Welche Ziele verfolgt der Vatikan?
■ Am 30. Juni 1988 hat Erzbischof Marcel Lefebvre vier Mitglieder der von ihm 1970 gegründeten Priesterbruderschaft St. Pius X. ohne Erlaubnis der damals von Johannes Paul II. regierten postkonziliaren “Kirche” zu Bischöfen geweiht. Daraufhin wurden am 1. Juli 1988 sowohl er selbst als auch die betreffenden vier Bischöfe vom Vatikan mit der so genannten Exkommunikation latae sententiae (1) belegt.
Am 15. Dezember 2008 richtete dann der jetzige Generalobere der Piusbruderschaft Bischof Bernard Fellay einen Brief an den Präsidenten der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei mit der erneuten Bitte um die Rücknahme dieser Exkommunikation. Am 21. Januar 2009 wurde nun dieser Bitte seitens des Vatikan sozusagen entsprochen und die vier Bischöfe wurden offiziell von der Exkommunikation befreit. Was ist davon zu halten? Wie ist diese Maßnahme Benedikts XVI. wirklich einzuordnen?
Nun, fragen wir uns zunächst, was denn eine “Exkommunikation” eigentlich ist und bedeutet. Sie ist eine kanonische Beugestrafe (und will somit zur Umkehr veranlassen), welche von der zuständigen und rechtmäßigen (!) kirchlichen Instanz dann über eine oder mehrere Personen verhängt wird, wenn diese sich eine jeweils bestimmte kanonische Straftat zugezogen haben. Hauptsächlich wird damit bestraft, wer trotz Mahnung hartnäckig häretische Ansichten in (vor allem wesentlichen) Fragen des Glaubens, der Moral oder der kirchlichen Disziplin vertritt bzw. die rechtmäßige kirchliche Obrigkeit ablehnt. Exkommunikation bedeutet, dass der Betreffende sich insofern außerhalb der lebendigen Gemeinschaft der Kirche befindet, dass er weder zu den lebenspendenden Sakramenten zugelassen werden noch ein kirchliches Amt bekleiden kann.
Damit aber die Exkommunikation aufgehoben werden kann, muss nach überlieferten kirchlichen Grundsätzen der, der damit behaftet ist, zunächst aufrichtig sowohl seinen entsprechenden Fehltritt bereuen und auf den rechten theologischen, moralischen oder sonstigen Pfad umkehren als auch ohne Abstriche die gesamte katholische Glaubenslehre bejahen und bekennen (!), und dies umso mehr in den Punkten, wo er davon bisher abwich. Dies sind zwei eherne Bedingungen, ohne welche es weder jemals eine Konversion zur katholischen Kirche noch die Aufhebung einer aus welchem Grund auch immer rechtmäßig ausgesprochenen Exkommunikation geben kann!
Wenn aber der Betreffende alle diese grundsätzlichen Bedingungen erfüllt und dann (in einem kanonisch-juristischen Akt der Konversion) in den Schoß der katholischen Kirche (wieder)aufgenommen wird, wird er zu deren vollständigen und mit allen Rechten eines Katholiken versehenen Mitglied. Diese Aufhebung der Exkommunikation und (Wieder)Aufnahme in die katholische Kirche schließt den Prozess der Annäherung und der Versöhnung mit der Kirche ab bzw. stellt ein sichtbares Zeichen des Friedens und der weitestgehenden Übereinstimmung mit den Lehren und der Institution der katholischen Kirche dar!
Zwar kann es da bei einem Kleriker bisweilen bestimmte Einschränkung in Bezug auf die Ausübung seiner etwa unkanonisch oder außerhalb der katholischen Kirche erhaltenen Weihen geben. Aber da das Faktum der Kirchenmitgliedschaft an sich niemals von der Frage nach dem Empfang oder der Ausübung der Weihen abhängt, ist ein solcher Kleriker nicht weniger ein Katholik als alle anderen, da er sich doch sowohl zum katholischen Glauben bekennt als auch den rechtmäßigen kirchlichen Autoritäten in Wort und Tat im Gehorsam untersteht!
■ Wie ist aber in der vorliegenden Angelegenheit der Vatikan konkret vorgegangen bzw. was genau hat er verlautbaren lassen? Benedikt XVI. sei zunächst, so das offizielle Schreiben der Kongregation für die Bischöfe, “auf väterliche Weise empfänglich für das geistliche Unbehagen, das von den Betroffenen aufgrund ihrer Exkommunikation zum Ausdruck gebracht wird und vertraut auf die Verpflichtung, die von ihnen ... formuliert wurde, keine Mühen zu unterlassen, um die noch offenen Fragen in notwendigen Unterredungen mit den Organen des Heiligen Stuhles zu vertiefen, sodass man bald zu einer vollständigen und zufriedenstellenden Lösung des Anfangsproblems kommt.
Darum hat er beschlossen, die kanonische Situation” der betroffenen vier Bischöfe “- die aus ihrer Bischofsweihe entstanden ist - zu revidieren. Dadurch soll das gegenseitige Vertrauensverhältnis konsolidiert und verstärkt werden und den Beziehungen der Bruderschaft Sankt Pius X. mit diesem Apostolischen Stuhl Stabilität verliehen werden.
Dieses Geschenk des Friedens ... möchte auch ein Zeichen sein, um die Einheit in der Liebe der universalen Kirche zu fördern und dahin zu gelangen, das Ärgernis der Trennung zu beseitigen.
Jetzt besteht die Hoffnung, dass dieser Schritt von einer schnellen Verwirklichung der vollen Gemeinschaft der ganzen Bruderschaft Sankt Pius X. mit der Kirche gefolgt werde, sodass die wahre Treue und Anerkennung des Lehramtes und der Autorität des Papstes mit dem Beweis der sichtbaren Einheit bezeugt werde” (www.fsspx.info). Daraufhin wird die betreffende Exkommunikation offiziell aufgehoben.
Nun, wenn man diesen Text genau untersucht, erkennt man, dass hier seltsamerweise von “noch offenen Fragen” die Rede ist, die in den Gesprächen zwischen beiden Seiten vertieft werden sollen. Wieso “noch offene Fragen”, obwohl doch die Exkommunikation aufgehoben und somit die Versöhnung bereits amtlich-kanonisch vollzogen worden sein soll?
Und man wolle noch “bald zu einer vollständigen und zufriedenstellenden Lösung des Anfangsproblems” kommen. Ja warum hat man sich denn darum nicht vor der Aufhebung der Exkommunikation hinreichend bemüht, wie es nach katholischen Prinzipien hätte eigentlich geschehen müssen? Oder warum hat man vor allem nicht mit dieser formalen kanonischen Versöhnung so lange gewartet, wie es in Entsprechung zur theologischen Sachlogik hätte unbedingt sein müssen (!), bis jene “vollständige und zufriedenstellende Lösung” gefunden worden ist? Soll man denn annehmen, der jetzige Schritt sei - weil nur eine Verzerrung einer echten kirchlichen Versöhnung - nicht so ernst zu nehmen bzw. als eine Art irreführende und täuschende Karikatur derselben anzusehen? Oder will damit der Vatikan etwa den neuen und bisher nie da gewesenen theologischen Sachverhalt einer “Versöhnung light” einführen?
Benedikt XVI. will mit seinem Schritt der Piusbruderschaft ein “Geschenk des Friedens” machen, “um die Einheit in der Liebe der universalen Kirche zu fördern und dahin zu gelangen, das Ärgernis der Trennung zu beseitigen”. Also besteht trotz angeblicher Aufnahme der betreffenden vier Bischöfe in den Schoß der postkonziliaren “Kirche” doch noch keine echte und im genuinen katholischen Sinn gemeinte “Einheit in der Liebe der universalen Kirche”, weil diese ja erst gefördert werden soll! Und wenn “das Ärgernis der Trennung” erst in der Zukunft beseitigt werden muss, warum sagt man, man habe die Exkommunikation aufgehoben, welches Ereignis sinnvoller- und logischerweise ja immer erst am Ende eines Versöhnungsprozesses stehen kann?
■ Fragen über Fragen, die sich aus dem zitierten vatikanischen Text ergeben. Warum diese klare Missachtung zentraler kirchlicher Prinzipien bzw. deren praktische Außerkraftsetzung? Man kann sich nicht des starken Eindrucks erwehren, dass es dem Vatikan mit seinem Schritt eigentlich um etwas anderes geht, als es die offiziell verwendeten theologischen Begriffe bzw. die Fassade frommer Textformulierungen erscheinen lassen möchte! Was will der Vatikan damit erreichen? Welche Ziele verfolgt er denn wirklich?
Nun, gegen Ende seiner betreffenden offiziellen Stellungnahme kommt ja der Vatikan tatsächlich auf eine “Hoffnung” zu sprechen, welche er mit seinem Schritt verbindet: “Jetzt besteht die Hoffnung, dass dieser Schritt von einer schnellen Verwirklichung der vollen Gemeinschaft der ganzen Bruderschaft St. Pius X. mit der Kirche gefolgt werde, sodass die wahre Treue und Anerkennung des Lehramtes und der Autorität des Papstes mit dem Beweis der sichtbaren Einheit bezeugt werde”. Dem Vatikan unter Benedikt XVI. schwebt also eine solche “volle Gemeinschaft” mit “der ganzen Bruderschaft St. Pius X.” vor, bei welcher diese letztere nicht nur immer so fromm redet, sie wäre dem “Papst” gegenüber treu und gehorsam ergeben, sondern ihm vor allem insofern “die wahre Treue” erweise, dass sie auch in konkreten praktischen Fragen sein “Lehramt” und seine “Autorität” anerkenne!
Und das kann man nur so verstehen, dass der Vatikan von der Piusbruderschaft nichts geringeres verlangt, als dass sie (aus der Sicht des modernistischen Vatikans) endlich (!) das Vatikanum II. und die daraus resultierenden neuen theologischen Inhalte des unter “der Autorität des Papstes” ausgeübten “Lehramtes” anerkenne! Die Erfüllung dieser Bedingungen hat das moderne Rom ja auch bisher immer von der betreffenden Bruderschaft verlangt.
Bezeichnenderweise äußerte sich auch Benedikt XVI. dementsprechend während der ersten daraufhin stattfindenden Generalaudienz am 28.01.09: “Ich habe diesen Akt der väterlichen Barmherzigkeit gesetzt, weil diese Prälaten mir wiederholt ihr tiefes Leid an der Situation bekundeten, in der sie sich befanden. Ich wünsche, dass auf diese meine Geste das umgehende Bemühen von ihrer Seite folgt, die weiteren notwendigen Schritte zu setzen, um die volle Einheit mit der Kirche zu realisieren. Auf diese Art sollen sie echte Treue und echtes Anerkennen des Lehramtes und der Autorität des Papstes und des Zweiten Vatikanischen Konzils bezeugen” (www.kreuz.net).
Es wird damit also klar gemacht, dass sich nur eine Seite auf die andere zuzubewegen habe, dass die oben erwähnten “notwendigen Unterredungen mit den Organen des Heiligen Stuhles” nur dem einen Ziel dienen dürfen, die Priesterbruderschaft St. Pius X. wie auch immer in die postkonziliare “Kirche” zu integrieren, damit sie nämlich “die volle Einheit mit der Kirche” erst realisieren könne. Benedikt XVI. beabsichtigt nicht, ja scheint nicht einmal im entferntesten daran zu denken, das Vatikanum II. in Frage zu stellen und dessen häretische Ansichten zu revidieren. Nein, aus der Sicht Ratzingers soll die Piusbruderschaft tunlichst ihre theologischen Positionen überdenken und denen der heutigen “Konzilskirche” anpassen. Sie soll eben auf neuen Kurs gebracht werden - der Vatikan seinerseits wähnt sich dagegen voll im Recht!
So ähnlich hat man es ja übrigens bereits mit der Priesterbruderschaft St. Petrus (von Wigratzbad) gemacht, von welcher es dann irgendwann “fromm” hieß, sie habe sich verpflichtet, die Texte des Vatikanums II. im Lichte der kirchlichen Tradition zu studieren. (Dann könnte sie ja bitte auch gleich versuchen, zum Beispiel auch die Texte eines Hans Küng oder Karl Rahner im so genannten Lichte der kirchlichen Tradition zu studieren... ) Hauptsache, sie verhält sich dann mehr oder weniger ruhig und stört nicht nennenswert.
■ Es liegt nun vor allem an der Leitung der Piusbruderschaft, ob sie nämlich den Trick Benedikts XVI. durchschaut oder sich früher oder später doch wie auch immer von seiner so genannten “väterlichen Barmherzigkeit” umgarnen und vereinnahmen lässt. Jedenfalls stimmt bedenklich, dass Bischof Fellay die Entscheidung Ratzingers vom 21.01.09 in einem Brief an die Gläubigen vom 24.01.09 bereits als eine “wohlwollende und mutige Tat” (www.fsspx.info) gelobt hat. Merkt er denn nicht, dass es Benedikt XVI. mit seiner Entscheidung wohl nur darum ging, einen Keil der Spaltung und Verunsicherung in die Reihen der Mitglieder der Piusbruderschaft zu schieben bzw. auf sie (noch mehr) den Druck zu erhöhen, “echtes Anerkennen des Lehramtes und der Autorität des Papstes und des Zweiten Vatikanischen Konzils” an den Tag zu legen!
Und in einer Hinsicht hat Joseph Ratzinger die Priesterbruderschaft St. Pius X. bereits ausgetrickst! Vorher hat sich diese nämlich den Gläubigen gegenüber nicht nur stets bemüht nachzuweisen, dass ihre Bischöfe nicht rechtmäßig, sondern dass sie vom Vatikan eigentlich überhaupt nie exkommuniziert worden seien. Nun aber redet diese Gemeinschaft selbst davon, dass die Exkommunikation aufgehoben worden sei ...und dankt sogar dafür Benedikt XVI. überschwänglich. Also können sie nun nach dem taktisch schlauen Schachzug des Vatikan nicht umhin, als doch zuzugeben, was sie früher fast schon vehement zu verneinen suchten, dass sie nämlich tatsächlich vom Vatikan exkommuniziert worden und gewesen sind. Irgendwie straft sich ein Lügner seiner Lügen immer auch selbst!
Und vor allem kann sie nicht fortfahren, an der aus katholischer Sicht völlig unmöglichen Konstruktion eines angeblich rechtmäßigen katholischen Papstes herumzubasteln, welcher gleichzeitig auch in Häresie fallen bzw. in einen offenen Widerspruch zur offenbarten Lehre Jesu Christi treten könne! Denn wenn sie diesem Widerspruch nicht rechtzeitig und entschieden entsagt (mit allen sich daraus teilweise sogar sehr schmerzhaft ergebenden Konsequenzen!), wird sie früher oder später selbst vom Widerspruch verschluckt werden.
Und so hat ja auch nun, Anfang Februar, der Druck auf die Priesterbruderschaft - auch und gerade seitens des Vatikan! - enorm zugenommen, endlich das Vatikanum II. und die Lehren der postkonziliaren Zeit anzuerkennen. Die Piusbruderschaft hat in den letzten Jahrzehnten einen großen Wert darauf gelegt, den Anspruch zu erheben, sie würde sehr wohl der von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. geleiteten Religionsgemeinschaft zugehören. Nun ist sie auch in den Augen Joseph Ratzingers ganz offiziell darin aufgenommen worden und scheint, postwendend die ganze Quittung für diese Mitgliedschaft in der “Konzilskirche” zu bekommen...
P. Eugen Rissling
(1) Wir verwenden hier die offiziellen Bezeichnungen der kanonischen Maßnahmen und der vatikanischen Ämter, ohne sie vorerst auf die Frage hin zu untersuchen, ob sie rechtens erfolg(t)en bzw. ob sie für uns ebenfalls Geltung besitzen.
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