Gibt es aktuell einen obersten Lehrer der Kirche hier auf Erden, der sein Amt wahrnimmt?
Diese Frage beschäftigt inzwischen nicht nur Katholiken, die der katholischen Kirche aller Zeiten in der Lehre und Liturgie treu blieben. Dieser Frage, ob es einen obersten Hirten und Lehrer der Kirche hier auf Erden noch gibt, der als solcher noch erkannt (und damit auch anerkannt) werden kann, müssen sich immer mehr auch jene stellen, welche die liturgische Verfolgung und viele sonstige „Neuanpassungen“ in Lehre und Kult praktisch seit Jahrzehnten hingenommen haben.
Besonders seit den beiden „Bischofssynoden“ zu Fragen von Ehe und Familie, auf denen eine Neubewertung der Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu Sakramenten und kirchlichen Diensten ohne vorherige Umkehr in Aussicht gestellt wurde, und nach dem auf sie folgenden „Nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia“ häufen sich auch innerhalb dieser zweiten Gruppe die Stimmen, die ein Versagen oder ein Fehlen eines wirklichen obersten Hirten und Nachfolgers Petri in der Kirche von heute beklagen.
Es gibt inzwischen viele Briefe oder Aktionen oder auch Internetseiten von offiziell im kirchlichen Dienst stehenden Personen oder Vereinigungen, die einen Ausfall eines wirklichen Lehramtes beklagen oder dokumentieren (vgl. z.B. https://en.denzingerbergoglio.com. Auf die Diskussion die Berechtigung oder der richtigen Einordnung der einzelnen Kritikpunkte kann hier nicht eingegangen werden).
Am 14. November 2016 konnte man in den Medien lesen, dass nun auch „vier Kardinäle“ ein Schreiben an „Papst Franziskus“ veröffentlicht hätten, das diesen zu einer klärenden Aussage angesichts der Verwirrung unter den Gläubigen, die durch das nachsynodale Schreiben „Amoris laetitia“ entstanden ist, veranlassen sollte.
Sogar die offizielle Internetseite der deutschen Bischöfe hat diesen Schritt in einem Kommentar als möglich und auch sinnvoll eingeschätzt. Man fragt sich natürlich, ob nicht schon seit Jahrzehnten angesichts der „kirchlichen“ Entwicklungen und Aktionen (Gebet mit anderen Religionen unter Anrufung fremder "Götter", Verbot der überlieferten Liturgie, Zulassung zahlreicher Irrlehren, Verkündigung von mindestens zweideutigen Inhalten, Koranküssen, Verzicht auf Judenmission, Aufforderung an Muslime, ihrem Glauben treu zu bleiben durch Joh. Paul, oder den Koran zu lesen durch Franziskus beim Weltflüchtlingstag am 19.1.2014, siehe: http://ilsismografo.blogspot.co.at/2014/01/vaticano-saluto-di-papa-francesco-ieri.html, Filmaufnahme siehe: https://en.denzingerbergoglio.com/those-who-are-christians-with-the-bible-and-those-who-are-muslims-with-the-koran-with-the-faith-you-have-received-from-your-fathers-there-is-one-single-god-the-same-god/ , und vieles andere mehr) ähnliche Maßnahmen durch „Kardinäle“ notwendig gewesen wären.
Die nun vorgebrachten Dubia (Zweifel) gegenüber Amoris laetitia sind vom emeritierten „Erzbischof von Bologna, Kardinal Carlo Caffarra, gefolgt von Kardinal Raymond Burke und den beiden deutschen Kardinälen Walter Brandmüller und Joachim Meisner“ (www.katholisches.info) unterzeichnet. Sie „ließen Papst Franziskus ihre Zweifel vertraulich zukommen“ (am 19. Sept. 2016). „Nachdem sie der Papst keiner Antwort würdigte, haben sie ihre Dubia nun öffentlich gemacht … Die Kardinäle wollen damit eine klare Positionierung des Papstes erzwingen, um die sich Papst Franziskus, so der Vorwurf, drückt, obwohl er bereits in den vergangenen Monaten von verschiedener Seite zu einer klaren Stellungnahme aufgefordert wurde“ (ebd.).
Die Verfasser erklären ihren Schritt in einer Vorbemerkung folgendermaßen: „Wir haben eine ernste Verunsicherung vieler Gläubiger und eine große Verwirrung festgestellt, und zwar im Hinblick auf Fragen, die für das Leben der Kirche von großer Wichtigkeit sind. Wir haben festgestellt, dass auch innerhalb des Bischofskollegiums einander widersprechende Interpretationen des achten Kapitels von Amoris laetitia gegeben werden.
Die große Tradition der Kirche lehrt uns, dass der Ausweg aus Situationen wie dieser darin besteht, … den Apostolischen Stuhl zu bitten, diejenigen Zweifel aufzulösen, welche die Ursache von Verunsicherung und Verwirrung sind.
Das, was wir tun, ist also ein Akt der Gerechtigkeit und der Liebe.“ Die Verfasser heben hervor, „dass Petrus – dem Papst – der Dienst zukommt, im Glauben zu stärken“ und dass sie als Kardinäle auch eine Aufgabe in der unterstützenden Sorge um die universale Kirche innehaben, „weswegen sie „Spaltungen und Entgegensetzungen“ vorbeugen wollen, „indem wir … bitten, jede Mehrdeutigkeit zu zerstreuen.“
Sie umschreiben ihr Anliegen so: „Die „Dubia“ (lateinisch: „Zweifel“) sind formelle Fragen, die dem Papst und der Kongregation für die Glaubenslehre gestellt werden, um Klärungen hinsichtlich bestimmter Themen zu erbitten, welche die Lehre und die Praxis betreffen. Das Besondere im Hinblick auf diese Anfragen besteht darin, dass sie so formuliert sind, dass sie als Antwort „Ja“ oder „Nein“ erfordern, ohne theologische Argumentation. Diese Weise, sich an den Apostolischen Stuhl zu wenden, ist nicht unsere Erfindung; sie ist eine jahrhundertealte Praxis.“
Die Dubia, also „Zweifel“, die sie vorbringen, lauten in einem Auszug zusammengefasst:
„1. Es stellt sich die Frage, ob es aufgrund dessen, was in ‚Amoris laetitia’ Nr. 300–305 gesagt ist, nunmehr möglich geworden ist, einer Person im Bußsakrament die Absolution zu erteilen und sie also zur heiligen Eucharistie zuzulassen, die, obwohl sie durch ein gültiges Eheband gebunden ist, ‚more uxorio’“ (in ehelicher Weise; Anm.) „mit einer anderen Person zusammenlebt … Kann der Ausdruck ‚in gewissen Fällen’ der Anmerkung 351 (zu Nr. 305) des Apostolischen Schreibens ‚Amoris laetitia’ auf Geschiedene in einer neuen Verbindung angewandt werden, die weiterhin ‚more uxorio’ zusammenleben?
2. Ist nach dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben ‚Amoris laetitia’ (vgl. Nr. 304) die auf die Heilige Schrift und die Tradition der Kirche gegründete Lehre … über die Existenz absoluter moralischer Normen, die ohne Ausnahme gelten und in sich schlechte Handlungen verbieten, noch gültig?
3. Ist es nach ‚Amoris laetitia’ Nr. 301 noch möglich, zu sagen, dass eine Person, die habituell im Widerspruch zu einem Gebot des Gesetzes Gottes lebt – wie beispielsweise dem, das den Ehebruch verbietet (vgl. Mt 19,3–9) –, sich in einer objektiven Situation der habituellen schweren Sünde befindet?...
4. Soll man nach den Aussagen von ‚Amoris laetitia’ (Nr. 302) über die ‚Umstände, welche die moralische Verantwortlichkeit vermindern’, die auf die Heilige Schrift und die Tradition der Kirche gegründete Lehre … für weiterhin gültig halten, nach der ‚die Umstände oder die Absichten niemals einen bereits in sich durch sein Objekt unsittlichen Akt in einen subjektiv sittlichen oder als Wahl vertretbaren Akt verwandeln’ können?
5. Soll man nach „Amoris laetitia“ (Nr. 303) die auf die Heilige Schrift und die Tradition der Kirche gegründete Lehre … für weiterhin gültig halten, die eine kreative Interpretation der Rolle des Gewissens ausschließt und bekräftigt, dass das Gewissen niemals dazu autorisiert ist, Ausnahmen von den absoluten moralischen Normen zu legitimieren, welche Handlungen, die durch ihr Objekt in sich schlecht sind, verbieten?“
Vielleicht ist es sinnvoll, auch die erklärenden Gedanken der Einwände kurz wiederzugeben, da es um grundlegende Überlegungen zur christlichen Sittlichkeit wie auch zum Sakramentenempfang geht, mit denen sich jeder Gläubige auseinandersetzen muss.
Zu Punkt 1 wird von den Verfassern der Anfrage kurz erklärt, welche Voraussetzungen „wiederverheiratete Geschiedene“ bisher erfüllen mussten, um trotzdem die heilige Kommunion empfangen zu dürfen, wenn sie wegen der Verantwortung für ihre Kinder nicht einfach ganz auseinander gehen können: Dass sie nicht mehr wie Mann und Frau zusammenleben und sich der Akte, die Eheleuten vorbehalten sind, enthalten. Und dass sie Anstoß vermeiden, um andere nicht ebenfalls zur Sünde eines außerehelichen Zusammenlebens zu verleiten.
Dazu wird gesagt: „Die sexuellen Beziehungen sind für die eheliche Liebe da… Für die Kirche hat das sechste Gebot – ‚Du sollst nicht ehebrechen’ – immer jede Ausübung der menschlichen Sexualität mit umfasst, die keine eheliche ist, das heißt jede Art von sexuellen Akten außer denjenigen, die mit dem eigenen rechtmäßigen Ehegatten vollzogen werden.“
Die Zulassung zur Kommunion von wiederverheirateten Geschiedenen, die weiterhin wie Eheleute zusammenleben, würde nach den Verfassern hingegen bedeuten:
■ Entweder: „Eine Scheidung löst das Eheband nicht auf, und die Partner der neuen Verbindung sind nicht verheiratet. Trotzdem können Personen, die nicht verheiratet sind, unter bestimmten Bedingungen in legitimer Weise Akte sexueller Intimität vollziehen.“
■ Oder: „Eine Scheidung löst das Eheband auf. Personen, die nicht verheiratet sind, können nicht in legitimer Weise sexuelle Akte vollziehen. Die Geschiedenen und Wiederverheirateten sind auf legitime Weise verheiratet, und ihre sexuellen Akte sind auf erlaubte Weise eheliche Akte.“
■ Oder: „Eine Scheidung löst das Eheband nicht auf, und die Partner der neuen Verbindung sind nicht miteinander verheiratet. Personen, die nicht verheiratet sind, dürfen keine sexuellen Akte vollziehen. Daher leben die zivil wiederverheirateten Geschiedenen in einer Situation habitueller, öffentlicher, objektiver und schwerer Sünde. Wenn die Kirche Personen zur Eucharistie zulässt, bedeutet das jedoch nicht, dass sie auch ihren öffentlichen Lebenswandel gutheißt; der Gläubige kann auch im Bewusstsein schwerer Sünde zum eucharistischen Tisch hinzutreten. Um im Bußsakrament die Absolution zu empfangen, ist nicht immer der Vorsatz erforderlich, sein Leben zu ändern. Die Sakramente sind also vom Leben losgelöst: Die christlichen Riten und der Kult bewegen sich in einer anderen Sphäre als das christliche moralische Leben.“
Es ist klar, dass ein wahres Lehramt keine von allen diesen drei „Lösungen“ akzeptieren könnte.
„Der zweite Zweifel betrifft die Existenz der sogenannten in sich schlechten Handlungen … die immer schlecht sind, die durch moralische Normen verboten sind, die ohne Ausnahme verpflichten (‚moralische Absoluta’). Diese moralischen Absoluta sind immer negativ, das heißt, sie sagen uns, was wir nicht tun dürfen: ‚Du sollst nicht töten’, ‚Du sollst nicht ehebrechen’. Lediglich negative Normen können ohne Ausnahme verpflichten.
… Das gilt auch dann, wenn ein Geheimagent aus der Frau des Terroristen, falls er mit ihr einen Ehebruch begehen würde, wertvolle Informationen herausholen könnte, um so das Vaterland zu retten (Das … ist … schon vom heiligen Thomas von Aquin in ‚De Malo’, q. 15, a. 1 erörtert worden.)“
Zu Nr. 3 wird ausgeführt: „Im Abschnitt 301 erinnert ‚Amoris laetitia’ daran, dass die Kirche ‚im Besitz einer soliden Reflexion über die mildernden Bedingungen und Umstände’ ist. Und sie schließt: ‚Daher ist es nicht mehr möglich zu behaupten, dass alle, die in einer sogenannten irregulären Situation leben, sich in einem Zustand der Todsünde befinden und die heiligmachende Gnade verloren haben.’“
Bei der Zulassung zur Kommunion kann aber letztlich nur das objektiv wahrnehmbare hartnäckige Verharren im Zustand schwerer Sünde eine Rolle spielen, „da ja derjenige, der die Kommunion austeilt, keine Möglichkeit hat, die subjektive Zurechenbarkeit der jeweiligen Personen zu beurteilen.“ Es geht um die Frage, ob „in den Fällen, in denen ein äußeres Verhalten in schwerwiegender, offenkundiger und beständiger Weise der moralischen Norm widerspricht, ... die Kirche … in ihrer pastoralen Sorge um die rechte Ordnung der Gemeinschaft und aus Achtung vor dem Sakrament“ auch die Pflicht und damit auch eine Urteilsfähigkeit haben kann, das Sakrament zu verweigern. Zu Nr. 4: „Im Abschnitt 302 betont ‚Amoris laetitia’, dass ‚ein negatives Urteil über die objektive Situation kein Urteil über die Anrechenbarkeit oder die Schuldhaftigkeit der betreffenden Person’ beinhalte.“ Hier stelle sich die Frage, „ob ‚Amoris laetitia’ der Aussage zustimmt, dass keine Handlung, die das Gesetz Gottes übertritt (wie Ehebruch, Diebstahl, Meineid), jemals, auch unter Berücksichtigung der Umstände, welche die persönliche Verantwortung mildern, entschuldbar oder auch gut werden kann … Oder können diese Handlungen in Abhängigkeit vom subjektiven Status der Person und von den Umständen und von den Intentionen aufhören, schädlich zu sein, und lobenswert oder wenigstens entschuldbar werden?“
Zu Nr. 5: „’Amoris laetitia’ sagt (in Nr. 303): Das ‚Gewissen kann nicht nur erkennen, dass eine Situation objektiv nicht den generellen Anforderungen des Evangeliums entspricht. Es kann auch aufrichtig und ehrlich das erkennen, was vorerst die großherzige Antwort ist, die man Gott geben kann’. … Für diejenigen, welche die Idee eines kreativen Gewissens ins Spiel bringen, können die Vorschriften von Gottes Gesetz und die Norm des individuellen Gewissens in Spannung oder auch im Gegensatz zueinander stehen, wobei das letzte Wort immer dem Gewissen zukommen solle, das die letzte Entscheidung trifft im Hinblick auf gut und böse.“ Es geht hier um die Frage „ … maßt man sich an, die Zulässigkeit sogenannter ‚pastoraler‘ Lösungen zu begründen, … nach welcher das sittliche Gewissen durch ein partikulares negatives Gebot tatsächlich nicht in allen Fällen verpflichtet würde..“?
„So gesehen wären Fälle von tugendhaftem Ehebruch, legalem Mord und verpflichtendem Meineid mindestens vorstellbar. Das würde bedeuten, dass man das Gewissen auffassen würde als eine Instanz, autonom zu entscheiden hinsichtlich gut und böse, und das Gesetz Gottes als eine Last, die willkürlich auferlegt worden ist und die an einem gewissen Punkt zu unserem wahren Glück im Widerspruch stehen könnte.“
So weit die auszugsweisen Darlegungen der Verfasser des Briefes. Die Klärung, um die es hier geht, ist fundamental für das Leben des Christen wie für die Pastoral der Kirche. Deshalb stellen sich viele die Frage: „Was geschieht, wenn Franziskus nicht auf die Dubia antwortet?“ – Dies fragte auch Edward Pentin für den National Catholic Register den Mitunterzeichner des Schreibens „Kardinal Burke: Dann müssten wir diese Situation ansprechen. Es gibt in der Tradition der Kirche die Praxis, den Papst zu korrigieren. Das ist natürlich etwas sehr Seltenes. Aber, wenn es keine Antwort auf diese Fragen gibt, dann würde ich sagen, dass die Frage für einen formalen Akt zur Korrektur eines schwerwiegenden Fehlers gegeben wäre … Verbindlich ist die Tradition. Die kirchliche Autorität existiert nur im Dienst der Tradition. Ich denke an die Stelle im Brief des Heiligen Paulus an die Galater (1,8): ‚Wer euch aber ein anderes Evangelium verkündigt, als wir euch verkündigt haben, der sei verflucht, auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel.’“
Der heilige Paulus beantwortet hier indirekt alle Fragen des Gehorsams, die sich heute durch die Verfolgung der Tradition der Kirche erheben, aber auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Amtsbesitzes, die sich der Katholik ja immer wieder stellen muss (z.B. in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Wahl, v.a. bei Gegenpäpsten, aber auch in der allgemeinen Begründung des Gehorsams usw.).
Beten wir in Vereinigung mit allen Engeln und Heiligen, dass die Kirche bald aus dieser verwirrenden Situation wieder herausfinde und dass der Herr Seiner Kirche doch bald wieder gute und treue Hirten, vor allem aber einen heiligmäßigen Oberhirten hier auf Erden schenken möge, der Seine Herde wirklich mit Seiner Stimme und mit der Weisheit Seines Heiligen Geistes lenken möge!
Thomas Ehrenberger |