Kurze Meßbetrachtung


9. Teil


Zwischengesang - Predigt- Credo 

Der schon im christlichen Altertum übliche Brauch, die einzelnen liturgischen Lesungen durch Zwischengesang zu unterbrechen, geht wohl auf die Praxis jüdischer Synagoge zurück. Dadurch wollte man offensichtlich mehr Abwechslung in den Gottesdienst bringen. 

Am häufigsten anzutreffen ist dabei im Römischen Meßritus das Graduale - ein Gesang, der aus einem in responsorialer (=abwechselnder) Weise vorgetragenen Psalm entstand. Seinen Namen erhielt es vom Umstand, dass es ursprünglich auf den Stufen (gradus) des Ambo (eine Art Vorläufer der heutigen Kanzel) gesungen wurde. Seinem Inhalt nach dient das Graduale häufig genug dem Lob, der Verherrlichung Gottes. Allerdings haben darauf nicht selten auch das Kirchenjahr oder der sonstige Opferanlaß Einfluß genommen. Oder es ist als ein Nachhall der vorausgehenden Epistel/Lectio anzusehen. Dem Graduale folgt oft der Allelujagesang, der in Kombination mit kurzen Versen vorgetragen wird, die entweder der hl. Schrift entnommen werden oder freier kirchlicher Komposition entstammen. Er ist Ausdruck übernatürlicher, himmlischer Freude, und wurde von Papst Gregor dem Großen von der österlichen Zeit auf das ganze Kirchenjahr ausgedehnt. Später hatte man in dieser österlichen Zeit dem Allelujagesang ein zweites Alleluja mit Vers angehängt und stattdessen den Vortrag des Graduale unterlassen. “Wie die Mittelalterlichen das Graduale einstimmig als Bußgesang deuteten, so den Allelujagesang als Gesang jubelnder Freude. Als Gegenstand solcher Freude bezeichnen sie ... den tröstlichen Hinblick auf das ewige Alleluja im Himmel, welches auf die Mühsale und Tränen des Erdenlebens folgt”1

An Tagen mit Buß- und Trauercharakter wird das Alleluja mit dem Traktus ersetzt - einem Psalm, der ohne Refrain gesungen wird. Seinen Namen verdankt er einem Fachbegriff aus der griechischen Musiktheorie. Da er nur an jenen Tagen erscheint, an denen das Alleluja untersagt ist, wird der Traktus als Buß- und Trauergesang aufgefaßt. Nicht selten redet er auch vom Ernst der Buße und enthält dringende Bitten um Gottes Gnadenhilfe. Auch erinnert er an die Zeit der Erwartung des kommenden Heils in Jesus Christus, an die Traurigkeit und Niedergeschlagenheit der Juden während der babylonischen Gefangenschaft. Daher wird er auch in einer tieferen Tonlage komponiert. 

Aus dem Allelujagesang entwickelte sich mit der Zeit die Sequenz, die in Abweichung zu jenem sowohl mehr Text erhielt als auch sich der Hymnenform annäherte. Um der ungesunden Überwucherung entgegenzuwirken - teilweise wiesen mittelalterliche Meßbücher bis zu 73 und 98 Sequenzen auf -, enthält das heutige Missale Romanum nur noch 5 Sequenzen. Die Osterwoche kennt die Sequenz “Victimae paschali”, ein Loblied auf den Sieger über Tod und Hölle. In der herrlichen Pfingstsequenz “Veni sancte Spiritus” handelt es sich naturgemäß um den Heiligen Geist. “Das ´Lauda Sion´ des hl. Thomas von Aquin besingt die heiligste Eucharistie als Opfer und Opfermahl in gehobener Sprache, wie sie selten einem didaktischen Gedicht gelingt”2. Diese Sequenz wird gebetet am Fest und in der Oktav von Fronleichnam. Das “Stabat mater” (am Fest der Sieben Schmerzen Mariä) drückt die innige Liebe zum leidenden Heiland und zu Seiner schmerzerfüllten Mutter aus. Und schließlich für die Requiemsmessen ist vorgesehen die Sequenz “Dies irae”, die nicht nur Bitten für Verstorbene enthält, sondern auch über die Bedeutung und Tragweite des Todes und der Sterbestunde nachsinnt. 

In Lk 4,16-22 wird berichtet, wie Jesus Christus an einem Sabbat in die Synagoge zu Nazareth gegangen war und dort aus dem Buch des Propheten Isaias vorgelesen hatte. Anschließend verbreitete Er sich über die vorgelesene Stelle und erntete dafür diesmal Beifall. Damit folgte Er dem bei den Juden üblichen Brauch, im Anschluss an die Sabbatlesungen in der Synagoge erläuternde Vorträge zu halten. So lesen wir auch in Apg 13,15, wie sich der Synagogenvorsteher am Sabbat nach den Lesungen an Paulus und seine Gefährten mit der Bitte wandte: “Ihr Brüder, wenn ihr ein Wort der Ermunterung an das Volk zu richten wißt, so redet”. Dass die Christen diese Sitte, nach den liturgischen Lesungen eine Predigt zu halten, von Anfang an übernommen haben, belegen sowohl Justin (Apol. I, 67) als auch die Apostolischen Konstitutionen (II,57). 

Es ist offenkundig, dass sich die Predigt ihrem Inhalt nach an der vorangegangenen Lesung bzw. dem Evangelium zu halten habe. Auch darf sie ein anderes religiöses Thema anschneiden. In jedem Fall soll sie eine Erklärung der christlichen Wahrheiten, eine Vertiefung in den Glauben und eine Ermunterung zur christlichen Lebensführung darstellen. Befähigt zur Predigttätigkeit sind ausschließlich Bischöfe, Priester und Diakone. Denn das Wort Christi: “Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen” (Mk 16,15), beinhaltet eine ganz spezielle Missionssendung und richtet sich auch an die Apostel und ihre Gehilfen! Wie schon im apostolischen Zeitalter die Berechtigung, das Evangelium zu verkündigen, nur jene erhielten, die dazu eigens durch die sakramentale Weihe beauftragt wurden (so Barnabas und Paulus, vgl. Apg 13,1-3), so ist auch in der Folgezeit in der katholischen Kirche damit nur betraut worden, wer eine entsprechende sakramentale Sendung erhielt: “Wie kann man aber predigen, wenn man nicht gesandt ist? ... So kommt der Glaube aus der Predigt, und die Predigt geschieht im Auftrage Christi” (Röm 10,15-17). Da man ja nichts geringeres als das Wort Gottes verkündet, bedarf es dazu auch des besonderen Gnadenbeistandes Gottes! 

Bereits in der jungen Christenheit bestand das Bestreben, den eigenen Glauben in kurze, allgemeinverständliche Sätze zusammenzufassen, um auf diese Weise u.a. auch Andersdenkenden gegenüber die eigene Glaubensposition leichter erklären zu können. Zu Beginn der theologischen Streitigkeiten und dem Entstehen der Sekten und anderer außerkirchlicher irrgläubiger Gemeinschaften dienten die so entstandenen Glaubensbekenntnisse der Kirche auch innerhalb des Christentums zur Darlegung des eigenen Glaubens. “Ein besonderes Bekenntnis des Glaubens abzulegen, war in ältester Zeit nur in der Taufliturgie üblich. In die Meßliturgie wurde das Symbol erst zur Zeit der heftigen dogmatischen Kämpfe im Orient eingeführt, der von diesen Kämpfen vorzüglich heimgesucht war.3” Das Glaubensbekenntnis als ein fester Bestandteil auch des Meßritus setzte sich dann allmählig auch in den übrigen Gegenden durch. Vorzüglich wird es seitdem als eine feierliche Zustimmung zum Wort Gottes aufgefaßt, das ja zuvor im Evangelium und in der Predigt vernommen werden kann. Die Tatsache, dass der Römische Meßritus das Credo nicht an allen Tagen verrichten läßt, sondern neben den Sonntagen nur an jenen, an welchen die Tagesfeier Geheimnisse des Glaubens zum Gegenstand hat, und die daher einen höheren liturgischen Rang einnehmen, unterstreicht auch diesen Umstand. 

Daneben soll uns das Credo auch auf die beginnende Opferfeier vorbereiten, deren Früchte ja niemals ohne eine lebendige Glaubenshaltung erlangt werden können. Demnach hat es einen passenden Platz gefunden zwischen dem Lehr- und Opferteil der hl. Messe. Es wird in jener Form gebetet, welche ihm die ersten zwei Ökumenischen Konzilien von Nicäa (325) und Konstantinopel (381) gegeben haben. Wir, am Ende des zweiten christlichen Jahrtausends, dürfen in gewissem Sinn ebenfalls stolz sein auf diesen unseren heiligen katholischen Glauben und sollen ihm mit freudiger Ehrerbietung begegnen! Darauf weisen auch die frommen Gebärden hin, die während des Vortrags des Credo vom Priester vollzogen werden: kreisförmige Erhebung der Hände zu Beginn; Kniebeuge bei den Worten: “et incarnatus est...”; Verneigung des Hauptes bei der Nennung des Namens Gottes und Jesu Christi, auch bei: “simul adoratur et conglorificatur” (Geste der Anbetung des Heiligen Geistes); Kreuzzeichen bei den Schlußworten (Bekenntnis zum Kreuzesopfer als der Glaubensquelle). Vor allem aber dürfen wir diesen Glauben nicht verändern und verfälschen, wofür ja gerade unsere Zeit traurige Berühmtheit erlangt hat. 

 

P. Eugen Rissling



1 Eisenhofer, L., Handbuch der katholischen Liturgik. Band II, Freiburg 1933, S.108f. 
2ebd., S.113. 
3 ebd., S.125.
 

 

Zurück Hoch Startseite