Tägliche Messe als ununterbrochene Quelle des Heils

Eine der auffälligsten Eigenheiten der römisch-katholischen Zelebrationspraxis ist, dass ein Priester des Römischen Ritus die hl. Messe praktisch jeden Tag feiert. Auch wenn ein nicht in der Seelsorge stehender Priester nach kirchlichen Gesetzen nur verpflichtet ist, wenigstens mehrmals im Jahr das hl. Messopfer darzubringen (sinnvollerweise an hohen Festen), wird von ihnen die Messzelebration wenigstens an Sonn- und gebotenen Feiertagen verlangt (can. 805 des CIC von 1917). „Erwünscht und fast allgemein üblich ist die tägliche Zelebration, deren unbegründete Unterlassung ja auch in der Regel einen sündhaften Mangel an Liebe und Eifer für die Ehre Gottes und das Heil der Seelen in sich schließen würde. Seelsorgspriester sind zudem durch die schuldige Rücksicht auf die ihnen anvertrauten Gläubigen und ihre Anliegen, auf ihre Bitten um Zuwendung der Opferfrüchte und auf die Ermöglichung der Teilnahme am heiligen Opfer zur häufigen Zelebration verpflichtet“ (Schöllig, O., Die Verwaltung der heiligen Sakramente unter pastoralen Gesichtspunkten. Freiburg im Breisgau 1939, S. 91).

Darin unterscheidet sich ein römisch-katholischer Priester z.B. von den orthodoxen Priestern verschiedener östlicher Riten, in welchen der (überwiegend verheiratete) Pfarrklerus lediglich an Sonn- und Feiertagen zelebriert. Dies wird durch eine ganze Reihe von nicht unbedeutenden Umständen verursacht, wozu zu zählen wären: längere Zelebrationsdauer, keine Möglichkeit der so genannten stillen Messe, Verpflichtung des Priesters zur zeitweisen ehelichen Enthaltsamkeit vor der Zelebration). Nur in den Klöstern findet im orthodoxen Bereich eine tägliche Messzelebration statt (durch die Mönche).

Einer der tieferen Gründe für die geschilderte Praxis der Römischen Kirche besteht sicherlich auch und gerade im sündentilgenden ...und diabolische Macht zurückhaltenden Charakter des hl. Messopfers! Wir wissen ja, dass uns Jesus Christus durch Seine bitteren Sühneleiden und das stellvertretende Sterben am Kreuz auf Golgota das ewige Heil und die Erlösung von unseren Sünden gebracht und geschenkt hat. Dieses eine Kreuzesopfer hat genügt, dass jene Menschen, die sich Ihm im Glauben anschließen, „der Gewalt der Finsternis entrissen und in das Reich Seines geliebten Sohnes versetzt (werden). In Ihm haben wir die Erlösung durch Sein Blut, die Vergebung der Sünden. Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung“ (Kol 1,13)!

Nun aber hat Jesus am Gründonnerstag die hl. Messe gestiftet und Seinen Aposteln den ausdrücklichen Befehl erteilt, diese ebenfalls zu feiern („Tut dies zu Meinem Andenken“ - 1 Kor 11,25.26). Somit stellt die hl. Messe nach der unmissverständlichen Lehre des katholischen Lehramtes und dem ununterbrochenen Zeugnis der kirchlichen Tradition sowohl grundsätzlich eine Opferhandlung dar, als auch wird in jeder hl. Messe jenes Opfer, welches Christus am Kreuz dargebracht hat, gegenwärtiggesetzt und sakramental erneuert. Somit ist bei jedem Messopfer derselbe Opferpriester wie auch dieselbe Opfergabe gegeben wie bei Seinem Leiden und Sterben am Kreuz auf Golgota - Jesus Christus opfert sich selbst Seinem himmlischen Vater zu unserem Heil.

Zwar besteht zweifelsohne die numerische Einheit des Leidens und Sterbens Jesu Christi - Sein Sühnetod am Kreuz hat für alle Sünden der Menschen genüge getan, so dass Er nicht noch ein zweites, drittes oder weiteres Mal leiden müsste. Somit stellt das Opfer der hl. Messe keinesfalls eine vom Opfer Christi am Kreuz inhaltlich etwa abweichende Opferhandlung dar - beide sind ihrem Wesen nach identisch (nur dass es sich in dem einen Fall um ein blutiges und in dem anderen Fall um ein unblutiges Opfer handelt).

Das (göttliche) Mysterium besteht darin, dass das Kreuzesopfer im Messopfer weiterlebt und weiterwirkt, und zwar für alle jene, die damals vor ca. 2000 Jahren nicht unter dem Kreuz anwesend waren. Im Messopfer wird das Kreuzesopfer dargestellt und für alle, die erst danach leb(t)en, gewissermaßen erschlossen; durch das Messopfer wird uns der konkrete Zugang zum Kreuzesopfer gewährt. Hier fließt über uns, die wir ja erst jetzt real leben, auch eben erst jetzt ganz real das uns von unseren Sünden reinigende kostbare Blut Christi, welches Er am Kreuz für uns vergossen hat!

Aber trotz der zahlenmäßigen Einmaligkeit des historischen Leidens Christi vollzieht sich ja bei jeder hl. Messe wiederholt dieselbe eine Hingabe Jesu Christi an Seinen himmlischen Vater. Zwar ist das Opfern Christi wegen Seiner Göttlichkeit sehr wohl überzeitlich, d.h. über Raum und Zeit erhoben und erhaben. Aber es findet ja auch für uns, Menschen, immer wieder in der Zeit statt (durch die Messzelebration des katholischen Priesters). Somit entfaltet auch das Kreuzesopfer Christi im und durch das Messopfer immer wieder in der Zeit seine sühnende und heilbringende Wirkung (!), und dies unbeschadet der Tatsache, dass es historisch nur ein einziges Mal stattgefunden hat.

c) Im dritten Gebet nach der Konsekration betet der zelebrierende Priester: „Demütig bitten wir Dich, allmächtiger Gott: Dein hl. Engel möge dieses Opfer zu Deinem himmlischen Altar empor tragen vor das Angesicht Deiner göttlichen Majestät“. Ob nun unter diesem „Engel“ ein besonderer Opferengel zu verstehen ist oder Christus in dessen Mittlertätigkeit selbst, ist unabhängig davon festzustellen, dass die den allerersten christlichen Jahrhunderten entstammende kirchliche Liturgie davon ausgeht, im Himmel, in der Ewigkeit Gottes würde sich (ebenfalls) eine Liturgie vollziehen. Damit spielt die Kirche sicherlich auf die folgende Stelle des Hebräerbriefes an: „Die Hauptsache bei dem Gesagten ist: Wir haben einen Hohenpriester, der sich zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel niederließ. Er verrichtet den Dienst im Heiligtum, im wahren Zelt, das der Herr erbaut hat und nicht ein Mensch“ (Hebr 8,1f).

Und in seiner Geheimen Offenbarung sieht der hl. Apostels Johannes in einer Vision „mitten vor dem Thron und den vier Wesen und mitten vor den Ältesten ein Lamm dastehen, wie geschlachtet“. Es sollte „das Buch und seine sieben Siegel öffnen“ (vgl. Offb 5,5f). Offensichtlich besteht Christi „Dienst im Heiligtum“ nach diesen Zeugnissen der Heiligen Schrift gerade darin, dass Er in der Ewigkeit Gottes vor Seinem himmlischen Vater wie „ein Lamm dastehen, wie geschlachtet“ und insofern für uns „Fürsprache“ einlegt (vgl. Hebr 7,25), dass Er Ihm in opfernder Haltung (!) Seine Wunden präsentiert und uns dadurch die überreiche göttliche Barmherzigkeit erfleht. Somit wird hier Christi „Dienst im Heiligtum“, die himmlische Liturgie, eindeutig und aufs engste in Verbindung gebracht mit dem historischen Kreuzesopfer Jesu Christi!

Und wenn nun die katholische Kirche Gott im Kanon ausdrücklich darum bittet, das hier auf Erden und in der Zeit vollzogene Opfer der hl. Messe möge vor „das Angesicht Deiner göttlichen Majestät“ empor getragen werden, so möchte sie damit ihren festen Glauben zum Ausdruck bringen, dass sich in der irdischen (Opfer)Liturgie jene göttlich-himmlische (Opfer)Liturgie widerspiegelt, dass wir durch das gläubige Mitfeiern der hl. Messopfers auch am himmlischen Gottesdienst des geschlachteten Lammes teilnehmen, dass wir durch das hier auf Erden vollzogene Opfer auch im Himmel „durch Ihn vor Gott hintreten“ und somit an den überreichen Gnadenfrüchten des Erlöseraktes Jesu Christi am Kreuz partizipieren. Denn obwohl das Messopfer zahlenmäßig wiederholt dargebracht wird, wird in ihm auf sakramental-mystische Weise immer nur das zugleich einmalige wie überzeitliche Kreuzesopfer gegenwärtiggesetzt und erneuert!

So lebt dann auch in den (gültig geweihten) menschlichen katholischen Priestern das ewige Priestertum Jesu Christi weiter, denn die irdische Opferliturgie der hl. Messe bedeutet ja die Teilhabe an der überzeitlichen göttlichen Liturgie im Himmel, während welcher sich das „Lamm Gottes“, das „hinweg nimmt die Sünde der Welt“ (Joh 1,29), Seinem himmlischen Vater im geopferten Zustand darbietet. Bezeichnenderweise wird im Hebräerbrief unter den Besonderheiten des Priestertums Christi ausgeführt: „Hier aber ist einer, der in Ewigkeit bleibt und darum ein unvergängliches Priestertum hat. Darum vermag Er auch vollkommen die zu retten, die durch Ihn vor Gott hintreten. Er lebt ja immerdar, um Fürsprache für sie einzulegen“ (Hebr 7,24f).

d) Wenn aber in jeder hl. Messe das Kreuzesopfer gewissermaßen weiterlebt, dann muss auch die hl. Messe an sich denselben Stellenwert in der Heilsgeschichte haben und behalten. Wenn es sich in beiden Fällen um dieselbe liebende, selbstlose und stellvertretende Hingabe des Eingeborenen Sohnes Gottes zu unserem Heil handelt, dann beinhaltet das Messopfer u.a. auch dieselbe sühnende Kraft bzw. besitzt dieselbe sündentilgende Wirkung wie das Leiden und Sterben Jesu Christi am Kreuz! Und wenn uns aber das Kreuzesopfer „der Gewalt der Finsternis entrissen“ hat, dann muss auch dem Messopfer dieselbe Macht innewohnen, die diabolischen Kräfte der Unterwelt im Zaum zu halten, zu kontrollieren und schlussendlich auch zu überwinden!

Somit bewirkt jedes gültige und somit gottwohlgefällige hl. Messopfer, welches nach der unwandelbaren Anordnung der katholischen Kirche im überlieferten (vorkonziliaren) Ritus gefeiert wird, dass für uns, Menschen, sowohl die erlösenden göttlichen Gnaden gemehrt als auch die zerstörerischen teuflischen Einflüsse gemindert werden. („Denn Du bist geschlachtet worden und hast uns durch Dein Blut losgekauft für Gott aus allen Stämmen und Sprachen, Völkern und Nationen“ [Offb 5,9]). Daran sollte auch und besonders jeder Priester denken, wenn er sich anschickt, zum Altar Gottes zu treten und die hl. Messe zu zelebrieren.

Mag er sie bisweilen vielleicht sogar ganz allein feiern, hat sie dennoch einen enormen geistigen Wert und eine nicht zu übersehende (und nicht zu unterschätzende!) Bedeutung für die ganze Kirche und menschliche Gesellschaft! Denn durch die Darbringung des hl. Opfers wird für uns kraft der Selbsthingabe Christi nicht nur (jedes Mal von neuem) neues übernatürliches Leben in Gott geboren bzw. erworben und die göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe in unsere Herzen eingegossen, sondern es werden von den Menschen (ebenfalls jedes Mal von neuem) auch diabolische Mächte zurückgehalten, die ja uns nur Schaden zufügen wollen.

Somit stellt die tägliche Zelebration der hl. Messe sowohl eine Art ununterbrochene und sich ständig erneuernde Gnadenquelle als auch einen ständigen Schutz vor der Angriffen der Unterwelt dar. Durch das tägliche hier auf Erden gesprochene und vor allem gelebte „Suscipe“ und „Offerimus“ des Priesters (Anfangsworte der Opfergebete während der Opferung) treten wir auf der einen Seite auch vor dem himmlischen Altar „mit Zuversicht zum Thron der Gnade hin, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden, wenn wir der Hilfe bedürfen“ (Hebr 4,16), und auf der anderen Seite baut für uns dadurch letztendlich Christus selbst einen mächtigen Schutzwall gegen die Anfechtungen des „Fürsten dieser Welt“ (Joh 12,31) auf, welcher ja niemals ruht, um uns zu Fall und somit von Gott abzubringen.

Erkennen wir also, welchen enormen Wert die hl. Messe hat, lernen wir sie immer mehr zu schätzen und zu lieben. Und scheuen wir uns nicht, bisweilen auch lange und mühsame Anfahrtswege in Kauf zu nehmen, um an ihr an Sonn- und Feiertagen regelmäßig teilhaben zu können ...und zu dürfen. Denn wenn wir auch die mannigfachen Gnadenwirkungen des Messopfers auf unsere Seelen im einzelnen nicht unbedingt verspüren, so entfaltet es in unserem Leben trotzdem immer seine segensreiche wie diabolische Macht überwindende Kraft!
e) Und an dieser Stelle erkennen wir auch, welches große Verbrechen vor Gott, der Kirche und den Menschen es war und ist, dass dieses überlieferte Messopfer im Gefolge des Vatikanums II. von der „kirchlichen“ Obrigkeit stark zurückgedrängt und dann schlussendlich praktisch eliminiert wurde! Denn ein protestantisch anhauchendes Mahlgeschehen (die „neue Messe“), womit es ja im modernistischen Bereich „ersetzt“ wurde, ist - heilsgeschichtlich gesehen - eine ziemlich harmlose Veranstaltung und besitzt nicht im entferntesten die Segensmacht eines wahren hl. Messopfers!

Wenn aber heute das Opfer des Neuen und Ewigen Bundes nicht mehr im bisherigen Umfang dargebracht und somit keine Sühne für menschliche Sünden mehr geleistet wird, darf es uns dann noch wirklich wundern, wenn in unseren Breitengraden der gesunde katholische Glaube weiterhin stark nachlässt, die lebendige christliche Hoffnung abnimmt und die Gottesliebe erkaltet? Denn wenn keine ausreichende Gegenwehr mehr gegen die Einflüsse der Unterwelt erbracht und geleistet wird, nehmen diese zweifelsohne Überhand und entfalten praktisch hemmungslos ihr zerstörerisches Wirken!

Es möge sich jeder selbst darüber Gedanken machen, ob es Zufall war, dass praktisch zur selben Zeit, als die modernistischen „Reformen“ nach dem Tod von Papst Pius XII. so richtig gestartet wurden (vor allem mit dem Vatikanum II. [1962-1965] und den darauffolgenden Jahrzehnten), auch der sittliche wie glaubensmäßige Zerfall der Gesellschaft sehr stark zunahm (man denke da z.B. an die 68-er Revolution)! Denn wenn auch vorher bei weitem nicht alles Gold war, was glänzte, so stellt die Entwicklung danach doch offenkundig eine sprunghafte Zunahme von Glaubens- und Anstandsverlust, von Irrlehre und Aberglaube, von Sittenverrohung und -verfall, von falsch verstandener „Toleranz“ für teilweise sogar schwerst sündhafte Denkweisen und Handlungen (Ehebruch und Ehescheidung, eheliche Untreue und uneheliche Lebensgemeinschaften, „sexuelle Befreiung“, Homosexualität usw.)!

Es ist schon äußerst seltsam, dass diese negative Entwicklung ziemlich parallel zu jenen dogmatischen wie liturgischen „Reformen“ einsetzte, denen u.a. auch das heilige Messopfer zum Opfer fiel, welches früher von so vielen Priestern täglich dargebracht wurde, um die Menschheit ununterbrochen von der Macht des Teufels zu schützen und auf sie den göttlichen Segen herabzurufen!


P. Eugen Rissling


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