Gottvertrauen über alles


1) Im Monat September finden sich im Brevier, dem verpflichtenden Gebet des katholischen Klerus, in der ersten Nocturn der Matutin die Lesungen aus dem Buch Job wieder. So wird man als Priester jedes Jahr von neuem an die Lebensgeschichte dieses Gerechten des Alten Bundes erinnert, was er unter Mobilisierung aller seiner Kräfte Besonderes geleistet, wodurch er sich in hervorragender Weise ausgezeichnet hatte, weshalb er für uns ein Vorbild sein kann.

Job, aus dem „Lande Hus“, also kein Israelit (!), war „ein untadeliger und rechtschaffener Mann“, er „fürchtete Gott und hielt sich vom Bösen fern. Er hatte sieben Söhne und drei Töchter. Sein Besitz betrug siebentausend Schafe, dreitausend Kamele, fünfhundert Joch Rinder, fünfhundert Eselinnen; dazu sehr viel Gesinde. Er war reicher als alle Söhne des Ostens“ (Job 1,1-3).

Nun wird berichtet, dass die Frömmigkeit dieses Mannes Gott sehr wohl Freude bereitete, und dass der Satan „dem Herrn erwiderte: ´Ist etwa Job umsonst so gottesfürchtig? Umhegst Du nicht ihn und sein Haus und alles, was ihm gehört? Seiner Hände Wirken segnest Du, und sein Besitz dehnt sich immer weiter im Lande aus. Doch strecke nur einmal Deine Hand aus und taste seine Habe an, ob er sich nicht offen wider Dich auflehnt!´“ (1,9-11).

Und Gott ließ zu, dass Job zunächst seine ganzen Herden und die Dienerschaft verlor. Aber es kam noch dicker: Ein Sturmwind brachte das Haus zum Einsturz, in welchem sich bei einem Fest alle Kinder des Job befanden, so dass sie alle zehn umkamen. Man kann sich also entfernt vorstellen, was im Inneren dieses Mannes vor sich ging, welche harte Prüfung er bestehen und welches großes Leid er bewältigen musste! Es gibt für die Eltern mitunter kaum etwas schlimmeres, als wenn sie den Tod ihrer Kinder beklagen müssen.

„Da stand Job auf, zerriss sein Gewand und schor sich das Haupt“, was als ein Zeichen der Trauer und des Leids verstanden werden kann. „Dann warf er sich nieder zur Erde, beugte sich tief und betete: ´Nackt bin ich kommen aus meiner Mutter Schoß. Nackt kehre ich wieder zurück. Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen: gepriesen sei der Name des Herrn!´ Bei alledem sündigte Job nicht und führte keine ungebührlichen Reden wider Gott“ (1,20-22). Es ist für uns, schwache, sündige und unbeständige Menschen, fast unvorstellbar, welchen festen und unerschütterlichen Glauben dieser Job besitzen und von welchem tiefen Gottvertrauen er beseelt sein musste, dass er in diesem Moment der wohl härtesten Prüfung seines ganzen Lebens nicht seine Glaubensfestigkeit verlor und dem Herrgott Vorwürfe entgegen schleuderte, nicht an Gott zweifelte und schließlich ganz verzweifelte!

Selbstverständlich, dass sich auch der Herrgott darüber sozusagen hoch erfreut zeigte, dass „er noch immer gefestigt ist in seiner Frömmigkeit“ (2,3). Aber wieder kam der Einwand des Satans: „Haut um Haut: alles, was der Mensch besitzt, gibt er für sein Leben dahin. Doch strecke nur einmal Deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an, ob er sich nicht offen wider Dich auflehnt!“ (2,4f.) Und Gott ließ zu, dass Job „mit bösem Geschwür von der Fußsohle bis zum Scheitel“ geschlagen wurde. Das schreckliche Ausmaß dieser fürchterlichen Krankheit deutet der Hinweis der Heiligen Schrift an, dass Job nämlich „eine Scherbe nahm, sich zu schaben; dabei saß er auf einem Müllhaufen“ (2,7f.) Man führe sich dieses Bild des Elends lebendig vor Augen - wie ein Häufchen Elend muss Job da gesessen sein!


2) Aber damit war die Prüfung für Job noch immer nicht vorbei. Nun kam seine eigene Frau und „hielt ihm vor: ´Hältst du noch immer an deiner Frömmigkeit fest? Sag dich los von Gott und stirb´!“ (2,9) Um diesen Einwand, der für Job wie eine gewaltige Versuchung vorgekommen sein muss, besser zu verstehen, wollen wir uns eine bestimmte Vorstellung vergegenwärtigen, die zur damaligen Zeit, ja weitestgehend im gesamten Alten Testament, weit verbreitet war.

Danach galt das persönliche Wohlergehen, der Wohlstand, der Reichtum usw. als ein besonderes Zeichen des Segens Gottes. Der „Gerechte“, so meinte man, würde eben mit allen diesen Gaben von Gott belohnt werden für seine „Gerechtigkeit“. So gibt es zum Beispiel in den Psalmen einige Stellen, die diese (natürlich unvollkommene) Schlussfolgerung zulassen. Im Umkehrschluss hieß es dann, wer also gesund, wohlhabend und reich war, der durfte davon ausgehen, dass er auch besonders fromm und gottesfürchtig war.

Eine schwere Krankheit oder ein sonstiges Elend, die Armut oder eine sonstige Bedürftigkeit wurden dagegen durchwegs als ein Zeichen der Verworfenseins durch Gott gewertet. Wer also nicht sozusagen auf der Sonnenseite des Lebens stand, der musste also nicht unbeträchtlich gegen Gott verstoßen, ernsthaft gegen Ihn gesündigt haben. Kommt ja diese Vorstellung ganz deutlich zum Beispiel auch in der Frage zum Vorschein, die Jesus noch seitens Seiner Jünger im Hinblick auf einen Mann gestellt wurde, „der von Geburt an blind war...: ´Meister, wer hat gesündigt, der oder seine Eltern, so dass er blind geboren wurde?´“ (Joh 9,1f.)

Somit wollte Jobs Ehefrau mit ihrem Einwand ihm offensichtlich nahelegen, dass es wohl nicht weit her gewesen sein musste mit seiner Frömmigkeit, dass diese wohl nur eine Fassade wäre, dass Job sich wohl doch schwer gegen Gott versündigt habe. Denn sonst wäre es in ihren Augen nicht zu erklären, wie es dazu kommen konnte, dass ihr Ehemann von Gott so hart geschlagen, ja ihrer Meinung nach bestraft wurde. Daher würde, da er ja sowieso ein von Gott Verstoßener sei, weiteres Festhalten an Gott nichts bringen, weiteres Beten nichts fruchten. Das einzige, was Job in seiner verzweifelten und aussichtlosen Situation ihres Erachtens noch tun könnte, wäre, sich von Gott lossagen, verzweifeln und dann eben sterben. Dies würde ja keine neue Situation schaffen, sei er ja bereits an Gott gescheitert, habe sich ja seine, ihrer Meinung nach angebliche Frömmigkeit als vergeblich erwiesen.

3) Doch die Antwort Jobs nötigt uns eine aufrichtige Bewunderung für seine Glaubensstärke, für die Intensität seiner Gottesbeziehung ab: „´Wie eine Närrin schwatzt, so schwatzt du daher! Nahmen wir an das Gute von Gott, warum nicht nun auch das Böse?´ Bei alledem sündigte Job nicht mit seinen Lippen“ (2,10)! Für Job war es somit völlig ausgeschlossen, dass Gott mutwillig entweder das zeitliche oder das ewige Verderben eines Menschen wollte, dass Er etwa willkürlich oder böswillig seine etwaigen Launen am Menschen austoben könnte. Für ihn kam es überhaupt nicht in Betracht anzunehmen oder zu befürchten, Gott würde etwa aus purer Lust strafen und sich dann daran auch noch ergötzen.

Nein, wenn Gott für ihn etwas zugelassen haben sollte, was wir, die Menschen, allgemein als etwas Unangenehmes, Negatives, ja höchst Belastendes betrachten und empfinden, ja darunter bisweilen sogar massiv leiden, dann habe dies doch in jedem Fall einen Sinn gehabt, auch wenn er, Job, selbst diesen zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht ausmachen und in die Pläne und Absichten Gottes nicht hineinschauen konnte. Was Gott zulasse und schicke, entstamme immer der gütigen Hand Gottes und gereiche uns letztendlich zum Besten, auch wenn es uns, den Menschen, oft große Schwierigkeiten bereitet, dies so zu sehen und zu verstehen.

Welch` ein abgrundtiefes Gottvertrauen legte Job hier an den Tag, wie stark muss sein Glaube an Gott und wie unerschütterlich sein Festhalten an der Vorsehung Gottes gewesen sein! Und zwar dies alles, obwohl er kein Israelit war und somit weder die Väter und die Propheten besessen hatte noch sich in den Heiligen Schriften auskannte! Man beachte, dass sich dies alles Jahrhunderte vor dem Kommen des Gottessohnes und Gottmenschen Jesus Christus ereignete, als Er nämlich der Welt offenbarte, dass auch und gerade das geduldige und gottergebene Leiden eines Unschuldigen, eines Gerechten in den Augen Gottes einen besonderen Wert hat und eine herausragende Wirkkraft besitzt, als Er nämlich selbst als das unschuldige „Lamm Gottes“ (Joh 1,29) die ganze Sündenschuld der Menschheit freiwillig auf Seine eigenen Schultern lud und durch Sein schmerzhaftes Kreuz und die stellvertretenden Sühneleiden für die ganze Welt das Heil wirkte!

4) Wohl auch ein jeder von uns hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie sein Leben aussehen sollte, was er vom Leben (noch) so alles erwartet - wir schmieden sehr wohl Pläne für die Zukunft. Und nicht immer geht alles in Erfüllung, bisweilen macht uns die Realität teilweise sogar einen gewaltigen Strich durch unsere eigene Rechnung! Dies können sowohl eine ernsthafte Erkrankung oder eine schwere Enttäuschung oder auch ein bedeutungsvoller Verlust oder substanzielle Nöte sein.

Wollen auch wir versuchen, Gott diesbezüglich keine Vorwürfe zu machen, uns nicht gegen Seine Vorsehung zu erheben, nicht wie auch immer gegen Ihn zu rebellieren. Vielleicht soll dieses unser Lebenskreuz dazu beitragen, dass wir alles, was uns im Hinblick auf Ihn und die Ewigkeit ablenkt und schadet, als ein solches Hindernis erkennen und beiseite schieben und uns umso bewusster auf das Wesentliche und allein Notwendige im Leben konzentrieren (vgl. Lk 10,41f.) Können und dürfen wir Gott einen Vorwurf machen, dass Er uns innerlich umso mehr reinigen und uns dadurch umso intensiver an Seiner Liebe teilnehmen lassen will? Und vielleicht sollen wir durch solche einschneidenden Ereignisse vor noch schlimmeren Irrwegen bewahrt oder überhaupt erst auf den Weg des Heils gebracht werden.

Wollen also auch wir uns in allen Lebenslagen in die Hand Gottes, unseres himmlischen Vaters, legen, uns in Gottvertrauen und in der Hingabe an Seine Vorsehung üben - Er allein weiß nämlich ganz genau, was für uns letztendlich von Nutzen ist: „Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alles zum Besten gereicht“ (Röm 8,28)! Auch wenn wir trotz entsprechender menschlicher Bemühung bei weitem nicht immer und nicht vollständig Seine Pläne sofort entziffern können, üben auch wir uns eine Glaubensfestigkeit an, die uns dann ebenfalls befähigen wird, die Worte des frommen und geduldigen Job lebensmäßig nachzusprechen: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen: gepriesen sei der Name des Herrn!“


P. Eugen Rissling


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