Die Geschichte des Ritus der heiligen Messe
Eines der Ereignisse, an denen in Erscheinung tritt, dass die Amtskirche vom wahren katholischen Glauben abgefallen ist, ist die Tatsache, dass der Ritus der hl. Messe, sowohl der Kanon als auch ein großer Teil der übrigen Gebete, nachhaltig verändert wurde. Gerade gegen diese Manipulierung der hl. Messe richtet sich daher ein entscheidender Teil unserer Kritik an der modernen Kirche. Da die „Reform“ Pauls VI. im Jahre 1969 oft hingestellt wird als bloße Wiederholung einer Reform wie sie in der Geschichte der Kirche am Ritus der hl. Messe z.B. schon von Pius V. vorgenommen wurde, ist es wichtig, dass wir uns klar sind über die wahre Geschichte des Ritus der hl. Messe. Es tritt dann sowohl die Einmaligkeit der „Reformen“ von 1969 als auch die Ursprünglichkeit, Authentizität und Apostolizität des Tridentinischen Ritus, der bis dahin in Gebrauch war, in Erscheinung.
Das Konzil von Trient:
Die Tridentinische Messe geht – wie der Name schon sagt – auf das Konzil von Trient zurück. Allerdings hat das Konzil die Reform der liturgischen Bücher zwar in Angriff genommen, aber nicht selbst durchgeführt. Es hat lediglich entschieden, dass die Reform nicht von den einzelnen Diözesen oder Landeskirchen, sondern von der gesamten römischen Kirche einheitlich durchgeführt werden solle. Es sollte also ein Missale herausgegeben werden, das für das ganze Abendland Gültigkeit besitzt. Aus Zeitmangel war das Konzil aber nicht imstande, dieses große Werk zu vollenden. Es übertrug die Durchführung dem Apostolischen Stuhl, den ab 1566 Pius V. innehatte. So fiel ihm die Aufgabe zu, die Reformvorschläge des Konzils umzusetzen.
Im Mittelalter war es am Ritus der hl. Messe zu Wucherungen gekommen. Die Religiosität der damaligen Zeit hatte ihren Ausdruck in immer weitergreifenden Hinzufügungen zu den Gebeten der hl. Messe gefunden. So erhöhte sich zum Beispiel die Anzahl der im Confiteor angerufenen Heiligen teilweise auf bis zu 54! Auch hatte man versucht, der je etwas anders gelagerten Spiritualität der einzelnen Diözesen gerecht zu werden und jeder Diözese ihren eigenen Ritus zuzuweisen. Diese Auswüchse entsprangen zwar einer intensiven Religiosität und waren wohl auch gutgemeint, gingen aber wenigstens teilweise anscheinend über das gesunde Maß hinaus. Daher war eine Vereinheitlichung und eine „Bereinigung“ des Ritus der hl. Messe notwendig geworden.
Anhand dieses Falles wird übrigens sichtbar, warum eine von der Kirche geregelte, in unserem Fall liturgische Disziplin so wichtig und auch wertvoll ist. Der eine oder andere hat vielleicht selber erfahren, dass man gelegentlich z.B. aufgrund eines guten Buches für einen bestimmten Heiligen, eine bestimmte Eigenschaft Gottes oder dergleichen eine gewisse Vorliebe verspürt. Dieser Vorliebe möchte man dann gerne in bestimmten Gebeten oder Andachten Ausdruck verleihen. Stellen wir uns aber das Chaos vor, das entstünde, wenn der Vorliebe jedes Gläubigen Rechnung getragen würde. Daher ist es gut, dass die Kirche z.B. bestimmte Andachten erlaubt oder empfohlen oder bestimmte Gebete (gerade in der hl. Messe) vorgeschrieben hat, über die hinaus der einzelne Priester keine hinzufügen sollte, und somit Schranken gesetzt hat, die das liturgische Leben einer Gemeinde in den gesunden Grenzen hält.
Darin bestand also das Reformwerk Pius' V., das Römische Missale in seiner alten reinen Form wiederherzustellen. Es handelte sich daher nicht um eine Neuschöpfung Pius' V. „sondern vielmehr (um) eine Herstellung des alten Brauches der römischen Kirche“.
Dieses reformierte Missale wurde allen Einzelkirchen des Abendlandes vorgeschrieben. Offensichtlich waren die Wucherungen ganz besonders in den vorausgegangenen 200 Jahren aufgetreten, denn alle die Orden oder Bistümer, die einen mindestens zweihundert Jahre alten Ritus vorweisen konnten, waren von der Anordnung ausgenommen. Letzteres „traf für die gesamten alten Orden zu und auch für eine Reihe von Bistümern. Doch haben sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte die meisten dieser Bistümer, ebenso wie einzelne Ordensfamilien, freiwillig für die von Rom ergangenen Bücher entschieden. Nur Lyon in Frankreich und Braga in Portugal haben bis heute an ihrer eigenen Überlieferung festgehalten, ebenso wie es heute noch den besonderen Ritus der Kartäuser, der beschuhten Karmeliten, der Dominikaner gibt.“
Nur unter der Voraussetzung, dass Pius V. nichts Eigenes geschaffen, sondern lediglich das Alte in seiner Reinheit wiederhergestellt hat, ist einzusehen, dass er ein Recht hatte, dieses Missale so streng vorzuschreiben, wie er es in seiner Promulgationsbulle Quo primum, die zu Beginn jedes Missale abgedruckt ist, tut. Dort schreibt er:
„Ebenso setzen wir fest und erklären: Kein Vorsteher, Verwalter, Kanoniker, Kaplan oder anderer Weltpriester und kein Mönch gleich welchen Ordens darf angehalten werden, die Messe anders als wie von Uns festgesetzt zu feiern, noch darf er von irgendjemandem gezwungen und veranlasst werden, dieses Missale zu verändern, noch kann das vorliegende Schreiben irgendwann je widerrufen oder modifiziert werden, sondern es bleibt für immer im vollen Umfang rechtskräftig bestehen. (...) Wenn aber jemand sich herausnehmen sollte, dies [die Anordnung Pius' V. - Anm.] anzutasten, so soll er wissen, dass er den Zorn des Allmächtigen Gottes und Seiner Heiligen Apostel Petrus und Paulus auf sich ziehen wird.“
Welche Quellen benutzte Pius V., um an die reine alte Form des Missale heranzukommen? In Quo primum schreibt er:
„Wir hielten es darum für richtig, diese Bürde [der Herausgabe des Missale – Anm.] ausgesuchten Gelehrten zu übertragen. Nach sorgfältiger Untersuchung der alten Bücher Unserer Vatikanischen Bibliothek sowie anderer, von überall herbeigeholter, verbesserter und unverderbter Handschriften, ebenso auch der Überlegungen der Alten und der Schriften anerkannter Autoren (...) stellten diese gelehrten Männer das Missale nach Vorschrift und Ritus der Heiligen Väter wieder her.“
Als noch in Aussicht stand, dass das Konzil von Trient selber das Missale reformieren werde, war der dafür zuständigen Deputation von Rom aus ein Sacramentarium Gregorianum, ein Sakramentar, das auf Gregor d. Gr. (590-604) zurückgeht, geschickt worden (ein Sakramentar ist ein Buch, das für den Priester oder Bischof für seine sakramental-liturgischen Handlungen bestimmt ist). Es ist daher anzunehmen, dass auch Pius V., als er die Reform übernahm und durchführte, dieses Sacramentarium Gregorianum verwendete, insbesondere, da es sich bei diesem Dokument um eine Vatikanische Handschrift handelte.
Das Sacramentarium Gregorianum:
Als Petrus und Paulus mit Hilfe ihrer Jünger in Rom und seinem kirchlichen Einflussbereich Gemeinden gegründet hatten, standen diese untereinander in nur sporadischem Kontakt. Wenn neue Feste in den liturgischen Kalender, soweit er damals existierte, aufgenommen wurden, musste daher der höhere Klerus der einzelnen Gemeinden die Gebetstexte des veränderlichen Teiles der Messe oft erst selbständig „schaffen“. Er orientierte sich dabei an der Tradition, am von den Aposteln überlieferten Glauben. So erklärt sich unter anderem die Verschiedenheit der Gebete des veränderlichen Teiles der Messen für die Feste, die erst in dieser Zeit zu den ursprünglichen Festen Ostern, Weihnachten und Pfingsten hinzugenommen wurden. Diese Gebete wurden dann niedergeschrieben und in libelli („Büchlein“) gesammelt. Eine oberflächlich aneinandergereihte Sammlung solcher libelli ist uns im Sacramentarium Leonianum erhalten (ein Sacramentarium ist ein Buch, das für den Priester oder Bischof für seine sakramental-liturgischen Handlungen bestimmt ist). Die hier gesammelten Formeln spielen zum Teil an Zeitereignisse an und erleichtern so eine zeitliche Zuordnung. So werden die Plünderung Roms 455 oder die Bischofsweihe von Papst Vigilius 537 erwähnt. In ihrer Hauptmasse werden diese Formeln der Zeitspanne 440-550 zugewiesen. „An verschiedenen Stellen hat man die sprachliche Ausdrucksweise Leos d. Gr. [440-461 – Anm.] festgestellt. Nicht wenige Formularien gehen auf Gelasius I. [492-496 – Anm.] zurück. Auch Papst Vigilius [537-555 – Anm.] ist für erhebliche Teile der Sammlung als Verfasser erwiesen worden. Nicht wenige Texte, man zählt 246 Formeln, haben aus dem Leonianum den Weg in unser heutiges Missale gefunden; drei stehen im täglichen Messordo (Aufer a nobis; Deus qui humanae substantiae; Quod ore sumpsimus)“.
Es sei hier noch einmal daran erinnert, dass es sich bei diesen Formularen um die veränderlichen Gebete der hl. Messe handelt. Der unveränderliche Teil, der Kanon, war wohl auf einem besonderen Täfelchen zu finden, sofern er nicht auswendig gesprochen wurde. Letzteres wird etwa an einer Stelle bei Augustinus vorausgesetzt (Contra litt. Petiliani II, 68f, CSEL 52, 58f).
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Brief des Papstes Vigilius an einen Bischof Profuturus von Braga (Portugal). Er beantwortet darin eine Reihe von Anfragen bezüglich der Liturgie. In diesem Zusammenhang betont schon er ausdrücklich die wesentliche Unveränderlichkeit des Messkanons.
Wenn wir auch nicht viel über den Messritus in der Zeit vor Gregor d. Gr. wissen, so gibt es doch bei den Kirchenvätern Stellen, die etwas Licht in das Dunkel bringen. Ambrosius zitiert z.B. in De sacramentis (4,4) einen Text des Mittelteils des Kanons, der als ursprünglich angesehen werden darf. Er bezeugt ferner die Existenz eines Lobgebetes und einer Fürbitte, die wahrscheinlich der Präfation und dem Te igitur entsprechen: laus Deo defertur, oratio petitur pro populo, pro regibus, pro caeteris.
Gregor d. Gr. (590-604) scheint den ersten Versuch unternommen zu haben, die veränderlichen Teile der Messe zu vereinheitlichen und in einem Sakramentar zusammenzustellen. Dieses von Gregor herausgegebene Sakramentar (auch Gregorianum genannt) ist in verschiedenen Handschriften noch erhalten. Zwei davon verdienen besondere Aufmerksamkeit.
Das Hadrianum:
Karl d. Gr. wollte ein einheitliches Reich schaffen. Er sah aber, dass eine feste politisch-gesellschaftliche Einheit ohne Einheit in der Religion nicht gewahrt werden kann. Diese einheitliche Religion sollte ihren Ausdruck finden in einem einheitlichen Ritus. Daher sandte Karl zu Papst Hadrian I. und bat um ein Exemplar des in Rom benutzten Missale. Hadrian ließ ihm ein Sakramentar zukommen, das sich in der Überschrift auswies als „a sancto Gregorio papa Romano editum“ („herausgegeben vom heiligen römischen Papst Gregor“). Da dieses Exemplar von Hadrian übersandt worden war, erhielt es von der Wissenschaft den Namen Hadrianum. Die älteste Kopie dieses Hadrianum datiert vom Jahre 812.
Bevor er das von Rom gesandte Sakramentar in seinem Reich vorschrieb (789), ließ Karl es von dem Angelsachsen Alkuin überarbeiten. Dieser markierte alle Stellen, die nicht original von Gregor gewesen sein konnten: die beiden Marienfeste des 8. September und 15. August, den Gedächtnistag Gregors d. Gr. selbst und gewisse Wochentage der Quadragesima, an denen ursprünglich der Papst statt einer Feier des eucharistischen Geheimnisses sich der Verteilung von Almosen widmete. Die Korrektheit des Urteils Alkuins können wir unter anderem daran erkennen, dass zum Beispiel nach dem Zeugnis des Liber Pontificalis, in dem die Taten der verschiedenen Päpste niedergeschrieben wurden, an den Fastendonnerstagen eine Messe an einer der verschiedenen so genannten Stationskirchen Roms erst durch Gregor II (715-731) eingeführt wurde. Somit konnten die Messformulare für diese Tage nicht von Gregor d.Gr. stammen.
Noch ein anderes interessantes Detail bietet das Hadrianum. Es enthält eine Einleitung „Qualiter missa Romana celebratur“ („Wie die römischen Messe gefeiert wird“). Diese Einleitung stammt zwar sicher nicht von Gregor, zeigt uns aber, aus welchen Teilen die Messe zur Zeit Karls d. Gr. bestand. „Sie bildet einen kleinen, gekürzten Ordo, der jenen, die bisher einen anderen liturgischen Ritus gefeiert hatten, das Wesentliche des römischen Ordinariums klarmachen sollte:
'Zu Beginn steht der Introitus, den Zeiten des Kirchenjahres, den Festen und den Wochentagen entsprechend. Darauf folgt das Kyrie Eleison. Ebenso wird das Gloria in excelsis Deo gebetet (...). Danach die Oratio, worauf das 'Apostolum' folgt [„Apostolum“ hier zu verstehen als Lesung aus den Briefen der Apostel, den Episteln – Anm.]. Ebenso das Graduale oder Alleluia. Danach wird das Evangelium gelesen. Darauf das Offertorium und die 'Oratio super oblata' [Secreta – Anm.]'. Es folgt: der Einleitungsdialog der Präfation, die Praefatio communis, Sanctus, Te igitur und der restliche Kanon; darauf Pater noster, Libera, Pax Domini und Agnus Dei. Letzteres ist das einzige Stück, das auf Papst Sergius und somit auf das Ende des 7. Jhdt. zurückgeht. Die Anordnung geht im allgemeinen auf Gregor zurück, der das Pater noster vor die Brotbrechung stellte. Der Kanon vor allem ist rein gregorianisch.“ Schon zur Zeit Karls d. Gr. also steht die hl. Messe bis auf die Gebete zum Schluss in ihrer heutigen Form da!
Das Paduense:
Aus dem Hadrianum lässt sich der ursprüngliche Zustand des Gregorianums in etwa erschließen. Man hat aber in Padua eine Handschrift entdeckt, die noch vor die Zeit des Hadrianums zu datieren ist und uns daher Einblick gewährt in den Zustand des Gregorianum vor Hadrian. „Um die Mitte des 7. Jhdt. bearbeitete man in Rom selbst das Gregorianum, um es den Bedürfnissen des Gottesdienstes anzupassen. Die zwischen 650 und 683 durchgeführte Revision hat an dem Aufbau des Buches nichts geändert, fügte aber die Messen der gewöhnlichen Sonntage und andere Teile hinzu, z.B. das Commune Sanctorum und sieben Missae cottidianae. (...) Auf das Gebet Super oblata der letzten dieser Messen folgt der gregorianische Kanon mit dem Memento defunctorum, das im päpstlichen Sakramentar fehlte, weil man in Rom der Verstorbenen an Sonntagen und Stationstagen nicht gedachte. Dieses (...) Gregorianische Sakramentar durchwanderte seit dem Ende des 7. Jhdt. das ganze Abendland. Da es hauptsächlich durch eine Handschrift der Bibliothek von Padua bekannt wurde, erhielt es den Namen 'Paduense'“.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie eine Datierung des Paduense vor die Zeit Karls d. Gr. möglich ist. Im Paduense ist z.B. das Fest der Translatio Leonis – also der Erhebung und Wiederbeisetzung der Gebeine Leos d. Gr. - nicht enthalten. Nach dem Zeugnis des Liber Pontificalis wurden die Gebeine Leos aber erst unter dem Pontifikat Sergius I. (687-701) übertragen. Dass dann durch diesen auch sofort die entsprechende alljährliche Gedächtnisfeier geschaffen wurde, liegt auf der Hand. Wenn aber dieses Fest im Paduense nicht enthalten ist, dann kann es nur vor Sergius I. oder spätestens unter seinem Pontifikat noch vor der Eröffnung des Grabes Leos I. entstanden sein. Mit dem Paduense ist uns also ein Sakramentar gegeben, das relativ nah an Gregor d. Gr. heranreicht.
Wie oben schon erwähnt, betreffen die Veränderungen oder Hinzufügungen, die in den Jahrhunderten nach Gregor angestellt wurden, hauptsächlich die veränderlichen Teile der Messe. Betrachten wir den Kanon in beiden genannten Handschriften, dann können wir feststellen, dass er sich nicht wesentlich von dem tridentinischen unterscheidet. Aber auch z.B. die Orationen (Oratio, Secreta, Postcommunio) der damals schon vorhandenen Messen der Sonntage nach Ostern und Pfingsten entsprechen genau dem heutigen Wortlaut. Das zeigt, dass auch die „unwesentlichen“ Teile der Messe mit Ehrfurcht behandelt und nicht willkürlich ersetzt wurden. Dank der kritischen Herausgabe der verschiedenen Sakramentare wurden diese jedermann, der sich von dem Alter und der Würde des römischen Ritus überzeugen will, zugänglich gemacht.
Interessant wäre noch die Frage, wo die ersten Ursprünge der Gebete der Messe liegen. Genauer darauf einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Es sei nur kurz darauf hingewiesen, dass Autoren wie G. Bickell, Fr. James Meagher und J.B. Thibaut zeigen zu können scheinen, dass der Ritus des Paschafestes die Grundlage unserer Messe bildet, was ja auch naheliegt, da das erste Messopfer von Christus im Rahmen des Passahopfers dargebracht wurde – nur jetzt eben mit Christus als Passahlamm. Dr. Ludwig Eisenhofer vertritt die These, dass die Apostel nach ihrer Ausschließung aus der jüdischen Gemeinde die in der Synagoge verwendeten Gebete übernahmen – zumindest soweit sie mit dem Glauben an Christus vereinbar waren. „Der dem eucharistischen Gebete (Präfation) vorangehende Dialog, die Form des Danksagungsgebetes, innerhalb welches die Konsekration vollzogen wird, das Dreimalheilig, die Doppellesung aus der Heiligen Schrift, der liturgische Gruß usw. sind synagogalen Bräuchen entnommen, sie finden sich in allen Liturgien bis herab auf unsere Tage. Sie hätten wohl niemals, besonders nicht in heidenchristliche Gemeinden, Eingang gefunden, wenn ihnen nicht hier die Apostel den Weg gebahnt hätten. Die Überzeugung, dass in der Liturgie auch kostbares apostolisches Gut überliefert ist, war noch im 4. Jhdt. lebendig geblieben. Basilius der Große [um 330-379 – Anm.] (De Spiritu Sancto c.27) hält an dem Grundsatz fest, dass solche liturgischen Gebräuche, die allgemein sind und für die man keinen bestimmten Urheber angeben kann, von den Aposteln herrühren.” (a.a.O., S. 24)
Wenn wir so die Geschichte betrachten, die der Ritus der hl. Messe durchlaufen hat, erkennen wir, wie ursprünglich die Messtexte sind, wie sie uralten Geist atmen. Wir sehen, wie die ganze Entwicklung ein roter Faden durchzieht. Im Vergleich dazu tritt umso deutlicher die traurige Einmaligkeit der Änderungen in Erscheinung, die Paul VI. vorgenommen hat. Wir sehen, wie wenig die Liturgiereform, die dem Vatikanum II folgte, eine „Reform“ im eigentlichen Sinne, im Sinn der katholischen und apostolischen Kirche nämlich, ist, wie wenig sie mit der Reform Pius' V. zu vergleichen ist, der die Messe von Überladung befreite und so die ursprüngliche Form wiederherstellte. Die Reformer von 1969 schufen neue „Hochgebete“, durch die der überlieferte Römische Kanon ersetzt wurde. Sie strichen außerdem zahlreiche Gebete aus den veränderlichen Teilen der Messe und setzten an ihre Stelle Gebete, die Gedanken von Opfer, Hölle etc. als negativ unterdrückten. Somit war die “Reform” von 1969 keine Reform wie sie etwa von Pius V. vorgenommen wurde, sondern ein einmaliger Bruch mit der jahrhundertealten Tradition der katholischen Kirche.
P. Johannes Heyne |