Kurze Messbetrachtung


28. Teil


18. Kanon - Per quem haec omnia - Per ipsum et cum ipso 

Zum Abschluss des Kanons des Römischen Messritus folgen nach der Bitte um Gemeinschaft mit den Heiligen („Nobis quoque peccatoribus“) zwei liturgische Zeremonien, die in sich trotz ihrer Kürze und der damit verbundenen scheinbaren Unauffälligkeit die Grundaussagen des gesamten biblischen Opferbegriffs (des Alten und Neuen Testamentes) enthalten bzw. zusammenfassend gewissermaßen das ganze Mysterium des neutestamentlichen eucharistischen Opfers, der hl. Messe, zum Ausdruck bringen. 

Zunächst macht also der Priester mit seiner rechten Hand drei Kreuzzeichen über die Hostie und den Kelch und spricht dabei unter Bezugnahme auf die zuletzt vorausgehende Formulierung „Durch Christus, unseren Herrn“ folgende Worte: „Durch Den Du, Herr, immerfort dies alles (d.h.: alle diese Gaben) erschaffst, heiligst X, belebst X, segnest X und sie uns gewährst“. Bereits bei Abraham, dem Stammvater des alten Israel und dem „Vater aller ... Gläubigen“ (vgl. Röm 4,11f.), d.h. der Christen (!), finden wir im Kern den Grundsatz ausgesprochen, dass nämlich das (liturgische) Opfer, welches der Mensch Gott darbringen soll, seinem Ursprung nach nur von Ihm selbst stammen kann! Denn auf die Frage Isaaks, seines leiblichen Sohnes, wo denn „das Schaf zum Brandopfer“ sei, antwortete Abraham: „Gott wird sich das Schaf zum Brandopfer schon ersehen, mein Sohn“ (Gen 22,7f.), wobei natürlich wie so oft im Alten Testament zu beachten ist, dass die Bedeutung dieses Satzes eben weit über den augenblicklichen konkreten Sinn hinausgeht. Gott selbst werde dafür Sorge tragen, dass wir, die Menschen, eine passende und geeignete Opfergabe aus Seiner Hand erhalten, welche Ihm wohlgefällig ist, und mit welcher wir nach Seinem Geheiß die Hingabe unseres Herzens an Ihn verbinden sollen. 

So sagt ja auch unser liturgischer Text, dass Gott der „Herr“ „dies alles“, d.h. die vorliegenden liturgischen Gaben von Weizenbrot und Traubenwein erschafft („Du ... schaffst“). Gott ist ihr Urheber, Er hat sie uns gegeben. Auf Seinen ausdrücklichen Befehl hin werden diese beiden Naturalien von der katholischen Kirche zu Opfergaben ausgesondert und in der Liturgie der hl. Messe verwendet. „Gott ist es, ... der durch Christus sie (diese Opfergaben - Anm.) zu übernatürlicher Bestimmung in der Konsekration ausgeschieden (´sanctificas´ - ´heiligst´), zur lebendigen und übernatürliches Leben spendenden Speise gemacht hat (´vivificas´ - ´belebst´) und im Opfermahl der Kommunion spendet (´praestas´ - ´gewährst´)“ (Eisenhofer, L., Handbuch der katholischen Liturgik. Band II, Freiburg 1933, S. 193). 

In der hl. Messe finden die Naturalien von Brot und Wein die höchste Bestimmung, zu der je eine (geist- und seelenlose) Kreatur Gottes überhaupt fähig ist. Nicht nur werden sie für den liturgischen Dienst ausgewählt (geheiligt), sondern darüber hinaus (durch die Opferung, die Segnungen und vor allem durch die hl. Wandlung) auch noch mit ganz besonderem Segen Gottes, ja der gnadenreichen verborgen-sakramentalen Gegenwart des wahren und lebendigen Gottes ausgestattet (belebt und gesegnet)! Und zwar erfolgt diese Konsekration, um (als Zwischenzweck) schließlich uns, den Menschen, in diesem eben konsekrierten Zustand als jene Speise für unsere unsterbliche Seele geschenkt (gewährt) zu werden, die uns das ewige Leben sowohl spendet als auch erhält. Somit werden diese Weizenbrot und Traubenwein zu nichts geringerem als zur Trägerin Gottes und Vermittlerin des ewigen Lebens! 

Einer besonderen Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang auch das Wörtchen „immerfort“. Es deutet sowohl die große Mühe und beträchtliche Intensität als auch die konsequente Zielstrebigkeit Jesu Christi an, mit denen Er sich um unser Heil kümmert und es an uns auch entsprechend wirkt. Ständig und unaufhörlich, ohne Pause im Tun und ohne Ende in der Intention „erschafft“, „heiligt“, „belebt“ und „segnet“ uns der Herrgott die Opfergaben und „gewährt“ uns somit eben jenes sprichwörtliche „Schaf zum Brandopfer“ Abrahams, damit wir es Ihm schlussendlich auch zum Opfer darbringen. Die Kreuzzeichen, die während dieses Teils des Kanons gemacht werden, symbolisieren eindrucksstark, dass das Heil Gottes für uns, Menschen, letztendlich nur vom Kreuz her und durch das Kreuz, d.h. durch das stellvertretende Leiden und Sterben Jesu Christi, des Erlösers, kommt. Ihre Dreizahl deutet auf die Tatsache hin, dass Gott als der Dreifaltige und Dreieinige Gott in diesen Erlösungsprozess der Menschheit einbezogen ist, dass, wenn man es so sagen dürfte, jede der drei göttlichen Personen auf jeweils eigene Weise an diesem Heilswirken beteiligt ist bzw. an ihm ihren eigenen Anteil hat. Diese Kreuzzeichen erscheinen hier auch als eine Bestätigung des Segnens, Belebens und Heiligens der Opfergaben, das ja ausgesprochen wird. Dabei wird dieser Gedanke zeitüberhoben ausgedrückt, d.h. es widerspricht sich nicht, wenn auch nach der hl. Wandlung noch einmal ein Segenszeichen verwendet wird. 

Nachdem also in dieser ersten liturgischen Zeremonie zum Ausdruck gebracht wurde, dass „dies alles“, d.h. unsere Opfergaben, uns letztendlich von Ihm selbst geschenkt werden, damit wir sie Ihm eben darbringen können, kommt in der folgenden Zeremonie überdeutlich zum Vorschein, welchen Zweck diese Opfergaben und deren Darbringung vor Gott schlussendlich erfüllen, welchem Endziel sie dienen sollen. Der Priester deckt den Kelch ab, macht eine Kniebeuge, nimmt die konsekrierte Hostie in seine rechte Hand und macht mit ihr zunächst drei Kreuzzeichen über den Kelch und dann noch zwei Kreuzzeichen über dem Korporale, und zwar zwischen dem Kelch und der Vorderplatte des Altars. Dabei betet er: „Durch X Ihn und mit X Ihm und in X Ihm wird Dir, Gott X allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen X Geistes, alle Ehre und Verherrlichung“. Bei den letzten Worten hebt er den Kelch samt der Hostie etwas in die Höhe. Nachdem er dann den Kelch wieder nieder gestellt, seine Finger über diesem gereinigt und ihn daraufhin mit der Palla abgedeckt hat, macht er eine erneute Kniebeuge und spricht mit vernehmbarer Stimme bzw. singt beim Hochamt: „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“, worauf ihm von den Altardienern bzw. vom Chor mit „Amen“ geantwortet wird. 

Der Zweck der Schöpfung war die Mitteilung der sich verströmenden Liebe Gottes! Der Herrgott schuf die Geschöpfe, um sie mit der Fülle der göttlichen Gnade bzw. Seines eigenen göttlichen Lebens zu beschenken, um mit ihnen eine Beziehung des gegenseitigen Austausches edelster selbstloser Liebe einzugehen. Sie sollten mit dieser Liebe, dem göttlichen Leben, über alle Maße bereichert werden, um dann natürlich auch eigenerseits Ihm gegenüber diese Liebe entsprechend zu erwidern, d.h. „von deinem ganzen Herzen, von deiner ganzen Seele, mit allen deinen Kräften“, wie es das Erste Gebot Gottes vorsieht und von uns verlangt. Nun hat aber das Menschengeschlecht versagt, indem es sich in Adam und Eva durch die gröbliche Missachtung Seines heiligen Willens voll bewusst gegen Ihn versündigt und sich somit selbst von Ihm gestoßen und des beseligenden Wohlwollens Gottes beraubt hat. Dadurch waren die aus dem Paradies vertriebenen Menschen natürlich auch nicht mehr fähig, jenes Loblied auf die Herrlichkeit Gottes anzustimmen, zu welchem sie vor der Beschädigung ihrer biblischen Ebenbildlichkeit Gottes durch ihre eigene Sünde in der Lage waren! 

Um aber den Menschen trotzdem noch die Möglichkeit der Wiederherstellung jener Ebenbildlichkeit und der (reuigen) Rückkehr ins Vaterhaus zu geben, ist Er in Jesus Christus Mensch geworden und hat die Schuldenlast der ungeheuren Sünde der gesamten Menschheit auf sich genommen, um sie dann am Stamme des Kreuzes zu sühnen und abzubüßen, um uns den Weg zurück zu Ihm frei zu machen. Daraus spricht die alles überwältigende und für uns, Menschen, letztendlich nicht bis in ihre ganzen Tiefen zu ergründende Barmherzigkeit des Dreifaltigen Gottes! Und nun sollen die im Sakrament der hl. Taufe von ihrer Schuld reingewaschenen Gläubigen im Vollzug des liturgischen Opfers der hl. Messe ihre eigene Hingabe mit der sündentilgenden Darbringung Jesu Christi, des göttlichen Erlösers, verbinden, um eben auch des neuen Lebens, des Lebens mit Gott, teilhaftig zu werden! 

Aber dieses neue Leben, das Leben mit Gott, besteht auch und gerade in Seiner Verehrung, gewissermaßen in der Wieder-Einstimmung in jenes ursprüngliche Loblied auf die Herrlichkeit Gottes seitens der treuen Engel- und erlösten Menschenwelt! Dazu werden wir (ja auch) durch das von Jesus Christus, dem Gotteslamm, vollzogene Liebesopfer auf dem Kalvarienberg wieder befähigt. Diese Verherrlichung, dieser Lobpreis Gottes ist somit das letzte Ziel der Menschheit, das Endziel der gesamten Schöpfung - die edelste und erhabenste Tätigkeit eines Getauften! Denn man kann nicht wahre und lebendige Gemeinschaft mit Ihm haben und dabei gewissermaßen passiv bleiben - beides widerstrebt einander. 

Und nun schließt die Römische Messliturgie ihren Kanon, dieses Herzstück des hl. Messopfers, damit ab, dass sie Ihm „alle Ehre und Verherrlichung“ zukommen lässt. In diesem „Per ipsum et cum ipso et in ipso“ bricht sozusagen jener vor-, end- und überzeitliche Jubelgesang auf die Herrlichkeit Gottes in unsere jeweilige Zeit ein, der ja bezeichnenderweise auch nach den Worten der hl. Liturgie „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (!) andauert. Durch ihn nimmt die katholische Kirche gewissermaßen jenes ewige Loblied in ihrer ganz konkreten Situation und Lage (wieder) auf und setzt es in der Zeitlichkeit der irdischen Gegenwart fort! Somit erscheint die hier auf Erden Gott dargebrachte Anbetung als ein Abbild der sich im Himmel ununterbrochen und ewig vollziehenden Verherrlichung seitens der Engel und Heiligen! Und indem auf „alle Ehre und Verherrlichung“ hingewiesen wird, wird zum Ausdruck gebracht, dass der Lobpreis Gottes durch die Kirche unbegrenzt und uneingeschränkt erfolgen soll, dass er keine Art von Limitierung in der Intention und kein Genug in der Absicht des Menschen erfahren darf! 

Dabei wendet sich der Zelebrant an „Gott allmächtigen Vater“ und drückt gleichzeitig aus, dass Seine Verehrung durch, mit und in Christus erfolge, und zwar „in der Einheit des Heiligen Geistes“. „Durch Christus und Sein Opfer ist das höchste Ziel aller Gottesverehrung erreicht: dem Vater und dem Heiligen Geist wird dadurch Ehre und Verherrlichung in vollkommenster Weise dargeboten („omnis honor et gloria“). Es geschieht dies durch Christus („per ipsum“), weil Er, der absolut Reine und Heilige, sich opfert; mit Christus („cum ipso“), weil die Ehre, die dem Vater und dem Heiligen Geist zuteil wird, auch die Ehre des Sohnes ist; in Christus („in ipso“), weil in der Perichorese (gegenseitige Durchdringung und Einwohnung der drei göttlichen Personen) die drei göttlichen Personen sich geheimnisvoll durchdringen. 

Die Worte der Doxologie finden auch symbolischen Ausdruck. Die Kreuze, die der Priester über den Kelch und zwischen sich und dem Kelch macht, deuten an, dass diese Verherrlichung Gottes vom Kreuze stammt; ihre Fünfzahl gemahnt an die heiligen fünf Wunden, das Erheben des Kelches mit der Hostie (elevatio minor) zeigt im Bilde an, dass die Kirche der im Himmel thronenden göttlichen Majestät das absolut vollkommene Opfer des Neuen Bundes zur höchsten Verherrlichung darbietet“ (Eisenhofer, ebd., S. 193). 

 

P. Eugen Rissling



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