Die Eifersucht Wenn wir die Erwägungen, welche wir an den Ausruf der Heiden knüpften, mit welchem sie den ersten Christen ihre Bewunderung zollten: "Seht, wie sie einander lieben," mit einem Blick in das eigene Herz und in das eigene Leben begleiteten, dann werden wir noch manches zu verbessern gefunden haben. Vielleicht haben sich sogar in dieser Beziehung Berge gezeigt, die abgetragen, und Täler, die ausgefüllt werden müssen. Und doch liegen in all' dem, was wir betrachtet haben, nur die geringeren Anforderungen. Das Wort: "Sehet, wie sie einander lieben!" lehrt uns noch mehr, als nur den Nächsten nicht zu verleumden, seine verborgenen Sünden nicht aufzudecken, seine Sünden nicht weiter bekanntzumachen, ihn nicht zu verdächtigen, sein Tun nicht übel auszulegen und nicht aus irgend einem Schein schlimme Schlüsse zu ziehen. Es lehrt uns auch jenes Wort noch mehr, als Barmherzigkeit am Irrenden und am Gefallenen und Büßer zu üben. Die Inder sagen: "Erfreue dich am Wohlergehen anderer, auch wenn es dir selbst nicht wohl geht; edle Menschen erfreuen sich am Glück ihres Nächsten", und "Edle sind es, die die Vorzüge anderer verbreiten." "Der Blumen Wohlgeruch trägt der Wind nach allen Weltgegenden hin." Die Araber lehren: "Das ist der beste Mann, welcher sich freut über anderer Wohlergehen." Das sind wieder Blitzstrahlen göttlicher Weisheit in Menschenherzen, welche vom Spender und Lehrer der Weisheit sich weit verirrt hatten. Wenn nun selbst bei Menschen, welche den göttlichen Heilmitteln fern standen, wie sie der christlichen Tugend jeden Augenblick helfend, stützend, fördernd zu Gebote stehen, solche Lichtstrahlen sich finden, solches Erkennen der Pflichten gegen den Nächsten, welche Helle müsste man da in der Seele des Christen erwarten! Aber ach, was hat sich in so vielen Herzen, sonst so edel und gut, eingeschlichen? Eine kleine böse giftige Natter, welche dem, der sie trägt und zärtlich hütet und liebkost und großzieht, am Herzen nagt, ihm das Leben verbittert und auch andere Herzen verwundet und anderer Leben vergiftet. Diese Natter heißt Neid, Missgunst, Eifersucht. Den Neid schildern die alten Deutschen also: "Was der Rost dem Eisen, das ist Neid dem Menschen." Die Perser sagen von ihm: "Der Feindschaft aller Ende ist zu hoffen, nur dessen nicht, der Feind dir ist aus Neid." Die Chinesen sagen: "Man misst die Türme nach ihrem Schatten, die Großen nach ihren Neidern." Ein Dichter schreibt: "Der Neid ist eine rechte Eule, so das Licht eines anderen Glückes nicht ertragen kann." Und ein anderer: "Du kannst dir jeden Feind versöhnen und verbinden, nur bei dem Neider wirst du niemals Gnade finden." Schlagen wir die heilige Schrift auf, so finden wir folgende Urteile über den Neid: "Durch den Neid des Teufels ist die Sünde in die Welt gekommen, und die ihm angehören, ahmen ihn nach." "Mit dem nagenden Neide will ich nichts zu tun haben, denn ein solcher Mensch hat nichts gemein mit der Weisheit." "Die Liebe beneidet nicht." "Des Körpers Leben ist ein gesundes Herz; Knochenfäulnis ist der Neid." "Den Toren tötet der Unmut und den Kleingläubigen mordet die Missgunst.""Ist es mir nicht erlaubt, zu tun was ich will? Oder ist dein Auge darum boshaft, weil ich so gut bin?" Bei den Kirchenvätern finden wir den Neid also verurteilt: "Der Neid ist der Urheber aller Übel, die Mutter des Todes, die Wurzel der Laster, die erste Türe der Sünde." (Gregor v. Nyssa). "Der Neid sieht nichts, sondern verblendet noch die Seele, er ist eine schädliche Gemütsbewegung und voll Heuchelei; durch ihn ward der Erdkreis mit unzähligen Übeln angefüllt." (Chrysostomus). "Der Neid ist eine Selbstpeinigung wegen des anderen Wohl und zehret die Seele allmählich auf." (St. Hieronymus). "Ein neidischer Mensch ist ein Glied des Teufels." (St. Bernhard). Einmütig finden wir da von den Weisesten heidnischer Völker, von Dichtern und Schriftstellern, aus dem Munde des Volkes, in der hl. Schrift, die unter Inspiration des hl. Geistes niedergeschrieben und in den Schriften der großen heiligen Kirchenväter den Neid auf das schärfste verurteilt. Sehen wir uns einen Menschen an, der uns erbaut durch die Gerechtigkeit, Milde und Schonung seines Urteils, durch seinen Eifer für Gottes Sache, durch seine vielen guten Werke, und lassen wir dann diesen Menschen scheel auf das Glück, die Freude auf die Erfolge, selbst auf die Tugenden, Gnaden und die guten Früchte des Wirkens seines Nächsten sehen dann müssen wir uns sagen, das ist die rechte, wahre, volle Nächstenliebe nicht, die Tugend des Menschen hat die Probe nicht bestanden, sein Gold ist nicht echt, oder doch ein sehr schwaches Gold mit ungemein zahlreichem unedlen Beisatz. Wer seine eigene Tugend prüfen und untersuchen will, der frage und erforsche sich, ob er sich freue über das Glück, die Freude, das Lob, den Ruhm, die Ehre, die Tugenden und Erfolge des Nächsten. Aber er sehe genau zu. Er bleibe nicht stehen bei dem einen und andern, die ihm besonders lieb sind, nein, er nehme niemand aus, auch die nicht, die ihm im Leben unfreundlich oder gar feindlich waren. Und wenn er die Prüfung nicht, oder nicht voll aushalten kann, dann weiß er, wo und was an seiner Seele zuförderst zu verbessern ist, und dass die Demut entweder fehlt, oder nicht tief genug im Herzen sitzt; denn die Demut tötet den Neid. Was ist nicht alles Gegenstand des Neides! Jeder Sonnenstrahl im Leben des Menschen erregt den Neid seiner Mitmenschen. Armes törichtes Menschenherz! Kann man sagen, warum das? O gönne doch dem Lebenswege deines Nächsten die Sonnenstrahlen himmlischen und irdischen Glückes, die Gottes Güte ihm schenkt und schenken will, weißt du denn nicht, dass der Himmel deren noch genug für dich hat? Und wenn es der irdischen weniger sind, so mag es dir besser sein, sie zu entbehren; und wenn du willig darin dich ergibst, wird dir der Mangel irdischen Glückes gar reichlich mit himmlischen Gütern ersetzt werden. Was haben Neid und Eifersucht angerichtet, seit die Welt geschaffen worden! Eifersüchtig sah Luzifer den Sohn Gottes in Gestalt des Menschen im Zukunftsbilde, und nach seinem Sturze sah er eifersüchtig das Glück der Menschen. In dieser Eifersucht sann er und sinnt noch heutigen Tages auf das Verderben des Menschen. Kains Opfer ward vor Gott nicht angenommen, weil sein Herz Gott nicht gefiel. Statt nun aber Gott um Erbarmen anzuflehen, lodert verzehrend die Eifersucht im Herzen Kains auf, und er wird zum Brudermörder. Ja die Eifersucht hat gar oft schon jählings oder von Stufe zu Stufe diejenigen, die sich ihr überließen, in den Abgrund gestürzt. Der Eifersüchtige stürzt sich nicht nur selbst in Gefahr, er reißt auch andere mit hinab: einzelne, viele, ganze Scharen; ja von Geschlecht zu Geschlecht greifen die Verheerungen weiter um sich, welche die Eifersucht angerichtet, wie ein Stein, der ins Rollen gekommen, ins Ungeheuerliche anschwillt und Städte, Dörfer und lachende Gefilde unter Trümmern begräbt. Wer zählt die Opfer der Eifersucht, die Existenzen, die sie vernichtet, die Herzen, welche sie gebrochen, die Ströme Blutes, die sie fließen gemacht, die Wunden, die sie geschlagen, die Trümmer die sie aufgehäuft, die Ruinen, welche sie geschaffen? Und, was Millionen Mal, was unendlich schlimmer und trauriger ist: wer zählt die Seelen, die sie zu Grunde gerichtet und, Gott sei's geklagt, noch zu Grunde richten wird? Wäre die Eifersucht nur bei den Kindern der Welt zu finden, das Übel wäre um vieles weniger schlimm. Das Verheerendste der Eifersucht ist, dass sie sich auch bei den Kindern des Lichtes einschleicht und ihren verwundenden Biss in das Herz des treuen und eifrigen Christen setzt, um das Werk seiner Tugend tief zu schädigen oder gar tödlich zu vergiften. Diese böse Natter nagt die arme Seele blind und matt; sie wollte Gott lieben und für das Reich Gottes und den Nächsten arbeiten, aber die böse Eifersucht hat ihre Kraft gelähmt, ihr Auge geblendet, so dass sie mehr zerstört, als aufbaut, sie aber weiß nicht, was sie tut, und wenn sie es wüsste, würde sie doch nicht anders handeln. Die Eifersucht ist eben Herr über sie geworden, und Gott und Gottes Sache müssen vor der unseligen Eifersucht zurücktreten. Die Sagen der Deutschen erzählen von einem
Helden, der durch das Baden im Blute eines Drachen unverwundbar geworden;
von dieser Unverwundbarkeit machte nur eine Stelle eine Ausnahme; dieselbe
war von einem Lindenblatte bedeckt gewesen. Und eine Sage der alten Griechen
schildert einen Helden, Namens Achilles, welchen seine Mutter in den Styr
getaucht hatte und welcher dadurch am ganzen Körper unverwundbar geworden,
mit Ausnahme der Stelle, an welcher seine Mutter ihn festgehalten und welche
von dem Wasser nicht berührt worden. Diese verwundbare Stelle war die Ferse.
Es gibt Menschen, welche zu großen Opfern fähig und bereit sind, deren
Tugend nur eine Achillesferse hat. Man könnte die Eifersucht die
Achillesferse der Guten nennen. Wenige wird man finden, die davon frei sind. Merkwürdig! Seelen, die alles und sich selbst geopfert haben, sollten das Gebäude ihrer Tugend nicht krönen wollen, indem sie die kleinliche und engherzige Eifersucht bekämpfen? Das Aufgeben dieser Schwäche würde die Seele groß und vollkommen machen, während ihr Vorhandensein die Tugend herabdrückt, ihr den Zauber himmlischer Schönheit raubt, ja ihre Existenz gefährdet und die Seele aus einem Werkzeuge Gottes zu einem Spielball des Teufels, zu einem Anwalt desselben zu machen droht. In der Tat! Was sonst dem Teufel nicht zu zerstören und zu hintertreiben gelingt, Werke, welche die Kinder Gottes aufgeführt oder aufzuführen im Begriffe stehen, das erreicht er durch die Eifersucht, die er in die Herzen sät und durch welche er sie gegenseitig entzweit. Wohl will mancher Eifersüchtige Gutes schaffen, aber er legt die andern lahm; er will die eigenen Interessen vor die Interessen Gottes setzen. Vereinigt sich beides, die Ehre Gottes und der Ruhm, das Ansehen des Eifersüchtigen gut dann arbeitet derselbe für Gott, wenn aber die eigene Herrlichkeit ein wenig beeinträchtigt wird durch die Arbeit eines anderen, dann muss Gottes Ehre zurücktreten, damit das teure eigene "Ich" nicht in Schatten gestellt werde. Wer fühlt nicht, dass es leider also ist, dass diese böse Natter an sonst edlen und guten Seelen, an Seelen, welche großmütige Opfer zu bringen wissen, nagt. Sie weicht nicht zurück vor der Stola und dem Gewande des Priesters, vor der Mitra der Bischöfe, vor dem Purpur der Kardinäle, vor der Felsenhöhle der Anachoreten, vor den Pforten der Klöster, selbst in das Heiligtum wagt sie sich hinein. Der Eifersüchtige überladet sich oft mit Arbeit, nur um seinen Ruhm nicht mit andern teilen zu müssen, oder um nicht überflügelt zu werden. Und doch wäre das Feld der Tätigkeit für alle Guten groß genug. Eifersucht verhindert nicht selten ausgiebige Pflege der Seelen; sie lässt dieselben lieber darben, selbst verkommen, als dass sie ihre eigenen Interessen den Interessen Gottes hintenansetzen würde. Das tägliche Leben und die Geschichte des Reiches Gottes zeigen uns in traurigen Bildern das Verheerende der Eifersucht. Eifersucht war der Anfang des Werkes Satans auf Erden, Eifersucht ist sein Schlussstein. Aus Eifersucht verführte er den Menschen und verleitete ihn zur Eifersucht, er war so frech, die Geschöpfe eifersüchtig auf die Größe und Schönheit Gottes zu machen, so dass sie Ihm gleich sein wollten. Das war der Anfang alles menschlichen Elendes und aller Teufelsarbeit auf Erden: Eifersucht. Sie vollendet dieselbe auch: sie ist des Teufels erste, feinste und letzte List. Wenn Seelen großmütig Gott lieben, opferfreudig für Ihn und sein Reich leben und arbeiten, wenn sie zu leiden und zu darben wissen, wenn Gebet und Arbeit ihr Leben ausfüllen, so haftet ihnen vielfach noch eine verhängnisvolle Schwäche an, noch an einer Stelle sind sie sterblich, und diese reicht hin und wird vom Fürsten der Finsternis benützt, um die Seele zu verderben oder doch zu verkümmern; sie reicht hin, diese Schwäche, um all' das Gute zu zerstören, das die Seele je getan, um allen Segen und guten Einfluss ihrer besten Taten aufzuheben. Wenn der Teufel einen frommen und gottesfürchtigen, eifrigen Menschen zur Eifersucht gebracht hat, dann kann er eigentlich ausruhen; der arme Mensch selbst besorgt dann prompt und pünktlich Satans Geschäfte, ohne es sich selbst einzugestehen. Er zerstört seine eigenen und die Werke anderer in blindem Eifer für seinen Ruhm und im Wahne, denselben vor der Gefahr der Schmälerung zu bewahren. Wie mögen die Geister der Hölle hohnlachend zuschauen, wenn sie sehen, wie die Jünger des Kreuzes auf seine List eingehen und selbst eifrig dem Siege des Kreuzes Bollwerke schaffen, wenn sie selber die Saaten zerstören für die himmlischen Scheuern. Der Eifersucht sind die Arbeiten, Leistungen, guten Werke und namentlich die Erfolge des Nächsten, wenn sie ihre eigenen Werke, ihr Können und ihren Eifer übersteigen, ein Dorn im Auge, ein Stachel in der Seele. Der Eifersüchtige sieht in seiner Blindheit gar nicht, wie er sich selber Blößen gibt durch seine Eifersucht und welches Armutszeugnis er sich selber ausstellt. Ein Maulwurf hört in seinem Loch Vielleicht ernten andere den Dank und alles irdisch Annehmliche von deinen Mühen sei darum nicht verstimmt und traurig; Gott will, dass du Ihm zeigst, dass du für Ihn gearbeitet hast. Er hat einen fröhlichen Geber lieb. Er kennt dein Herz, Er wird ihm geben, was es bedarf, an himmlischem und selbst an menschlichem und irdischem Troste. Begnüge dich mit dem Anteil, den Er für gut für dich hält, empfange mit kindlichem Dank alles menschliche Wohlwollen, Anerkennung und Dank, und wolle nicht mehr als das Maß, das Gott dir zuteilt. Und wenn Er an irdischem Trost dir gar nichts zumisst, wenn du nur Verkennung und Undank erntest, was tut's! Bald ist die Zeit zu Ende, und die Ewigkeit wird alles ausgleichen. Lob und Anerkennung der Menschen können uns nicht erhöhen, und es kann uns nicht erniedrigen, wenn man uns nicht beachtet und nicht anerkennt; Verkennung und Undank beeinflussen ja nicht das Urteil Gottes. Wie sehr nun auch die Erfolge eines Menschen die Eifersucht wecken, so lässt sich doch nicht leugnen, dass auch wieder die Erfolge es sind, welche man schätzt und auf den Leuchter stellt, mag auch die Absicht nicht edel und rein gewesen sein, während die edelste Absicht, wenn sie keine Erfolge gewonnen, unbeachtet bleibt oder gar verurteilt wird. Nun meint vielleicht jemand: "Ich will gerne auf jede Anerkennung, jeden Dank verzichten, wenn nur meine Mühen Erfolge erzielen, wenn ich nur für den lieben Gott etwas tun kann. Aber während anderen alles wohlgelingt, mühe ich mich vergebens ab; meine Arbeit ist ohne Frucht." Guter Freund, der du also dich beklagest, erlaube mir eine Frage: Hast du auch für deine Arbeit um den Segen Gottes gebetet? Denn das Gebet ist eine notwendige Bedingung, wenn wir Erfolg erhalten wollen. Vielleicht bekomme ich die Antwort! "Ja, ich habe viel und innig gebetet, während ich andere kenne, die wenig, gewiss viel weniger um Gottes Segen für ihre Arbeit gebetet haben, vielleicht weil sie etwas zu sehr auf ihre Arbeit bauten; und merkwürdig, sie wurden mit Erfolg beschenkt." Nun, mein Freund, dann sage ich dir: erstens, du bist erhört worden; zweitens, was du merkwürdig findest, ist gar nicht merkwürdig. Ja, wie so denn das? Nun, ganz einfach; Du lebst doch in der Gemeinschaft der Heiligen, der Kinder Gottes. In dieser Gemeinschaft lebt einer vom andern und alle von einem jeden. Wenn es nun Gott gefällt, die Mühen und Gebete des einen in Segen und Gedeihen zu verwandeln für die Arbeiten anderer, statt für den Beter selbst, kann dieser dann sagen, er sei nicht erhört worden? Und wenn er wirklich Gott liebt, darf und kann er dann mit Recht sich beklagen? Darf er sagen, er habe keine Erfolge? Siehe, die Erfolge der anderen sind deine Erfolge! Diese anderen, denen deine Opfer und Gebete den Tau des Himmels vermittelt haben, mögen von den Eifersüchtigen im eigenen Lager bekrittelt, von den Gegnern gehasst werden; aber sie werden auch einige Anerkennung und Ehre finden. Dir wird zwar vielleicht nicht dieselbe Ehre zu teil, aber es bleiben dir auch die giftigen Stacheln der Eifersucht und des Hasses erspart. Irdisch und menschlich gesprochen wiegt der Gewinn den Verlust reichlich auf. Und wenn wir die Sache vom übernatürlichen Standpunkte betrachten, so ist gar nicht abzusehen, gar nicht zu ermessen, wie groß der Lohn dessen einst sein wird, welcher seine Erfolge anderen abtreten musste, oder vielmehr, dessen Erfolge die Erfolge anderer sind. Er hat nichts voraus empfangen. Die Freude am Erfolge der eigenen Arbeit hat er daran geben müssen, und das war für ihn kein kleines Opfer. Eitelkeit und Ruhmsucht und Selbstgefälligkeit konnten aber auch an seiner Tugend sich nicht schädigend ansetzen. Und bei alldem war er zufrieden und auf Gott vertrauend. Wie herrlich, mit welchen Strömen von Gottesliebe wird drüben die ruhmlose Arbeit eines armen Menschenkindes gelohnt werden! Zuweilen wird sie auch auf dieser Erde gefeiert; der liebe Gott will dann offenbar ein Beispiel zur Erbauung derjenigen hinstellen, welche ebenfalls ihre Erfolge anderen abtreten mussten, sei es, dass erst die Nachfolger die Früchte ernten, sei es, dass der Segen unmittelbar dem Wirken anderer verliehen wurde. Der liebe Gott will damit aber auch diejenigen heilsam beschämen, welche ihre Arbeit gekrönt sehen, indem sie erkennen, wie sehr sie ihren Segen dem Gebet und dem Opfer anderer verdanken. Wie weise handelt doch Gott, und wie unschwer vermögen wir diese Weisheit zu erkennen, wenn wir nur ein wenig Sein Walten betrachten und erwägen! Wenn Er nur ein wenig den Schleier uns lüften lässt, wenn nur ein Strahl Seiner verborgenen Weisheit herausfällt, so reicht es hin, um mit unserem Verstande und Herzen zu sagen: Groß und unendlich weise sind Deine Wege, o Gott, auch wenn sie den Menschenkindern dunkel erscheinen. Auf einer Insel des großen Ozeans steht auf hohem Gebirge, an dessen Fuß die Meereswogen schlagen, ein Kirchlein. Es ist ein Wallfahrtskirchlein, wohl behütet und gepflegt von den Eingeborenen. Mancher Missionar, der Länder und Meere durchstreift, um in der weiten Inselwelt des großen Ozeans den verlassensten Kindern Adams endlich die Botschaft der Erlösung zu bringen, hat dort gekniet und hat über den Gebeinen dessen, den man hier zur Ruhe bestattet, das hl. Messopfer dargebracht. Sonst aber sind's nur die Eingeborenen, welche den Heiligen besuchen, der hier für sie starb. Eines Tages brachte ein Schiff mehrere Missionare in diese verlassenen Gegenden. Sie verteilten sich auf verschiedene Inseln und ließen sich getrost mitten unter den Menschenfressern nieder, deren Sprache sie erst erlernen mussten. Die kühnen Hoffnungen der Missionare hatten Erfolg, reichlichen und raschen Erfolg. Nur einer hatte keinen Erfolg. Es war P. Chanel. Und doch war dieser Missionar ein großer Heiliger; seine Selbstentäußerung war im höchsten Grade heroisch. Eines Tages fällt sein Haupt für seinen Heiland und sein Blut tränkt die Erde Futunas, der Insel, deren Bewohner er retten gewollt. Aber kaum ist die Tat geschehen, kaum kommen die Missionare von anderen Inseln, um die Leiche ihres Bruders zu holen, als eine furchtbare Zerknirschung und Erschütterung alle Eingeborenen Futunas ergreift. Die Wilden fühlen, sie haben ihren besten Freund getötet! Und nun wollen sie den Gott kennen lernen, den er geliebt und zu dem er sie führen wollte. Er muss ja der wahre Gott sein, sonst konnte sein Diener nicht so viel Güte und Liebe in sich vereinen! Und ganz Futuna bekehrt sich. Hat nun der selige Chanel umsonst gearbeitet? Nein! Er hat zunächst für seine Mitbrüder gearbeitet, seine fruchtlose Arbeit wurde an deren Wirken gesegnet. Scheinbar war auch sein Streben fruchtlos, aber nur einen Augenblick, dann zeigt sich die Frucht, diesmal auch für seine eigene Arbeit. Und nun, da wir an ihm einen Seligen verehren, den die hl. Kirche schon auf den Leuchter gestellt, ist ihm auch Ruhm auf dieser Erde zu teil geworden. Ihm, dem Seligen, liegt daran freilich nichts, aber es ist nötig gewesen, als ein Beispiel zur Erbauung für die einen und zur heilsamen Beschämung für andere. "Ich bin krank, arm, elend", sagt der eine, "ich bin anderen eine Last, ich muss mein Talent begraben, ich kann nichts für den lieben Gott tun. Ich bin selbst zu schwach, um gut und lange zu beten." Als ob das dem Wert des Opfers Eintrag tun könnte! Dein Opfer, mein Freund, besteht ja nicht allein im Leiden, sondern auch und ganz besonders in dem Verzicht auf das Wirken und teilweise selbst auf das Beten. Dieses Opfer bringe Gott, und die Erfolge werden nicht ausbleiben. Du wirst ja wohl von wenigen Erfolgen im Leben Kenntnis erlangen; denn wenn du sie erlangtest, wäre es mit dem Opfer vorbei. Aber wenn du deine Erfolge sehen könntest! O, dann würdest du vielleicht schauen, wie große Bekehrungen stattfinden, wie ganze Gemeinden sich aus der Lauheit zur Gottesliebe erheben, wie wunderbar die Samenkörner der christlichen Lehre in den Herzen der Jugend gedeihen, wie die Sterbenden im letzten Moment dem Satan noch entrissen werden, wie zerrissene Familienbande wieder friedlich geknüpft werden, ja du könntest dann vielleicht sehen, wie die Missionare in fernen Ländern die größten Schwierigkeiten überwinden und Scharen wilder Wölfe zu Lämmern der Herde Christi umwandeln. Und das alles ist der Segen deines Opfers, oder du hast doch deinen großen und wesentlichen Anteil daran! Und du könntest klagen und trauern? O, freue dich, du hast nicht umsonst gelebt, du hast redlich das Deine getan! So ist es im Reiche Gottes: "Der eine säet, der andere erntet." Und das ist unendlich weise vom lieben Gott. Er erhält alle, so viel an Ihm ist, in der Demut; derjenige, welcher Erfolge gewinnt, muss sich sagen, er mag sie ganz sicher auf die verborgenen Verdienste anderer hin erhalten, und der, welcher keine Erfolge hat, ist in seinem verborgenen Wirken, Opfern oder Leiden geschützt vor menschlicher Eitelkeit und Selbstgefälligkeit. Sind wir bei alledem noch hochmütig und eingebildet, dann ist dies gewiss unsere ganz eigenste Schuld. Beide: derjenige, welcher selbst mit Erfolg für Gottes Reich arbeitet, wie derjenige, welcher seine Erfolge anderen abtritt, brauchen ein Etwas, um ihre Tugend zu krönen, um wahrhaft Gott zu gefallen, um sich vor der verderblichen todbringenden Eifersucht, auf deren giftigen Schlangenkopf großmütige, edle Seelen stets kühn und vernichtend ihren Fuß setzen sollten. Ein Etwas brauchen sie, um die Eifersucht zu töten, welche blind macht und oft sonst edle und treue, Gott liebende Seelen, ohne dass sie es sich gestehen, prompt und pünktlich die Werke Satans besorgen lässt, wie wir schon sagten, so dass sie den Siegeszug des Kreuzes und Ströme von göttlichen Gnaden und Segnungen aufhalten und hindern. Sie brauchen noch Eins und sie sind vollkommen, und dieses Eine ist gar nichts Schweres, es braucht keine Leiden, es ist so gar einfach, so einfältig fast, und doch wäre selbst ein Leben nach den Räten der Vollkommenheit leer und arm ohne diesen einfachen und doch so köstlichen, ja köstlichsten Schmuck. Dieses Eine, in dem so unendlich viel und die Erfüllung des ganzen Gesetzes liegt, dieses Eine, das man nicht besitzen kann, ohne auch sonst eifrig nach der Erfüllung des göttlichen Willens zu streben das ist das Folgende: Lieber katholischer Christ, lieber Bruder, liebe Schwester in der weiten großen Gemeinschaft der Heiligen, in unserer teuren hl. Kirche, freue dich über alles, wodurch Gott geliebt und geehrt wird, über alles, wodurch Seelen gerettet und geheiligt werden. Freue dich neidlos, kindlich, ohne Eifersucht, dass dein Herr und Gott sich freut an der Liebe Seiner Kinder, freue dich, dass sie sich freuen im Besitze ihres Gottes. Ja, freue dich neidlos. Bete und wünsche, dass alle, alle Gott lieben und Ihm dienen und in den Himmel kommen. Suche dahin zu kommen, dass du dich ebenso freust, wenn die Arbeiten anderer, als wenn die deinigen, mit Erfolg gekrönt werden. Wenn nur Gott geliebt und gedient wird! Was liegt daran, ob wir es sind, oder andere, welche das Gute veranlasst haben! Wenn wir nur selbst Gutes bewirken wollen, und uns nicht freuen über die Erfolge anderer, über die Errungenschaften des Reiches Gottes, an welchem Ende der Erde auch immer es sei, dann lieben wir mehr uns als Gott; unsere Frömmigkeit ist krank. Gott müssen wir über alles lieben, und Ihn um seiner selbst willen. Er ist die Güte, Liebe, Heiligkeit selbst und hat uns so geliebt, dass Er seinen eingeborenen Sohn für uns dahingab. Es muss gelingen, Ihn mit etwas Großmut zu lieben, es ist ja leicht, und nur unsere große Armseligkeit macht uns Schwierigkeiten. Aber es muss gelingen, arbeiten wir daran, und sollte diese Arbeit und das Auflehnen der widerspenstigen Natur bis zum Tode dauern. Wie? Jünger Christi wollen sich nicht neidlos freuen, wenn durch wen immer das Kreuz Siege feiert? Wenn wir alles für Gott tun möchten und doch nichts Rechtes und Großes gelingen will, dann ist doch die neidlose Freude über alles, was zur Ehre Gottes und zur Förderung seines Reiches von anderen geschieht, etwas wirklich Großes vor Gott und auch vor jedem verständigen Menschen. Ein so wahrhaft Gott liebender, für Gott nach Kräften tätiger oder, durch die Umstände gezwungen, scheinbar untätiger Mensch ist wahrhaft vollkommen. Er zieht den Segen Gottes auf diese arme Erde herab durch die Schönheit seiner Tugend und erbaut seine Mitmenschen. Er gibt Zeugnis, dass man groß sein kann, wenn man auch sehr klein ist, indem man ebenso zufrieden ist mit seiner Kleinheit, wie mit der Größe der anderen und nur eins in allem sucht: die Größe Gottes anerkannt und geliebt zu sehen. Der große heilige Apostel Paulus konnte in seinem Wirken für Gottes Reich auch der Eifersucht der Menschen nicht entgehen. Und was antwortete er denen, welche sich darüber ärgerten, dass einige bei ihren Predigten und Arbeiten kein anders Bestreben hatten, als den Ruhm und das Andenken an den fernen heiligen Apostel zu ersticken und sich selbst zu Ehren zu bringen? Wohl tut es ihm leid um diese Seelen, die mit der Eifersucht sich selbst schaden; aber völlig gleichmütig zeigt er sich darüber, dass man ihn in Schatten zu stellen sucht, und darum schreibt er seinen Getreuen also: "Was ist's denn? Wenn nur auf jede Weise, sei es zum Vorwande, sei es in Wahrheit, Christus verkündigt wird, da freue ich mich darüber, und werde mich auch ferner darüber freuen." Phil. 1. 17. Ja, wenn nur Christus gepredigt wird, wenn nur Gott geliebt und gedient wird, durch wen auch immer, das sei unsere Freude, dies ist für Gott ein Zeichen unserer Gottesliebe, dies ein Beispiel der Erbauung, der Schluss des Tugendzeugnisses für die Wahrheit, welches wir der Welt schuldig sind. Der Zug der Kreuzesjünger würde ein Siegeszug sein, wenn diese neidlose Liebe Gemeingut wäre, und staunend würde die Welt ausrufen: Sehet, wie sie ihren Jesus und wie sie einander lieben!"
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