Kurze Messbetrachtung
Zu Beginn der Opferung küsst der Priester im Akt des Liebeserweises den Altar, der ja Jesus Christus selbst versinnbildet. Sich daraufhin in der Mitte vor dem Altar den Gläubigen zuwendend begrüßt er sie zum zweiten Mal mit in der Brusthöhe etwas ausgebreiteten Händen: „Dominus vobiscum - der Herr sei mit euch“. Der fromme Wunsch wird erwidert: „Et cum spiritu tuo - und mit deinem Geiste“. Sich wieder umwendend öffnet der Zelebrant in derselben Weise seine Hände und spricht: „Oremus - lasset uns beten“. Diese Gebetsaufforderung könnte ein letzter Rest jenes Gebetes der Gläubigen sein, das früher an dieser Stelle möglicherweise verrichtet wurde. Jedenfalls hat man schon im Mittelalter dieses „Oremus“ als „eine Mahnung zur Verinnerlichung während der folgenden Oblation“ und als „eine Aufforderung an das Volk, sich zur Opferung bereitzuhalten und mit dem Opfer eine Absicht zu verbinden, dass es dem Herrn angenehm sei“, angesehen1. Dann wird das Offertorium gesungen bzw. gelesen, das meistens den Psalmen entnommen ist. Seinem Inhalt nach entspricht es wie der Introitus und das Graduale dem Charakter des Kirchenjahres oder wird, bei Votivmessen, vom Opferanlass bestimmt. Schon der hl. Augustinus berichtet, dass er vor der Darbringung der Opfergaben und bei der Kommunionausteilung Psalmen habe singen lassen. Nach Beendigung der Rezitation des Offertoriums deckt der Priester das Velum vom Kelch mit der Patene ab. Diese schlichte Handlung könnte symbolisieren, dass Jesus Christus Seine von Ihm zuvor oft in Gleichnissen (vgl. Mt 13,34) verkündete Erlöserliebe durch die liturgisch vollzogene Opferhandlung nun offenkundig der ganzen Welt unter Beweis stellt! Der Beginn dieses Opfergeschehens wird auch akustisch durch ein Glockenzeichen der Altardiener angezeigt. Der Priester erhebt etwas mit beiden Händen die Patene mit der darauf liegenden Hostie und beginnt das erste Opfergebet, indem er sich an Gott Vater wendet: „Heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott...“. Es wird hier die Heiligkeit, die Vaterschaft, die Allmacht und die Ewigkeit Gottes angesprochen - alles Eigenschaften, die zentral im Zusammenhang mit dem stellvertretenden Erlöserleiden Jesu Christi stehen. Dabei richtet der Zelebrant seinen Blick auf das Kreuz, das nach Vorschrift der Kirche unbedingt auf dem Altar angebracht zu sein habe, da ja nach dem Wort Christi der, der Ihn sieht, zugleich auch Den sieht, Der Ihn gesandt hat (vgl. Joh 12,45). „...nimm diese makellose Opfergabe gnädig an...“. Gott wird also nichts anderes als ein Opfer dargebracht! Zugleich wird damit auch die hoffnungsvolle Bitte an Ihn verbunden, Er möge dieses auch wohlwollend akzeptieren. Und worin besteht dieses Opfer? Zunächst sollen die natürlichen Gaben von Brot und Wein durch die Opfergebete aus dem profanen Bereich ausgeschieden und Gott als Opfer zugeeignet werden. Aber trotzdem eignen sie sich wohl kaum, dass man sie als solche als „makellose Opfergabe“ bezeichnet. Sonst müsste angenommen werden, die Kirche falle in die Phase primitiver Naturalopfer zurück. Nein, sie richtet ihren Blick nach vorn, auf die hl. Wandlung, auf die Wesensverwandlung dieser Gaben in den heiligen Leib und das kostbare Blut unseres göttlichen Erlösers. Sie nimmt dieses große Geheimnis der eucharistischen Gegenwart Christi gewissermaßen gedanklich vorweg. Im Hinblick darauf, und auch weil die Heilige Messe keine bloße Aneinanderreihung einzelner Riten darstellt, sondern ein organisches Ganzes bildet, bringt sie Gott Vater schon jetzt, vor der Wandlung, unter den Gaben von Brot und Wein letztendlich Christus dar, Der ja allein die Versöhnung zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen bewirken kann! „Viel natürlicher wird man darum gegenwärtig die Bezeichnung ´hostia immaculata´ auf das unbefleckte Opferlamm Christus beziehen.“2 Ähnliches ist auch bei sämtlichen anderen alten Liturgien apostolischen Ursprungs zu beobachten. „...die ich, Dein unwürdiger Diener, Dir, meinem lebendigen, wahren Gott, darbringe für meine unzähligen Sünden, Fehler und Nachlässigkeiten...“. Welche Intensität der Hinwendung an Gott spricht aus diesen Worten! Wie warm wird Er hier als des Priesters (und der Gläubigen) „lebendiger, wahrer Gott“ angesprochen! Vom Gefühl der eigenen Sündhaftigkeit durchdrungen senkt der Priester bei den Worten „Dein unwürdiger Diener“ seine Augen etwas nieder. Der Priester opfert zunächst zur Sühne seiner eigenen zahlreichen sittlichen Verfehlungen, weil ja niemand im sündhaften Zustand, dessen er sich voll bewusst ist, die beseligende Gemeinschaft mit Gott aufnehmen kann. Ebenfalls bringt die katholische Kirche durch den Zelebranten das neutestamentliche Opfer des Altares dar „...und für alle Umstehenden, aber auch für alle Christgläubigen, für die Lebenden und Verstorbenen, damit sie mir und ihnen zum Heile gereiche für das ewige Leben. Amen“. Welch` ein trostreicher Gedanke, dass die Kirche keines ihrer Kinder bei der erhabenen Messfeier vergisst: jeder, auch wenn nicht anwesend, wird ins Messopfer zum Nutzen für sein ewiges Heil eingeschlossen, jeder, auch wenn bereits in der Ewigkeit weilend, erhält Anteil an den überreichen Früchten dieser Opferhandlung! Nach Beendigung dieses Gebetes macht der Priester mit der auf der Patene liegenden Hostie ein Kreuzzeichen über dem Korporale. Nicht nur weist diese Handlung darauf hin, dass allein im Kreuze Christi das Heil zu suchen ist, und Er uns „durch das Kreuz mit Gott“ versöhnt hat (Eph 2,16). Sie deutet auch auf die Kreuzigung Christi selbst hin, die hier in der liturgischen Feier sakramental gegenwärtig gesetzt wird! Ebenfalls wird mit diesem Kreuzzeichen der kirchliche Altar als die neutestamentliche Opferstätte dargestellt. Und das Korporale, das auf diesem Altar ausgebreitet liegt und auf welches im Anschluss daran die Hostie von der Patene gelegt wird, erinnert uns an das „reine Leinwand“, in welches Jesus nach der Abnahme vom Kreuz von Josef, einem Mann aus Arimathäa, gewickelt wurde (vgl. Mt 27,59 par). So werden die Gläubigen liturgisch gewissermaßen mitten in die Grablegungsszene hineinversetzt.
P. Eugen Rissling 1Eisenhofer, L., Handbuch der katholischen Liturgik. Band II, Freiburg 1933, S.136f.
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