Die Missionierung der Germanen – die Merowinger

u Es war um das Jahr 375 n. Chr. als germanische Stämme, durch die von Osten drängenden Hunnen aus ihren angestammten Siedlungsgebieten vertrieben, begannen, das heutige Europa zu überfluten und in das damalige weströmische Reich einzudringen. Auch Italien war von diesem Germanensturm nicht verschont geblieben und so kam es, dass 476 Odowakar, ein germanischer Heerführer, den letzten weströmischen Kaiser, Romulus Augustulus, vom Thron verdrängte und so das Ende des Weströmischen Reiches besiegelte.

Bis auf eine Ausnahme, die Franken, hatten alle germanischen Stämme den Arianismus angenommen. Die Goten hatten um 200/300 n. Chr. im Osten gesiedelt und waren daher von der östlichen Kirche missioniert worden. Allerdings war der damalige östliche Kaiser Konstantius arianisch und auch Eusebius von Nikomedien, der Bischof von Konstantinopel, war Arianer. Er war sogar einer der eifrigsten Verfechter des Arianismus auf dem Konzil von Nizäa (325) gewesen. Dieser hatte Wulfila, einen Halbgoten, zum arianischen „Bischof der Christen im Gotenlande" geweiht. Durch Wulfila kam der Arianismus zu den Goten und über die Goten zu den anderen Germanenstämmen. Die Germanen waren sogar dann noch arianisch, als Konstantinopel schon längst wieder zum rechten katholischen Glauben zurückgefunden hatte.

Europa war also in einem desolaten Zustand: das alte Reich zerstört. Neue, relativ unkultivierte Germanenstämme als neue Bewohner, die sich zum Arianismus bekannten und noch dazu keinerlei politische Einheit aufwiesen und auch nicht erstrebten.

Angesichts dieser Tatsachen ist es verständlich, dass die Missionierung der Germanen kein leichtes Unterfangen war. Sie vollzog sich grob gesprochen in folgenden drei Schritten:

Der einzige germanische Stamm, der den Katholizismus annahm, waren die Franken gewesen und zwar unter der Führung des Königs Chlodwig, der aus dem fränkischen Geschlecht der Merowinger war. Sie besiedelten damals nur etwa das Gebiet um die Rheinmündung (um 460), breiteten sich aber bis 537 über ganz Frankreich, die Schweiz und Südwestdeutschland aus und verbreiteten so den Glauben auch in diesen Gebieten.

Die zweite Bewegung war die der Missionierung durch die iroschottischen Wandermönche. Sie begann mit Columban dem Jüngeren (530 – 615), der 590 zum Festland aufbrach, um den Germanen den Glauben zu bringen. Diese Missionsbewegung wurde zwar mit großem Seeleneifer betrieben, aber die Mönche hielten sich nicht an die schon bestehenden kirchlichen Organisationen und missionierten das Land eher unorganisiert. Daher hatte ihre Glaubensverkündigung keinen dauernden Bestand.

Für die Zukunft von bleibender Bedeutung wurde dann die dritte Bewegung, die Mission der angelsächsischen Mönche von England (besonders unter Bonifatius). Sie arbeiteten organisiert mit Rom zusammen, und so konnten Diözesen errichtet und organisiert werden, die noch heute bestehen (Freising, Salzburg, Passau und Augsburg).

Wir konzentrieren uns im folgenden Teil auf die erste Bewegung, die Annahme des Glaubens durch die Franken.

u Die Zentren, von denen das Christentum zunächst ausging bzw. sich erholte, waren die Bischofsstädte des ehemaligen Römischen Reiches. Sie hatten die Eroberung durch die Germanen größtenteils überdauert. Die Germanen waren ein Landvolk und siedelten sich auch dementsprechend in den ländlichen Gebieten an. So kam es, dass die alten Städte wie Inseln dastanden, auf denen sich das Christentum und die römische Kultur inmitten des von den Germanen besetzten Landes erhalten konnten. „Starke Bischofspersönlichkeiten nötigten den Eroberern vielfach Achtung ab und boten der einheimischen Bevölkerung Schutz und Sicherheit. So haben fast alle ca. 125 gallischen Bischofsitze den Germanensturm im 4. und 5. Jh. überstanden" (Franzen, Kleine Kirchengeschichte, Herder 2000, S. 125). Bedeutende Bischöfe der damaligen Zeit waren der hl. Martin von Tours (+ 397) oder Remigius von Reims (+ um 553), der auch, wie wir noch sehen werden, den merowingischen König Chlodwig taufte.

Dieser Unterschied zwischen der romanischen Stadtbevölkerung und den germanischen Landbewohnern hat sich noch eine ganze Weile gehalten. So wird im fränkischen Recht noch im 7. Jahrhundert auf die "cives Romani" (die römischen Bürger – die in den Städten lebten) Rücksicht genommen und werden ihre besonderen Rechte respektiert. Im kirchlichen Bereich hatte dies zur Folge, dass die Bischöfe in Gallien und Germanien bis ins 6. Jahrhundert fast ausschließlich römischer Herkunft waren. Ende des 7. Jahrhunderts erst war die Vermischung zwischen der einheimischen Bevölkerung und ihren Eroberern so weit abgeschlossen, dass die Bischofslisten aus dieser Zeit zum größten Teil nur noch germanische Namen aufweisen.

Ein Wesenszug der Germanen war ihre Unabhängigkeit. Selbst die einzelnen Stämme (Franken, Goten, Sweben etc.) waren nicht eine Einheit. Die Teilstämme eines Stammes bekriegten oder verbündeten sich genauso leicht untereinander wie gegen/mit feindlichen Stämmen. In dieser Zeit nun (482) riss ein fränkischer König, Chlodwig (482-511), der aus dem Geschlecht der Merowinger war, die Herrschaft über alle Teilstämme, die bisher von zahlreichen Gaukönigen regiert worden waren, an sich und vereinte so den Gesamtstamm. Unter diesem ihrem neuen König begannen die Franken, sich über Frankreich, die Schweiz und Südwestdeutschland auszubreiten und die dort ansässigen Germanenstämme zu erobern.

Nachdem Chlodwig 486 das Reich des römischen Fürsten Syagrius, das in Nordwestfrankreich gelegen war und den letzten Rest der römischen Herrschaft bildete, erobert hatte, ereignete sich im Rahmen der weiteren Expansion der Franken etwas, das für die gesamte restliche Geschichte des Abendlandes von größter Bedeutung war.

493 hatte der Gote Theoderich d. Gr. den Germanen Odowakar, der seinerseits 476 den letzten römischen Kaiser verdrängt hatte, ermordet und in Italien das Ostgotenreich errichtet. Nun versuchte er, die verschiedenen Germanenstämme zu vereinen, um einen wirksamen politischen Gegenpol gegen das oströmische Reich zu schaffen. Im Zuge dieser Bündnispolitik bot er auch Chlodwig an, sich mit ihm zu verbünden.

Hätte dieser sich auf das Angebot Theoderichs eingelassen, wäre er zwar in den Kreis der germanischen Großkönige aufgenommen worden, hätte aber u. a. die Vorrangstellung der beiden gotischen Reiche (West- und Ostgoten) anerkennen müssen. Außerdem hätte eine Entscheidung für Theoderich nahegelegt, dass auch er den Arianismus annehmen würde. Chlodwig legte sich zunächst nicht fest: er heiratete Chlothilde, eine katholische Prinzessin aus dem burgundischen Königshaus, und blieb selber Heide.

496 muss er sich dann eindeutig gegen die Goten entschieden haben, denn er zog gegen den Westgoten Alarich in den Krieg.

Auf Wunsch seiner Frau war Chlodwigs erstes Kind katholisch getauft worden. Doch starb es bald nach der Geburt. Dies trug nicht gerade dazu bei, den König vom Glauben seiner Frau zu überzeugen.

Auch das zweite Kind wurde nach der Taufe schwer krank, und es sah so aus, als ob es das gleiche Schicksal wie sein Geschwisterchen erleiden müsse. Aber es genas. Das sprach zwar nicht unbedingt für den Gott der Königin, schwächte aber wenigstens das Zeichen gegen ihn ab.

Da kam es 496 im Zuge des Feldzuges gegen die Westgoten zu einer kriegerischen Begegnung zwischen Franken und Alemannen. Es sah nicht gut aus für die Franken. Daher rief Chlodwig den Gott seiner Gemahlin an: "Jesu Christe, den Chlothilde als Sohn des lebendigen Gottes verkündet ... deinen Ruhm, deine Macht flehe ich an: verleihe mir den Sieg über diese Feinde ... und ich will an dich glauben und mich in deinem Namen taufen lassen" (Dr. Eugen Ewig, Die Missionsarbeit der lateinischen Kirche, in: Hubert Jedin (Hrg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Herder 1985, Band II,2, S. 105).

Die Franken siegten. Chlodwig hielt sein Versprechen und ließ sich Weihnachten 497/98 von Bischof Remigius in Reims taufen. Dieser Schritt wird sich ganz entscheidend auf das Schicksal Europas auswirken, weil mit der Konversion Chlodwigs auch seine Untertanen zum Katholizismus übertraten, und sich so mit der Expansion der Franken auch der Katholische Glaube über Frankreich, die Schweiz und Südwestdeutschland ausbreiten konnte. Außerdem war es der Beginn der Verkoppelung der Kirche mit den Karolingern, die ihren Höhepunkt in der Reichskirche im Reich Karls des Großen finden wird.

Hier zeigt sich auch der Unterschied zwischen der Regierungsmethode Chlodwigs und der Theoderichs. Zum ersten war Theoderich wie gesagt Arianer und versuchte, die arianischen Germanenstämme zu verbünden. Dazu war aber der Arianismus ungeeignet, da ihm das Einheitselement des katholischen Glaubens fehlte. Außerdem war Chlodwig daran gelegen, die einheimische galloromanische Bevölkerung mit der der Germanen zu verschmelzen, während Theoderich die Kluft, die zwischen den katholischen Einheimischen und den arianischen Germanen durch ihre unterschiedliche Religion ohnehin schon bestand, durch ein Heiratsverbot zwischen den beiden Gruppen noch vergrößerte.

Bis zu seinem Tod erweiterte Chlodwig sein Reich bis zu den Pyrenäen im Süden und bis über den Bodensee im Osten. Danach wurde das Reich unter seine Söhne aufgeteilt. Diese eroberten Burgund und die Provence und gewannen so Anschluss ans Mittelmeer. Einem dieser Söhne, Chlothar I. (511-561), gelang es, das Reich wieder zu vereinen, doch zerfiel es nach seinem Tod wieder und es entstanden die drei Reichsteile Austrien (Nordosten), Neustrien (Nordwesten) und Burgund (Süden). Bereits jetzt zeichnete sich der Verfall des Merowingergeschlechts in Form von Zwistigkeiten zwischen dem lokalen Adel und dem Königtum ab. Chlothar II. (613-629) vereinigte das Reich wieder, doch nicht ohne einen Preis zu zahlen: er musste sich dazu verpflichten, die königlichen Beamten aus den Grundbesitzern der Grafschaften zu wählen und gab damit das ehedem vom König abhängige Beamtentum auf und lieferte die Staatsgewalt an den Grundbesitzeradel aus. Die Kernländer Austrien, Neustrien und Burgund erhielten eine gewisse Selbständigkeit unter einem Hausmeier (Majordomus), der an der Spitze der königlichen Hofverwaltung stand und somit Oberhaupt des gesamten Adels wurde. Unter Dagobert I. (629-639), dem wiederum eine Vereinigung gelang, erlebte das Geschlecht der Merowinger vor seinem endgültigen Untergang noch eine letzte Blüte.

Nun erhoben sich die Hausmeier, die über die Reichsteile regierten. Bedeutend war hier zunächst Pippin II. (679-714). Ihm folgte der berühmte Karl Martell (714-741), der bei Poitier (732) auch die Araber zurückschlagen konnte und so Europa vor einer moslemischen Invasion bewahrte. Nachdem der letzte merowingische Schattenkönig mit Zustimmung des Papstes abgesetzt war, wurde sein Sohn Pippin (751-768) zum König erhoben und anschließend durch den hl. Bonifatius als erster fränkischer König mit hl. Öl gesalbt. Es beginnt die Herrschaft der Karolinger, die 768 Pippins Sohn Karl (der Große) übernimmt. (Hermann Kinder / Werner Hilgemann, dtv-Atlas zur Weltgeschichte. Band I, dtv 1964, Seite 120-123)

In der Salbung Pippins vollendet sich der Bund zwischen den Karolingern und der Kirche, der mit Chlodwig seinen Anfang genommen hatte.

u Abschließend noch ein paar Worte zur Bekehrung Chlodwigs im speziellen und die Germanenmission im Allgemeinen:

Wenn wir heute auf die Ereignisse der damaligen Zeit zurückschauen, so mag es uns erscheinen, Chlodwig habe sich nur aus politischem Kalkül für den katholischen Glauben entschieden. Er habe gemerkt, dieser Gott habe ihm zum Sieg verholfen und habe sich von ihm auch weiterhin militärische Erfolge erhofft. Diese Sichtweise wird der Realität nicht gerecht.

Bekehrung ist ja im Grunde nichts anderes als ein Ja-sagen zu etwas, was man als wahr, als wirklich, erkannt hat.

Diese Erkenntnis vollzieht sich bei vielen Menschen durch eine Anstrengung des Intellekts. Sie prüfen durch Nachdenken die Lehre einer Religion auf ihren Wahrheitsgehalt.

Andere Menschen vollziehen diese Erkenntnis unmittelbarer. Sie erkennen die Wahrheit einer Lehre und die Wirklichkeit des in ihr Gelehrten daran, ob und inwieweit es sich in der Realität, im menschlichen Leben, als wirksam erweist. Im Falle Gottes hieße das: sie erkennen den Gott als Gott an, der so wirklich und so mächtig ist, dass Er in das menschliche Leben eingreifen und so die Menschen Seine Realität spüren lassen kann.

Das war auch der Fall bei den Germanen. „Das echt Germanische und gut Christliche zeigt sich bei diesen Bekehrungen im naiven, aber substanzvollen, unmittelbaren Ja- oder Neinsagen zur Wirklichkeit. Die Germanen 'erfühlten' oder 'erschauten' die mächtigere Wirklichkeit im Christentum im Unterschied zu ihrer eigenen schon zersetzten Religion". „Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der alten oder der neuen Religion wird bei den unphilosophischen Germanen also nicht als Wahrheitsfrage, nicht von der Lehre her gestellt, sondern ganz von der als Macht gefassten Wirklichkeit" (Joseph Lortz, Geschichte der Kirche, Münster Westfalen 1950, Seite 111). Das bedeutet nicht, dass die Germanen nicht nach der Wahrheit gesucht hätten, sondern dass sich diese Wahrheitsfindung ganz im Praktischen abspielte, dass der Gott als der wahre anerkannt wurde, der sich durch sein Eingreifen in das menschliche Schicksal auch als der wirkliche erwies.

Was die Massenbekehrungen angeht, so stellt sich natürlich die Frage, ob denn diese Bekehrungen sich wirklich auch im Herzen vollzogen haben oder ob sie nicht vielmehr äußerlich geblieben sind. Das ist im Einzelfall natürlich schwer zu sagen. Seien wir aber mit unserem Urteil nicht vorschnell. Die Germanen waren zwar ein Menschenschlag, der das Unabhängigsein liebte, aber das bezog sich nur auf den politischen Bereich. In der inneren Haltung waren sie geprägt von Gefolgschaftstreue und erlebten auch die Gemeinschaft viel intensiver, als wir uns das heute vielleicht vorstellen können. Ein solch lebendiger Gemeinschaftssinn war Grundlage und Hintergrund für die Bekehrung ganzer Stämme.

Außerdem können sie ja durchaus das eben erwähnte Erleben der Wirklichkeit des "neuen" christlichen Gottes auch jeweils individuell im Herzen vollzogen haben. Wissen wir doch von Fällen, bei denen der Bekehrung eines Stammes Versammlungen (sog. Things) vorausgingen, auf denen das Für und Wider der "neuen" Religion besprochen und die christliche Sache von schon Bekehrten , von solchen, die bereit waren, sich zu bekehren oder von Missionaren vorgetragen wurde.

Weiter ist zu bedenken, dass gerade im Falle Chlodwigs die Bekehrung nicht nur durch den einmaligen Sieg mit Hilfe des Gottes der Christen bedingt war. Sie war schon vorbereitet dadurch, dass die Franken, die in Gallien eingefallen waren und die einheimische christliche Bevölkerung besiegt hatten, etwa zehn Jahre mit dieser zusammengelebt hatten und so in unmittelbaren Kontakt mit dem Christentum kommen konnten. Das erklärt auch, warum die fränkische Bevölkerung so schnell und bereitwillig dem Vorbild ihres Königs folgte.

Interessanterweise war außerdem in dieser Zeit vor dem Sieg Chlodwigs über die Alemannen das Christentum eigentlich die Religion der Besiegten und der christliche Gott hatte sich durchaus nicht als der Gott erwiesen, der militärische Erfolge bereiten würde. In diesem Fall kann also nicht der äußere Machterweis, sondern muss ein inneres Erfahren der Wirklichkeit und Wahrheit Gottes und der Überlegenheit des Christentums Anlass dazu gewesen sein, das Interesse der Germanen am Christentum zu wecken.

Es mag auch eine gewisse Erlösungssehnsucht auf Seiten der Germanen mit hineingespielt haben und die "Tatsache, dass das Christentum dem Sehnen des Germanen, frei zu werden von der niederdrückenden, aussichtslosen Tragik seiner Weltanschauung (die den Menschen und die Götter im Bann des blind wütenden Schicksals untergehen ließ), entgegenkam durch die Lehre vom guten Gott, von seinem kommenden Reich und der Gemeinschaft der Heiligen, als dem Sieg des Guten." (Joseph Lortz, Geschichte der Kirche, Münster Westfalen 1950, S. 110)

Dass außerdem den Germanen das Christentum mit Gewalt aufgezwungen worden sei, widerspricht auch ihrer sonst an den Tag gelegten Heldenhaftigkeit. Wirklich wurde Gewalt nur in geringem Maß angewandt. So bei den Norwegern, den Isländern und bei Teilen der Sachsen. Diese Art von Gewaltanwendung wurde von der Kirche als solcher nicht gutgeheißen. Sie ist vielmehr dem Fehlverhalten eines oder einiger Menschen zuzuschreiben. Das zeigt vor allem der letztgenannte Fall der Sachsenmission. Karl der Große hatte 782 etwa 4500 Sachsen hinrichten lassen. Dabei handelte es sich aber um eine Bestrafung von Aufrührern und Mördern, die insofern nicht als Martyrer bezeichnet werden können. Trotzdem entschuldigt das das Vorgehen Karls keineswegs und so wurde es auch von Papst Hadrian, Alkuin und dem fränkischen Episkopat ausdrücklich verworfen und angeprangert.

Politischer Druck allein hat sich auf die Dauer immer als nicht von Erfolg gekrönt erwiesen. So schlug z.B. auch ein Versuch des letzten merowingischen Königs, durch einen Taufbefehl die Friesen zu christianisieren, fehl.

Zur Bekehrung Chlodwigs sei auch noch kurz hinzugefügt, dass die Predigt und Glaubensverkündigung Bischof Remigius' sicherlich nicht allein auf dem Machterweis Gottes in seiner Hilfe für die Germanen gegen die Alemannen aufbaute. Chlodwig selber weihte dem hl. Petrus und den Aposteln eine Kirche und ließs bei seinem Tod eine Krone an den Papst senden. Das mögen Zeichen sein, dass in der Belehrung des Remigius sicherlich auch darauf hingewiesen wurde, dass der Glaube insofern wahr ist, als er sich auf die Tradition durch die Apostel und ihre Nachfolger berufen kann. Einen weiteren Hinweis liefert das Schreiben, das Remigius Chlodwig zu seinem Regierungsantritt sandte. Es enthält starke ethische Akzente und lässt so darauf schließen, dass die Unterweisung durchaus auch auf sittliche Verbesserung der Taufanwärter ausgerichtet war.

Wir müssen uns immer davor hüten, in der Beurteilung der Geschichte – und besonders des Mittelalters, dessen Anbruch wir hier geschildert haben – einseitig zu sein. Dass es in der Geschichte der Kirche auch Schatten gibt, können wir nicht leugnen und müssen es auch nicht. Die Glieder der Kirche sind Menschen und als solche nicht frei von der Fähigkeit zu sündigen. Wenn daher Christen – zumindest dem Namen nach – Fehler und Verbrechen begangen haben, so heißt das nicht, dass sich die katholische Kirche widerspräche oder dass sie nicht Kirche Gottes sein könne, sondern dass Menschen sich nicht dem Willen Gottes entsprechend verhalten haben.

Unabhängig davon müssen wir aber auch vorsichtig sein, dass wir nicht vorschnell ein Urteil über die damaligen Menschen und Ereignisse bilden, ohne alle Umstände und Voraussetzungen zu bedenken.

P. Johannes Heyne

 

 



 

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