Das große Schisma bahnt sich an...

1054 ereignete sich eine der größten Spaltungen in der Kirche neben der protestantischen Reformation des 16. Jahrhunderts und dem Glaubensabfall der „katholischen Kirche“ im II. Vatikanum von 1962. Die Kirche des östlichen Teiles des einstmals einen römischen Reiches weigerte sich, sich dem Bischof von Rom, dem Papst, zu unterstellen. Schon Petrus nahm unter den übrigen Aposteln eine leitende Rolle ein und so waren auch die Päpste, die ja die Nachfolger Petri sind, die höchste Instanz in der Kirche und standen somit über den Patriarchen der Kirchen der verschiedenen östlichen Riten.
Auf den ersten Blick scheint die Spaltung eine theologische Ursache gehabt zu haben. Wenn wir aber einmal genauer auf die Geschichte der Kirche blicken, dann sehen wir, dass zu einem großen Teil politische Entwicklungen eine Rolle spielten und dass, wie so oft in der Geschichte, auch dieses Ereignis sich nicht von heute auf morgen passierte, sondern Ergebnis einer langen Entwicklung war. Gerade in dem Zeitabschnitt, bei dessen Besprechung wir momentan stehen, ereigneten sich wieder Dinge, die uns diese Tatsachen bewusst machen, da sie so wesentlich zur endgültigen Trennung beitrugen.
Zuletzt haben wir gesehen („Beiträge“ 75), dass die Merowinger sich zum mächtigsten Stamm der Germanen entwickelt und ihr Reich über ganz Frankreich und Südwestdeutschland ausgeweitet hatten. Ein letztes Mal gelang es unter Dagobert I. (629-39), das Reich der Merowinger zu vereinen, aber schon bald zeigte sich, dass die Hausmeier des Reiches die eigentliche Macht in Händen hielten, während die merowingischen Könige nur noch eine politische Figur darstellten.
So stehen wir nun am Beginn des 8. Jahrhunderts und damit am Beginn einer Periode des Frühmittelalters, in der sich - wie gesagt - wieder ein großer, wenn nicht der größte, Schritt auf dem Weg zur Trennung zwischen Ost- und Westrom im Schisma von 1054 vollzog. Der Papst gewinnt immer mehr an politischer Eigenständigkeit gegenüber dem oströmischen Kaiser, unter dessen Oberhoheit er bisher gestanden hatte. Er wendet sich den Germanen, genauer gesagt den Franken, zu und geht damit mit dem Reich ein Bündnis ein, „das alle deutschen Stämme des Festlandes und den größten Teil der romanischen Gebiete umfasste und so dem byzantinischen Kaiserreich und islamitischen Kalifat als dritte Großmacht ebenbürtig gegenübertrat“ (Funk-Bihlmeyer S. 27). Um das Ereignis in seinem Gesamtzusammenhang besser zu verstehen, holen wir ein wenig aus. 568 waren die Langobarden in Italien eingefallen und errichteten in Oberitalien („Lombardei“) ihr Reich. Pavia wurde Hauptstadt. Der langobardische König Liutprand (712 – 744) versuchte, Italien unter sich zu vereinigen, indem er die Herzöge von Spoleto (Mittelitalien) und Benevent (Süditalien) unterwarf. Da seine Absicht dahin ging, ganz Italien zu erobern, griff er auch Rom und das Exarchat Ravenna, die beide noch Teil des oströmischen Reichsgebietes waren, an – Ravenna hieß Exarchat, weil dort der Vertreter des oströmischen Kaisers residierte.
Als sich der Papst (Gregor III., 731-41) derart bedroht sah, wandte er sich hilfesuchend an den Kaiser in Byzanz, in dessen Herrschaftsgebiet ja - wie gesagt - Rom lag. Byzanz aber hatte selber alle Hände voll zu tun, um sich gegen den Ansturm der Araber zu verteidigen (717-718 erlitten die zu Wasser und zu Lande angreifenden Moslems erneut eine vernichtende Niederlage vor Konstantinopel), und konnte daher Rom nicht zu Hilfe eilen. Papst Gregor III. hatte keine andere Möglichkeit, als fremde Hilfe zu suchen.
Es erscheint uns vielleicht etwas ungewöhnlich, den Papst, der doch auf oströmischem Reichsboden lebte und daher dem byzantinischen Kaiser ergeben war, so politisch aktiv zu sehen. Aber das verdeutlicht nur, wie die Päpste seit der Zeit der Völkerwanderung, in der sie sich um die notleidende Bevölkerung angenommen und sie z.T. gegen die germanischen Einfälle geschützt hatten, immer mehr an Einfluss gewonnen hatten. Dazu kam eine immer größere Entfremdung der italienischen Bevölkerung von ihrem Herrn in Byzanz. Man fühlte sich dem Herrscher nicht mehr verbunden, dessen Existenz sich nur durch hohen Steuerdruck und die Korruption seiner Beamten bemerkbar machte, der aber, wie schon erwähnt, nur mangelhaften Schutz gegen die einfallenden Langobarden leisten konnte. So war selbst in den Teilen Italiens, die Ostrom nach dem Langobardeneinfall noch geblieben waren, seine Präsenz eher schwach und die Päpste nahmen immer mehr eine selbständige Stellung gegenüber dem griechischen Kaiser und seinem Stellvertreter in Ravenna ein.
Papst Gregor III. musste also die Initiative ergreifen und sich nach Hilfe umsehen. Diese meinte er im fränkischen Hausmeier Karl Martell finden zu können.
Seit 614 hatten die drei Teile des merowingischen Reiches, Austrien, Neustrien und Burgund eine gewisse Selbständigkeit unter dem jeweiligen sogenannten Hausmeier (Majordomus) erhalten – wenn auch das Reich als ganzes noch von einem merowingischen König regiert wurde. Der Hausmeier stand an der Spitze der königlichen Hofverwaltung, war aber zusätzlich noch Führer der königlichen Gefolgschaft und somit Oberhaupt des gesamten Adels. Nach dem Tod des merowingischen Königs Dagobert I. 639 zerfiel das merowingische Staatswesen zusehends und die Hausmeier nahmen immer mehr an Macht und Einfluss zu. 687 gelang es Pippin II. (dem Mittleren), der Hausmeier von Austrien war, den Hausmeier von Neustrien-Burgund zu besiegen. Wenn auch weiterhin noch ein merowingischer König auf dem Thron saß, so vereinigte doch Pippin nun die Macht in seinen Händen. Nach dem Tod Pippins (714) erkämpfte sich sein unehelicher Sohn Karl Martell (der „Hammer“) die Stellung des Majordomus. 732 gelang es diesem, in der Schlacht zwischen Tours und Poitiers, die Araber, die Europa zu überfluten drohten, zu besiegen. Damit bewies er von neuem, dass die eigentliche Macht in den Händen der Hausmeier lag.
An Karl Martell nun wandte sich Papst Gregor III. 739/40 um Hilfe gegen die Langobarden. Allerdings hatte Karl sich mit den Langobarden verbündet, da er ihre Hilfe gegen die Araber in Südfrankreich brauchte, und konnte aus diesem Grund dem Papst nicht helfen. In dieser Zeit der Bedrängnis starb Gregor III. (741). Ihm folgte Zacharias (741-52). Diesem gelang es, einen zwanzigjährigen Friedensvertrag mit Liutprand auszuhandeln. Hier wird erneut deutlich, dass nicht etwa der Vertreter des byzantinischen Kaisers in Ravenna die Politik des oströmischen Reiches in Italien machte, sondern der Papst, der sich damit als der eigentliche Inhaber der Staatsgewalt erwies (zumindest im römischen Dukat – d.h. in der Stadt Rom und ihrem Gebiet). Unter Zacharias war es auch, dass ein engerer Kontakt zwischen Papst und dem Geschlecht der Karolinger zu entstehen begann, wie wir weiter unten sehen werden. Nach Liutprand erhielt Rachis das Königtum (744). Er trat allerdings schon 749 ins Kloster ein und so gelangte König Aistulf (749-56) an die Macht, der wieder die Eroberungspolitik Liutprands aufnahm. Er eroberte Ravenna und stand bald vor Rom.
Angesichts dieser erneuten Bedrohung nahm der Nachfolger Zacharias', Papst Stephan II. (752-57), seine Zuflucht wieder zum Kaiser in Byzanz. Da dieser auch diesmal nicht reagierte, suchte Stephan in seiner Not aufs Neue Hilfe bei den Franken.
Karl Martell hatte 741 seinen zwei Söhnen Karlmann und Pippin (d. Kleinen) das Reich vermacht. Da Karlmann 747 ins Kloster ging, regierte seither Pippin alleine das Reich. Allerdings saß immer noch ein Merowinger auf dem Königsthron. Pippin ging nun daran, diese Tatsache zu ändern. Aber er fürchtete sich wohl, den geplanten Staatsstreich ohne Rückendeckung durch eine andere Autorität durchzuführen, denn er schickte eine Gesandtschaft nach Rom, um den Rat oder die Zustimmung des Papstes einzuholen. „(D)er Spruch der höchsten moralischen Autorität auf Erden sollte den Mangel an Legitimität ersetzen“ (Funk-Bihlmeyer, Kirchengeschichte, zweiter Teil: Das Mittelalter, Schöninghverlag, 1930, S.25). Papst Zacharias stimmte dem Plan zu und so ließ Pippin sich von den Franken zum König wählen und von einem fränkischen Metropoliten im Auftrag des Papstes salben. Der letzte Merowinger, Childerich III., wurde in einem Kloster interniert (751).
Aus dem gerade Gesagten lässt sich verstehen, warum die Reaktion Pippins auf das Hilfegesuch des Papstes anders ausfiel als die seines Vaters Karl Martell. Er ließ durch eine Gesandtschaft den Papst Stephan II. zu sich geleiten. Wenn auch der Langobarde Aistulf diesem Zug des Papstes ins Reich der Franken mit Unbehagen zusah, so konnte er doch nichts dagegen unternehmen – hätte er doch sonst eine Vergeltung durch die Franken zu fürchten gehabt. Anfang 754 erschien also Stephan vor Pippin, der ihn ehrerbietig empfing. Pippin wurde vom Papst nochmals gesalbt – diesmal mit seinen Söhnen Karl (d. Gr.) und Karlmann. Alle drei erhielten den Namen „Patricius Romanorum“, den bisher nur der Exarch von Ravenna und der Dux von Rom getragen hatten. Bezeichnenderweise, da hiermit wieder einmal deutlich wird, wie das Papsttum sich von Byzanz weg zu den Franken als seinen Schutzherrn wendet und sich somit wieder einen Schritt von Byzanz distanziert und seine eigenen politischen Wege geht. Pippin sagte dem Papst eidlich militärische Hilfe zu. Auch werde er die Gebiete Italiens, die vordem zum byzantinischen Reich gehört hatten, namentlich Ravenna, den Langobarden entreißen und dem Papst „zurückgeben“.
Dieses Versprechen hielt Pippin, als er in zwei Feldzügen (754, 756) Ravenna und die Pentapolis – das Gebiet um Ravenna – den Langobarden entriss und dem Papst schenkte („Pippinische Schenkung“). Die Ansprüche Ostroms auf diese seine ehemaligen Reichsgebiete wurden abgelehnt, was nicht gerade zum freundschaftlichen Verhältnis des Papstes mit dem oströmischen Kaiser beitrug. Kein Wunder, dass die Byzantiner das Bündnis des Papstes mit den Franken als Verrat betrachteten und die neuen territorialen Regelungen nicht anerkannten.
Zusammen mit dem Gebiet um Rom bildete das „Geschenk“ Pippins den Kirchenstaat, der hier seinen Anfang nahm. „Wenn auch seine staatsrechtliche Stellung zunächst noch unklar blieb, so war doch seine völlige Loslösung von der byzantinischen Oberhoheit nur mehr eine Frage der Zeit“ (Funk-Bihlmeyer, S. 26).
Als später Karl d. Gr. das Reich seines Vaters Pippin übernahm, musste die Feindschaft zwischen Ost und West in dem Maße zunehmen, als die Angst und Eifersucht Ostroms vor bzw. gegen den neu aufsteigenden König wuchs. Karl hatte 768 das Erbe seines Vaters angetreten und regierte seit 771, nachdem sein Bruder gestorben war, allein. Er begann sein Reich zu vergrößern (Sachsen, Langobardenreich) und stellte so zunehmend eine Konkurrenz für den byzantinischen Kaiser dar. Als er Weihnachten 800 durch Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt wurde, und noch dazu mit der Formel „Romanum gubernans imperium“ (Herrscher des Römischen Reiches), da muss es die damals regierende Kaiserin Irene, die noch versucht hatte diesen, Schritt zu verhindern, wie einen Schlag ins Gesicht empfunden haben – darüber kann auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass 812 Kaiser Michael I. Karl d. Gr. als Kaiser anerkannte („Papst Leo III. war den Byzantinern der große Verräter an dem einen unteilbaren Kaisertum“ (Joseph Lortz, Geschichte der Kirche, Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, 1950, S. 122)). Da aber die römisch-katholische Kirche und der Papst aufs Engste mit dem westlichen Kaisertum verbunden waren, gewann auch der Papst und die westliche Kirche durch die Kaiserkrönung Karls ungemein an Bedeutung und Einfluss. Noch vor etwa 50 Jahren war der Papst formell ein Untergebener des byzantinischen Kaisers gewesen und Rom auf oströmischem Gebiet gelegen. Jetzt war der Papst und mit ihm die gesamte römische Kirche auch formell den Händen des oströmischen Kaisers entglitten. Wenn man dann noch bedenkt, wie eng im Osten das Kaisertum und das Patriarchat von Konstantinopel verwoben waren - so stark, dass man schon von Cäsaropapismus sprechen muss -, dann wird man sich auch vorstellen können, dass der Patriarch von Konstantinopel mit Neid auf den Papst schaute. Nahm doch die Macht des Papstes gegenüber der Macht des Patriarchen in dem Maß zu, wie die Macht des westlichen Kaisers gegenüber der des oströmischen Kaisers wuchs.
So war also ein Grund für die immer größer werdende Kluft zwischen Papst und Ostrom die ausbleibende militärische Hilfe von Byzanz und die damit verbundene Hinwendung des Papstes an die Franken und der Aufstieg der Letzteren zum Kaisertum.
Eine andere Ursache ist in dem damals wütenden Bilderstreit zu suchen. In der griechischen Kirche war eine Strömung stark geworden, die die Meinung vertrat, die Verehrung von Bildern sei nicht mit dem katholischen Glauben in Einklang zu bringen. Ihre Verfechter gingen in ihrer Wut so weit, dass sie zahlreiche Bilder zerstörten und die Anhänger der überlieferten Bilderverehrung verfolgten. Als Grund für ihre Überzeugung nannten sie, dass die Bilderverehrung dem Bilderverbot des Alten Testamentes widerspreche. Auch der Einfluss des bilderfeindlichen Islam und verschiedener Sekten, die die Verehrung von Bildern verwarfen (z.B. Paulikianer) mag mit eine Rolle gespielt haben. Möglicherweise war der Bildersturm wenigstens zum Teil auch eine Reaktion auf Auswüchse und Missbräuche bei der Bilderverehrung, die in der griechischen Kirche besonders beliebt war und von den Mönchen gefördert wurde.
Wie oben schon angedeutet hatte Byzanz zur Zeit wieder unter einem Ansturm der Araber zu leiden. Die Gebiete vor Byzanz waren erobert, nur die Stadt selber stand als letzte Wehr gegen den Andrang der Feinde. Da erstand der Christenheit ein Retter in Kaiser Leo III. (717-41). Er besiegte die Moslems und beseitigte damit auf lange Zeit die Gefahr einer Überflutung Osteuropas durch den Islam.
Nach diesem Sieg unternahm Kaiser Leo III. auch eine innere Reform seines Reiches. Da er aber ein Bilderstürmer war, bewirkte die von ihm im Rahmen dieser Reform verfolgte Religionspolitik eine erneute Vergrößerung der Kluft zwischen Ost und West.
Außenpolitisch besteht die Möglichkeit, dass er sich von seiner bilderfeindlichen Haltung eine bessere Beziehung zum benachbarten Islam, der ja wie gesagt auch die Bilderverehrung verabscheut, erhoffte.
Innenpolitisch wollte er eine strenge Militärmonarchie errichten und die Kirche seiner Kontrolle unterstellen. Da waren aber vor allem die Mönche seine größten Gegner, die an der unbedingten Freiheit der Kirche festhielten. Da aber die Mönche auch die führende Kraft auf der Seite der Bilderverehrer waren, war der Bilderstreit für den Kaiser ein willkommenes Mittel, gegen seine innenpolitischen Feinde vorzugehen.
Auch im Abendland wollte Leo seine Verordnungen durchgesetzt wissen. Aber Gregor II. reagierte mit strenger Zurückweisung. So wie die Bischöfe sich nicht in die Angelegenheiten des Kaisers einmischen sollten, so dürfe auch der Kaiser nicht in innerkirchliche Angelegenheiten eingreifen. Was bisher an Feindseligkeiten zwischen Papst und Kaiser unterschwellig existiert hatte, brach nun offen aus.
Der Papst hätte sogar die Gelegenheit gehabt, der Ernennung eines anderen Kaisers zuzustimmen, denn der Versuch Leos III., sein Edikt mit Gewalt durchzusetzten, war in Italien auf hellen Aufruhr gestoßen, aber er war klug genug, die Ausführung dieses Ansinnens zu verhindern. Der kleine Teil Italiens, der zum Reich gehörte, wäre zu schwach gewesen, sich gegen die Gefahren, die ringsum drohten, zumal die Bedrohung durch die Langobarden, zu behaupten. Hätten Letztere die Möglichkeit gehabt, sich Italiens zu bemächtigen, so wäre der Papst in politischer Hinsicht zum Status eines langobardischen Bischofs herabgesunken.
Somit hat auch der Bilderstreit, bzw. die in diesem Zusammenhang vom byzantinischen Kaiser verfolgte Politik, seinen nicht unwesentlichen Teil zur immer weiter fortschreitenden Vergrößerung der Distanz zwischen Rom und Byzanz beigetragen.
Gerade in dieser hier behandelten Epoche des 8. Jahrhunderts sehen wir also, dass das große Abendländische Schisma von 1054 nicht nur rein theologischer Natur war, sondern dass es seine Wurzeln in einem immer größer werdenden Auseinanderleben des Ostens und des Westens hatte. Ursachen für dieses Auseinanderleben waren der Bilderstreit, die Hinwendung des Papstes zu den Franken und schließlich die Krönung Karls d. Gr. zum Kaiser.
Lortz hat diese Entwicklung zum Schisma von 1054 sehr präzise in einem Abschnitt zusammengefasst. Er versucht auch noch zu erklären, wie es zu der politischen Trennung kommen konnte. Die Ursache dafür ist nach ihm darin zu finden, dass die zwei ehemaligen Reichsteile eine unterschiedliche Kultur entwickelt hatten, die ein gegenseitiges Verständnis erschwerten oder sogar unmöglich machten.
Abschließend seien seine Worte hier kurz zitiert:
„Die politische Loslösung Roms von Byzanz brachte nur zur äußeren Darstellung, was innerlich längst zur Tatsache geworden war: die innere allgemeine kulturelle Entfremdung der beiden Städte und ihres Einflussgebietes. Beide hatten ihre Eigenart immer weiter ausgebaut. Aus der einen griechisch-römischen Kulturwelt des alten Reiches waren allmählich zwei sich immer weniger verstehende Kulturen geworden. Im Osten verlor sich der römische Charakter, der griechische wurde alleinherrschend und dann durch asiatische Elemente eigenartig gefärbt (=byzantinische Kultur). Hier herrschte die griechische, dort die lateinische Sprache.“
„Diese Kulturzweiheit führte auch zur kirchlichen Trennung. Den ersten Anlass bot der Bilderstreit, sodann die Verbindung des Papsttums mit Pippin, und besonders die Erhebung Karls d. Gr. zum Kaiser (...). Doch kam es damals nicht zu einer dauernden kirchlichen Spaltung. - Die wirkliche Trennung wurde herbeigeführt durch die Eifersucht Konstantinopels und seiner Patriarchen, die den Zuwachs der weltlichen Gewalt des Papsttums nicht verschmerzen konnten. Sie erfolgte ein erstes Mal unter dem gelehrten, aber herrschsüchtigen Photius (857); der endgültige Bruch trat trotz der Bemühungen des großen Papstes Leo IX. (...) unter Michael Caerularius (1054) ein.“ (Lortz, S. 122)

P. Johannes Heyne

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