Keine Umkehr und keine Taufe mehr notwendig?


Auf der Internet-Seite der Deutschen Bischofskonferenz findet sich seit einigen Wochen folgende Erklärung ihres Vorsitzenden Dr. Karl Lehmann, „Kardinal und Bischof von Mainz“, zum 40. Jahrestag der Konzilserklärung zum Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen.

„Wenn Christen die Treue Gottes zu seinem auserwählten Volk bestreiten, zerstören sie die Grundlage ihres eigenen Glaubens, der auf die Treue des Vaters Jesu Christi, des Gottes Israels baut (vgl. Röm. 11 in Zusammenhang mit "Nostra Aetate", 4).

Deshalb hat die Kirche auch über ihre lange vertretene Überzeugung selbstkritisch nachgedacht, Juden müssten, um das Heil erlangen zu können, getauft werden. Es wurde zunehmend bewusst, dass Mission als Ruf zur Umkehr vom Götzendienst zum lebendigen und wahren Gott (1 Thess 1,9) nicht auf Juden angewandt werden kann. Hierin gründet das Faktum, dass es heute keine "judenmissionarischen" Aktivitäten der katholischen Kirche mehr gibt. Zwischen der Kirche und dem jüdischen Volk geht es um die Begegnung "auf der Ebene ihrer je eigenen religiösen Identität" (Papst Johannes Paul II., 12. März 1979). Einzelne Konversionen, die auf Grund einer sehr persönlichen Entscheidung erfolgen, sind darum nicht ausgeschlossen.“

Stellen wir diesen Worten die Predigt des heiligen Petrus vor den versammelten Juden am Pfingstfest gegenüber:

„‚So erkenne denn das ganze Haus Israel mit Sicherheit: Eben den Jesus, den ihr gekreuzigt habt, hat Gott zum Herrn und Messias gemacht!‘ - Als sie dies hörten, ging es ihnen durchs Herz. Sie sagten zu Petrus und den anderen Aposteln: ‚Brüder, was sollen wir tun?‘ - Petrus erwiderte ihnen: ‚Bekehrt euch, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden; so werdet ihr den Heiligen Geist als Gabe empfangen. Denn euch und euren Kindern gilt die Verheißung, aber auch allen Fernstehenden, soviel der Herr unser Gott berufen wird.‘ Noch mit vielen anderen Worten beschwor und ermahnte er sie: ‚Rettet euch aus diesem verderbten Geschlecht!‘“ (Apg.2,36ff.).

Es ist folglich nicht irgend eine bloß „lange vertretene Überzeugung“ in der katholischen Kirche, die Umkehr und Taufe auch für die Glieder des jüdischen Volkes fordert, sondern die Übung der Apostel selbst, die ihrerseits den Auftrag zur Taufe unmittelbar von Jesus Christus empfangen haben:

„Macht alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und sie alles halten lehrt, was ich euch geboten habe“ (Mt.28,19f.). „So steht geschrieben: Der Messias muss leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen. In Seinem Namen soll bei allen Völkern, angefangen von Jerusalem, Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden!“ (Lk.24,46f.).

Wie wollen Bischöfe es da verantworten, auf „judenmissionarische Aktivitäten“ sowie auf die Taufe von Juden zu verzichten und nur noch zwischen Christen und Juden eine „Begegnung auf der Ebene ihrer je eigenen religiösen Identität“ anstreben, wie oben gesagt wurde? Ist das nicht ein Verrat am bischöflichen Amt, an Jesus Christus und an der Wahrheit?

Weiter führt er aus: „Von besonderer Bedeutung für die religiöse Verhältnisbestimmung zwischen Judentum und Christentum ist es, wenn ... (im Dokument ‘Das jüdische Volk und seine Heilige Schrift in der christlichen Bibel‘ der Päpstlichen Bibelkommission aus dem Jahr 2001 herausstellt = Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 152) der zweifache Ausgang des Alten Testaments herausgestellt wird, also die je eigenständige, aber in unterschiedliche Lebenszusammenhänge eingebundene und von daher je für sich berechtigte Lesart alttestamentlicher Traditionen in Judentum und Christentum: Christen können und müssen zugeben, dass die jüdische Lesung der Bibel eine mögliche Leseweise darstellt, die sich organisch aus der jüdischen Heiligen Schrift der Zeit des Zweiten Tempels ergibt, in Analogie zur christlichen Leseweise, die sich parallel dazu entwickelte. Jede dieser beiden Leseweisen bleibt der jeweiligen Glaubenssicht treu, deren Frucht und Ausdruck sie ist. So ist die eine nicht auf die andere rückführbar."

Warum diese Erklärung? Wenn es nur subjektive Gründe gibt, die zur Taufe veranlassen, aber keine objektive Notwendigkeit, und wenn es angeblich objektiv berechtigt ist, auf den Neuen Bund zu verzichten und einfach bei einer „Leseweise“ des Alten Testaments zu bleiben, die ohne Christus, ohne Erlösung und ohne die Offenbarung Gottes in Seinem Sohn auskommt, dann müsste man schließlich auch Jesus und den Aposteln verbieten zu predigen „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk.16,16)!

Besteht hier überhaupt noch der Glaube an Jesus Christus als wahrer Sohn Gottes, findet sich hier noch das Bewusstsein für die Bedeutung des Neuen Bundes sowie der neutestamentlichen Offenbarung Gottes im Hinblick auf die ganze Menschheit, aber auch im Hinblick auf das Volk Israel?

Ist das Alte Testament für sich allein wirklich vollständig und abgeschlossen? Leidet die jüdische Religion und das jüdische Volk bis heute nicht gerade an diesem Mangel, dass Jerusalem bis heute nicht erkannt hat, was ihm „zum Frieden dient“ (Lk.19,41f.), worüber Jesus sogar Tränen vergießt?


Thomas Ehrenberger

 

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