Gott an sich ist immer mehr, als es sich der klügste Mensch je ausrechnen sollte, Er ist inhaltlich immer wesentlich reicher und wunderbarer, als es sich der menschliche Verstand jemals vorstellen könnte!
Der hl. Apostel Paulus umschreibt mit folgenden Worten diese grundsätzliche Erkenntnis: “Er allein besitzt Unsterblichkeit und wohnt im unzugänglichen Licht. Ihn hat kein Mensch gesehen, noch vermag er Ihn zu sehen” (1 Tim 6,16). Zwischen dem ewigen und unendlich heiligen Gott auf der einen und dem begrenzten menschlichen Verstand auf der anderen Seite besteht, was nämlich die moralische Tiefe ihres Wesens bzw. ihr jeweilige sittliche “Leistungsfähigkeit” angeht, ein solcher unendlich großer Unterschied, dass der Mensch nicht in der Lage ist, diesen von sich aus zu überbrücken, mit seinen eigenen Fähigkeiten den Zugang zu Gott zu finden.
■ Damit also Gott und der Mensch kommunikativ miteinander überhaupt in Berührung kommen können, musste sich Gott eine Art der Mitteilung “zulegen”, die der Mensch grundsätzlich verstehen kann, mit welcher für ihn das “Reden” Gottes erst wahrnehmbar wird. Somit musste Gott eine “Sprache” wählen, die dem begrenzten menschlichen Geist entspricht bzw. mit diesem gewissermaßen “kompatibel” ist. Denn ob sich nun Gott an den Menschen mittels einer gedanklichen Eingebung, eines akustischen Wortes, einer sichtbaren Erscheinung o.ä. wendet, geschieht dies immer nach der (oben erklärten intellektuell begrenzten) Art des Menschen, in seiner unvollkommenen “Sprache”.
Aber auch wenn sich Gott bei diesem Seinem “Reden” zum Menschen auf die unvollkommene “Sprache” des Menschen einschränkt, sich auf dessen endliche Art begrenzt, bleibt Er Seinem Wesen nach dennoch Gott und verliert nicht das Geringste von Seiner unendlichen Vollkommenheit! Somit ist es immer noch der ewige Gott, der hier in der Zeit zum Menschen spricht und ihm Seinen Willen kundtut.
Jesus Christus offenbart uns Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist. So sprach Er von Gott im Himmel als Seinem Vater (vgl. Mt 7,21; 10,32; 15,13 usw.) und nannte sich selbst (dessen) Sohn (Joh 5,29; 6,40; 8,36 usw.). Dass der Sohn innigst mit dem Vater verbunden bzw. mit Ihm eines Wesens ist, wird von Jesu mit den folgenden Worten ausgedrückt: “Ich und der Vater sind eins” (Joh 10,30); “Der Sohn kann nichts aus sich selber tun, sondern nur, was Er den Vater tun sieht. Was dieser tut, das tut ebenso auch der Sohn. Denn der Vater liebt den Sohn und zeigt Ihm alles, was Er selbst tut” (Joh 5, 19f).
Indem aber der Sohn beim “Sprechen” zum Menschen das “tut”, “was Er den Vater tun sieht”, spricht der Vater durch den Sohn zu den Menschen. Der Sohn sagt uns somit, wer der Vater ist bzw. was Er will: “Alles ist Mir von Meinem Vater übergeben. Niemand kennt den Sohn als nur der Vater, und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und der, dem der Sohn es offenbaren will” (Mt 11,27).
Die heute leider auch in weiten Kreisen der offiziellen Christenheit unbekannt gewordene Wahrheit ist, dass wir vom Vater nur durch den Sohn erfahren bzw. dass wir vom Vater überhaupt nur durch den Sohn wissen können! Es gibt nicht nur keinen anderen Zugang zum Vater als durch den Sohn, sondern es gibt, weil der Sohn ja die Offenbarung Seines Vaters ist, schlechthin keinen anderen Gott außer dem, der durch den Sohn spricht! Denn würde es den Sohn nicht geben, würden wir auch vom Vater nichts wissen.
So sagt auch Jesus im Evangelium, dass man nicht den Vater ehren kann, wenn man zugleich den Sohn ablehnt: “Alle sollen den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt auch nicht den Vater, der Ihn gesandt hat” (Joh 5,23). Und auf die betreffende Bitte des Apostels Philippus erklärt Er geradezu feierlich-majestätisch: “‘Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als durch Mich. Wenn ihr Mich erkannt hättet, würdet ihr auch Meinen Vater kennen. Schon jetzt erkennt ihr Ihn und habt Ihn gesehen.’ Philippus sagte zu Ihm: ‘Herr, zeige uns den Vater! Das genügt uns.’ Jesus erwiderte ihm: ‘Solange schon bin Ich bei euch, und du kennst Mich noch nicht, Philippus? Wer Mich gesehen hat, hat auch den Vater gesehen.’” (Joh 14,6-9)
■ Der hl. Apostel Johannes, der in der kirchlichen Tradition den Beinamen “Theologe” trägt, drückt seine entsprechenden Erkenntnisse im Prolog seines Evangeliums (Joh 1,1-18) auf folgende Weise aus (indem er nämlich den Sohn wegen Seines “Sprechens” als Offenbarung des Vaters einfach “das Wort” nennt): “Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dies war im Anfang bei Gott. Durch dieses ist alles geworden, und ohne es wurde nichts von dem, was geworden ist. In Ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Das Licht leuchtet in der Finsternis; allein die Finsternis hat es nicht ergriffen.” Nicht nur gab es am “Anfang” (der Schöpfung) schon “das Wort” bzw. den Sohn - die Erschaffung der sichtbaren wie unsichtbaren Welt erfolgte ja bezeichnenderweise nicht ohne “das Wort” -, sondern dieses “Wort” als der Inhalt bzw. Inbegriff des übernatürlichen Lebens erleuchtet jeden Menschen (schon auf der Ebene der natürlichen, erst recht der übernatürlichen Gotteserkenntnis!) und möchte ihm Sinn und wahre Lebensfülle vermitteln.
Dann führt der Apostel die Gestalt des Johannes des Täufer ein, welcher “Zeugnis vom Licht” geben sollte. “Das wahre Licht, das da erleuchtet jeden Menschen, kam in die Welt. Er war in der Welt. Die Welt ist durch Ihn geworden; und doch hat die Welt Ihn nicht erkannt.” Leider ist nicht jeder Mensch willens, Gott als das ihm in der Vernunft erscheinende “wahre Licht” anzuerkennen bzw. Ihm zu dienen. Denen aber, “die Ihn aufnahmen”, “die da glauben an Seinen Namen” und somit “aus Gott geboren sind”, gab “das Wort” allerdings die “Macht, Kinder Gottes zu werden”. Wer sich somit auf dieses “Sprechen” Gottes, das “Wort”, einlässt und Seinen Willen tut, erst dem wird wahre Gemeinschaft mit Gott in der Gnade und Liebe Christi möglich!
Und am Ende dieses Prozesses der Offenbarung Gottes, geschah etwas, womit niemand rechnen konnte - Gottvater, der doch “im unzugänglichen Licht wohnt”, den “kein Mensch gesehen hat”, “noch zu sehen vermag” (1 Tim 6,16), hat nicht nur durch Seinen Sohn im Heiligen Geist zu uns gesprochen - im Sohn hat sich die ganze Dreifaltigkeit, der dreieinige Gott, in Seiner ganzen Wahrheit geoffenbart. Gott ist sogar Mensch geworden: “Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Und wir haben geschaut Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit. ... Aus Seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade über Gnade. Durch Moses wurde das Gesetz gegeben, durch Jesus Christus kam die Gnade und Wahrheit. Niemand hat Gott je gesehen. Der Eingeborene, der Gott ist, der da ruht am Herzen des Vaters, Er hat Kunde gebracht.”
■ Auch wenn also diese Wahrheit heute politisch-gesellschaftlich ziemlich “unkorrekt” sein und bei vielen ihrer modernen Zuhörer komplettes Unverständnis hervorrufen sollte, ist es trotzdem sowohl die ursprüngliche als auch eindeutig überlieferte christlich-katholische Lehre, dass es außerhalb und unabhängig von Jesus Christus keinen Gott gibt bzw. nicht der eine wahre Gott verehrt und angebetet werden kann! Im Sohn - und zwar nur im Sohn! - spricht der Vater zu uns, dem armen Menschengeschlecht, und teilt uns Seinen heiligen Willen mit. Der Sohn ist Mensch geworden und hat durch Seinen stellvertretenden Tod die Menschheit von der Sünde erlöst. Wer also Jesus Christus im Glauben als den göttlichen Erlöser anerkennt, der verehrt auch den Vater im Himmel; wer dagegen Jesus Christus (wissentlich) verachtet, der kennt auch den Vater nicht, der sich ja im Sohn offenbart. So sprach ja auch Jesus an die Adresse der Ihn ablehnenden Juden: “Ihr kennt weder Mich noch den Meinen Vater. Kenntet ihr mich, so würdet ihr auch meinen Vater kennen.” (Joh 8,19)
Wenn im Neuen Testament der Begriff “Glaube” oder “glauben” verwendet wird, dann nicht im Hinblick auf ein jedwedes beliebiges angenommenes “höheres Wesen”, sondern nur im Hinblick auf den einen und dreifaltigen Gott, der durch Seinen Sohn zu uns gesprochen hat! Und die Notwendigkeit des Glaubens an Jesus Christus zur Erlangung des ewigen Heiles bzw. um dem wahren und lebendigen Gott zu begegnen, wird in den folgenden Worten des Evangeliums unmissverständlich ausgedrückt: “Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden” (Mk 16,16). Die Heilsnotwendigkeit dieses christlichen Glaubens wird auch durch den klaren Missionsauftrag Jesu Christi an Seine Kirche unterstrichen: “Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. So geht denn hin und macht alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und sie alles halten lehrt, was Ich euch geboten habe” (Mt 28,18-20). Der Glaube an Jesus Christus und die Taufe im Namen des dreifaltigen Gottes bleiben die unabdingbare Bedingung bzw. Voraussetzung, um das Heil in Gott zu erlangen!
Wenn ein Nichtchrist, ob er nun ein Jude, Moslem, Buddhist, Hinduist o.ä. ist, die Wahrheit um Christus ohne eigenes Verschulden nicht kennt, in seinem Herzen aber ehrlich die Wahrheit und Gerechtigkeit sucht, dann sucht er letztendlich unwissentlich schon das “Wort” Gottes, das sich in Jesus Christus uns geoffenbart hat. Dann wird ihm dies auch entsprechend angerechnet werden, weil er die Voraussetzung für die Gnadenwirksamkeit des Heiligen Geistes in seiner Seele erfüllt - der liebe Gott ist ja nicht ungerecht. Die katholische Kirche spricht in solchen Fällen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, von der Begierde-Taufe, die ihnen das ewige Heil vermitteln kann. Aber diese Menschen werden dann - und das ist der entscheidende Unterschied zum Modernismus! - nicht dank sondern trotz (!) ihrer nichtchristlichen Religion gerettet werden. „Wenn die Heiden, die das Gesetz nicht haben, aus natürlichem Antrieb die Forderungen des Gesetzes erfüllen, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, dass der Kern des Gesetzes in ihr Herz geschrieben ist. Ihr Gewissen bezeugt es ihnen und die Gedanken, die einander anklagen oder verteidigen“ (Röm 2,14f).
Unter heutigen Christen hat sich merkwürdigerweise weit die These verbreitet, dass zum Beispiel das Judentum, Christentum und der Islam zwar alle denselben wahren Gott verehren würden, aber nur das Christentum die volle Wahrheit über Ihn verkünden solle. Zwar können Juden oder Moslems im oben genannten Sinn als Geschöpf den wahren Gott suchen und verehren. Es ist dann aber nicht ihre Religion, die als solche schon den wahren Gott bekennt. Auch kann man das heutige, in der Ablehnung Christi gewachsene, Judentum nicht einfach mit dem Alten Testament gleichsetzen, das auf Christus gewartet hat. Denn wenn man das nicht beachtet, billigt man auf diese Weise (jenen zwei anderen) falschen Religionen leider ebenfalls einen gewissen Wert und eine nicht zu geringe Bedeutung im Hinblick auf die Vermittlung des ewigen Heils in Gott zu, obwohl diese Jesus Christus nicht nur nicht als den wahren Gottessohn und göttlichen Erlöser bekennen, sondern Ihn sogar ausdrücklich als einen solchen ablehnen!
Bezeichnenderweise hat aber der hl. Apostel Paulus die nichtchristlichen Religionen (im obigen Zitat aus dem Römerbrief) nicht auf eine solche völlig unzulässige Weise aufgewertet - er billigt ihnen praktisch nicht den geringsten Wert in der echten Heilsvermittlung zu! Wie allen Menschen so ist natürlich auch den Heiden “der Kern des Gesetzes in ihr Herz geschrieben”, so dass sie “aus natürlichem Antrieb die Forderungen des Gesetzes erfüllen” können. Somit kann jeder Mensch kraft seiner Vernunft die Existenz und wesentlichen Eigenschaften Gottes erkennen (natürliche Gotteserkenntnis) - danach wird er auch vom ewigen Richter beurteilt.
In ähnlicher Weise spricht er die Heiden auch nicht einfach so von ihren (schweren) Sünden frei, als ob sie für nichts verantwortlich wären: „Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbar über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die durch ihre Ungerechtigkeit die Wahrheit [Gottes] unterdrücken. Denn was von Gott erkennbar ist, das ist ihnen offenbar. Gott hat es ihnen geoffenbart. Lässt sich doch Sein unsichtbares Wesen mit dem Auge des Geistes wahrnehmen: Seine ewige Macht wie Seine Göttlichkeit. Darum sind sie nicht zu entschuldigen. Obwohl sie nämlich Gott kannten, haben sie Ihn doch nicht als Gott verehrt noch Ihm gedankt“ (Röm 1,18-21).
Nicht der Mensch oder eine menschliche “Religion” kann also das übernatürliche Leben verleihen, sondern nur Christus, der uns Gottes Heil gebracht hat und uns Anteil an Seiner Gnade schenken möchte!
Somit sind alle echten Katholiken auch weiterhin gehalten, unabhängig von der aktuellen politisch-gesellschaftlichen “Mode” unverkürzt die volle Wahrheit über den einen und wahren Gott zu verkünden, der “in dieser Endzeit durch Seinen Sohn zu uns gesprochen hat” (vgl. Hebr 1,2). “Er ist der Abglanz Seiner Herrlichkeit und das Abbild Seines Wesens” (Hebr 1,3). Wie die Apostel vor dem Hohen Rat in Jerusalem so wollen auch wir heute bekennen: “Im Namen Jesu Christi von Nazareth, den ihr gekreuzigt habt, den aber Gott von den Toten auferweckt hat: durch Ihn steht dieser Mann gesund vor euch. Jener ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde, der aber zum Eckstein geworden ist. In keinem anderen ist das Heil. Denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir das Heil erlangen sollen” (Apg 4,10-12)! “Jesus Christus bleibt derselbe gestern und heute und in Ewigkeit. Lasst euch nicht durch allerlei fremde Lehren irreführen” (Hebr 13,8f)!
P. Eugen Rissling
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