Piusbruderschaft im “Pantheon” des neuen Rom?

■ Bereits seit einigen Jahren führt ja die Priesterbruderschaft St. Pius X. (PB) Verhandlungen mit dem modernistischen Rom, um möglichst auch formell einen kirchenrechtlichen Status zu erhalten und somit in das Gefüge der “Konzilskirche” integriert zu werden. Nun wurde ihr dieses Jahr vom Vatikan eine so genannte “Dogmatische Präambel” (DP) vorgelegt, bei deren Unterschrift (bis zum 15. April 2012) sie bald einen Platz in der “Kirche” Benedikt XVI. finden würde. In dieser DP soll es inhaltlich um die Frage gehen, wie einzelne umstrittene Texte des offiziell genannten “2. Vatikanischen Konzils” (1962-1965) interpretiert werden dürften.
Obwohl der Inhalt dieser DP bisher nicht bekannt gegeben worden ist, wovon somit nur ein kleiner Kreis der Eingeweihten Kenntnis besitzt, heißt es in verschiedenen Berichten, Bischof Bernard Fellay, der Generalobere der PB, habe diese DP unterschrieben, indem er ihr einige Anmerkungen eigenerseits hinzugefügt hätte, und sie dann nach Rom übersand. Dort wurde der Eingang der betreffenden Sendung bestätigt. Jetzt werde eine Antwort Roms erwartet, von der abhänge, ob der bereits seit einigen Jahren zu beobachtende Annäherungs- und Verbrüderungsprozess der PB mit dem modernistischen Rom von “Erfolg” gekrönt werde oder nicht.
Wie man zuletzt hören konnte, gibt es anscheinend Differenzen innerhalb der Leitung der PB, wie weit man sich nämlich Rom annähern dürfe oder nicht. Es war zu vernehmen, dass die drei anderen Bischöfe der PB Bischof Fellay kürzlich in einem Briefwechsel davor gewarnt hätten, eine Einigung mit Rom einzugehen. Sie würden sinngemäß an der Ehrlichkeit und dem guten Willen Roms zweifeln. Anscheinend würden sich aber Bischof Fellay und P. Schmidtberger dennoch stark für eine solche Einigung aussprechen. Also scheint es ziemlich zu kochen und zu brodeln innerhalb der PB. Wie ist diese ganze Entwicklung zu bewerten?
■ In der Stadt Rom gibt es ja ein antikes Gebäude, welches gemeinhin als Pantheon bekannt ist. Dieses diente im heidnischen Rom als ein heidnischer Tempel, wobei es Altäre zur Ehre der zwölf von den Römern besonders verehrten Göttern (Die consentes) enthielt. (Später wurde dieser Tempel zu einer christlichen Kirche umfunktioniert und also solche benutzt.) Auch sonst war im antiken Rom die Religion sehr stark mit dem Staatswesen verbunden. Dabei war Rom an sich sehr tolerant gegenüber fremden Religionen, solange sie grundsätzlich zu ihren Göttern noch die heidnischen Götter Roms verehrten. Sie durften also sehr wohl ihren eigenen religiösen Praktiken nachgehen, sofern sie dabei auch die Religion des Römischen Staatswesens anerkannten. Wer sich jedoch widersetzte, galt als Verschwörer des Reiches und gefährdete das Reich - er wurde als eine direkte Bedrohung der Pax Romana angesehen.
Im klaren Unterschied zu den Anhängern verschiedenster heidnischer Religionen, die sonst noch im antiken Römischen Reich vertreten waren, weigerten sich eigentlich nur die Christen, die römischen Götter anzuerkennen und zu verehren. Dies verbot ihnen ihr Glaube an nur einen Gott, der in Jesus Christus in dieser Welt erschienen ist. Dieser Absolutheitsanspruch der Christen wurde von den anderen Bürgern nicht verstanden und unterschied sie auf eine sehr markante Weise von diesen. Die Verehrung der Götter, ob man an sie glaubte oder nicht, war so etwas wie eine Loyalitätsbezeugung gegenüber dem Staat. Deshalb entzündete sich der Unwille der römischen Bürger daran, dass sich die Christen von allen Gelegenheiten zurückzogen, bei denen offiziell den römischen Göttern geopfert werden musste, also von Theaterspielen, Hausfesten bei nichtchristlichen Nachbarn, Gerichtswesen. Diese konsequente Haltung führte dann auch immer wieder zum Ausbruch von Verfolgungen gegen sie.
Somit umfasste das System des heidnischen antiken Rom praktisch alle Religionen, wobei jeder bei seinem “Glauben” bleiben durfte, sofern und solange er als eine Art Bedingung die Götter Roms anerkannte und ihnen immer wieder wenigstens formal huldigte. Auf diese Weise hat Rom sowohl seinen politischen Herrschaftsanspruch als auch seine Dominanz in religiösen Angelegenheiten garantieren wollen.
Dagegen war für die Christen klar, dass sie ja ebenfalls zu einem Teil dieses heidnischen Systems würden, wenn sie zwar ihren Glauben an Christus eigentlich beibehalten dürften, zugleich aber auch die heidnischen Götter Roms verehren müssten. Allein dadurch schon würden sie ja das betreffende System als solches anerkennen, da sie ja zu einem Teil von ihm werden würden. Aus Liebe und Treue zu Jesus Christus als dem wahren und einzigen göttlichen Erlöser konnten sie bei einem solchen faulen Kompromiss bzw. bei einer solchen sich sehr wohl als “Klugheit” ausgebenden himmelschreienden Lüge auf keinen Fall mitmachen. Es ging ihnen also in einer solchen fundamentalen Frage in erster und entscheidender Linie um Gott, um das Prinzip und nicht um irgendwelche sonstigen praktischen Überlegungen oder Vorteile!
■ Wenn man nun das die aus dem Vatikanum II. hervorgegangene “Kirche” des jetzigen Benedikt XVI. analysiert, so weist sie ja nicht zu übersehende Ähnlichkeiten und Analogien zum System des alten heidnischen Rom auf. Ihre theologische Struktur besteht gewissermaßen aus zwei Ebenen, die ständig wechselseitig ineinander greifen. Auf der einen Ebene hält sie zwar offiziell und formal am Glauben an Jesus Christus als des Gottessohnes und Erlösers der Welt fest, fügt aber zugleich hinzu, dass das Heil auf eine höchst ordentliche Weise auch ohne Jesus und praktisch völlig unabhängig von Ihm erlangt werden könne.
So bringen ja v.a. ihre letzten zwei “Päpste” als ihre höchsten Vertreter fast ununterbrochen ihren “Respekt” und ihre “Hochachtung” z.B. vor dem (Christus ausdrücklich ablehnenden!) Judentum und dem (das Christentum vielerorts blutig bekämpfenden!) Islam zum Ausdruck und werden nicht müde zu versichern, wie sehr sie diese Religionen schätzten. Wenn Joseph Ratzinger eine Moschee als solche als einen “heiligen Ort” bzw. als ein “Heiligtum” bezeichnet, in welchem die “Gegenwart des Allmächtigen”1 erfahren werden könne, wenn er und sein “religiöser Verein” sich wiederholt ausdrücklich gegen eine Missionierung unter Juden ausgesprochen haben, weil ja der Alte Bund angeblich immer noch seinen Bestand habe bzw. seine Gültigkeit besitze, dann spricht er unmissverständlich einem System das Wort, in welchem praktisch jeder glauben könne, was er wolle. Die Hauptsache bzw. die entscheidende Bedingung dabei sei, er anerkenne gleichzeitig das oberste Prinzip, wonach niemand irgendeinen Absolutheitsanspruch stellen dürfe - das antike heidnische Rom lässt grüßen!
Und auf der anderen Ebene tritt die Struktur des Systems “Konzilskirche” bzw. “Ratzinger” insofern zu Tage, dass innerkirchlich alle “konservativen” bzw. “traditionalistischen” Gruppen bei der Aufnahme in das kirchenrechtliche Gefüge der modern-modernistischen “Kirche” als unbedingte Voraussetzung dafür die unmissverständliche Anerkennung des Vatikanums II. und des “Novus Ordo Missae” als der beiden obersten Prinzipien der “Konzilskirche” aussprechen müssen! Denn wenn sie sich nicht darauf verpflichten, haben sie keine Chance, in diese Organisation inkorporiert zu werden - das hat der jetzige Vatikan in seinen Vertretern mehrmals auch schon an die Adresse der Piusbruderschaft betont!
Somit kommen neben dem praktischen Verzicht auf einen Absolutheitsanspruch (auf der interreligiösen Ebene) bei der “Konzilskirche” auch das Vatikanum II. und die “neue Messe” (auf der innerkirchlichen Ebene) jenen Götzen des antiken heidnischen Rom gleich, denen man seine Verehrung entgegenbringen müsse, um vom System akzeptiert zu werden! Denn das Vatikanum II. und dessen geistiges Umfeld hat ja damit angefangen, die religiöse Beliebigkeit bzw. geradezu eine solche Huldigungsorgie in Richtung der nichtchristlichen Religionen zu fördern, die eigenerseits dann noch weiter zur Aufgabe des Absolutheitsanspruchs und somit des eigentlichen Glaubens an die Erlöserschaft Jesu Christi geführt haben!
■ Welche Bedingungen auch immer nun die Piusbruderschaft in ihren Gesprächen mit Rom aushandeln sollte, allein schon die Tatsache, dass sie in das betreffende System des modernistischen Rom eingebunden werden möchte, spricht Bände und ist verräterisch! Die frühe Kirche jedenfalls ist einen solchen Kompromiss nicht nur nicht eingegangen, sondern hat schon eine entsprechende Bemühung für sich allein genommen als einen Akt der praktischen Glaubensverleugnung abgelehnt.
Als eines der Argumente der Anhänger der PB, die sich für eine “Verbrüderung” mit Rom aussprechen, vernimmt man gelegentlich die Behauptung, man diskutiere ja mit Rom hauptsächlich über das Vatikanum II. und wolle eben erreichen, dass es im Lichte der Tradition ausgelegt werde dürfte. Nun, die Wahrheit an sich ist klar und unmissverständlich; und alles, was die Wahrheit bewusst nicht im klaren Licht erscheinen lässt, ist sozusagen des Teufels. So bestand ja auch keine Notwendigkeit, z.B. über die Texte des Tridentinischen Konzils lang bzw. überhaupt zu diskutieren, wie man sie nämlich auslegen sollte oder dürfte. Dort wurde alles so klar und so deutlich formuliert, dass jeder durchschnittlich intelligente Mensch verstehen konnte, was die Kirche lehrt und was sie als Häresie verurteilt.
Wenn aber das Vatikanums II. eine doppeldeutige Interpretationsmöglichkeit einiger seiner zentralen Texte zulasse, dann ist allein schon deswegen gegen diese Bischofssynode als solche ein ernster Verdacht zu schöpfen! Denn wenn jene Texte sowohl im modernistischen als auch im traditionalistischen Sinn deutbar seien, was ja praktisch auch seitens der PB wenigstens indirekt zugegeben wird, dann wollte man dort eben nicht die Wahrheit unmissverständlich formulieren, sondern offensichtlich irgendetwas verschleiern und somit die Gläubigen hinters Licht führen!
Und sogar wenn die PB vom Vatikan für sich schlussendlich die “Genehmigung” erhalten sollte, die umstrittenen Texte des Vatikanums II. sozusagen “im Lichte der Tradition” zu interpretieren, würde das nichtsdestoweniger bedeuten, dass andere, so etwa auch die “wildesten” Modernisten, dieselben Texte auch in einem entgegengesetzten Sinn auslegen dürften. Und die PB würde dann diesen faulen Kompromiss bzw. das betreffende Aufbegehren gegen die christlich-katholische Wahrheit allein schon durch ihre Teilhabe am “Pantheon”-System des modernistischen Rom praktisch tolerieren bzw. sogar indirekt fördern! Denn wer ein Teil eines Systems ist, kann sich nicht ehrlich und glaubwürdig gegen das System als solches auflehnen und es somit wirklich in Frage stellen bzw. ablehnen - es erfährt von ihm in jedem Fall eine moralische Unterstützung!
■ Ähnlich unrealistisch bzw. absurd ist die träumerische Hoffnung mancher PB-Anhänger bzw. -Priester, durch die offizielle Eingliederung in das kirchenrechtliche Gefüge der “Konzilskirche” würde man in die Lage versetzt werden, dann nicht mehr nur von außen, sondern sozusagen von innen heraus sowohl positiv auf die modernistisch gesinnten Mitglieder der offiziellen “Kirche” einzuwirken und sie zur Tradition zu führen als auch generell gegen die modernistischen Irrtümer vorzugehen.
Nun, hat schon jemand an die Adresse von überzeugten Katholiken die absurde Empfehlung abgegeben, zuerst den verschiedensten protestantischen “Kirchen” beizutreten, um dann halt deren Anhänger besser, sozusagen von innen heraus, zum Katholizismus führen zu können? Es sieht wohl jeder ein, wie unmoralisch und sittlich verwerflich es wäre, ein Bekenntnis zur (theologischen) Lüge abzulegen, um etwa taktisch besser an die Protestanten heranzukommen und ihnen dann die katholische Wahrheit zu predigen. Da erübrigt sich wohl jeder weitere Kommentar. Und gerade eine solche moralische Absurdität fordert man aber mit dem obigen Argument.
Außerdem ist es ein aus vielen entsprechenden Beispielen gewonnener menschlicher Erfahrungswert, dass bei einer Vereinigung zweier Gruppen die größere, einflussreichere, finanzstärkere Gesellschaft in der Regel mehr ihren Einfluss auf die kleinere ausübt als umgekehrt. Sehr oft sieht sich die kleinere Gemeinschaft einem Zwang zur Assimilation ausgesetzt und zieht dann meistens auch tatsächlich den Kürzeren.
Bereits im Jahr 1984 wurde seitens Roms ein Seminar für ehemalige Seminaristen aus der PB eingerichtet, die unbedingt in Einheit mit Rom stehen wollten. Was ist danach geschehen? Nach ca. zwei Jahren gab es dieses Seminar nicht mehr - wohl deshalb, weil es aus der Sicht Roms nicht genug an erhofften Absprünglern gegeben hat. Mit anderen Worten, Rom hat dieses Seminar nur ins Leben gerufen, um die PB zu schwächen und zu schädigen. An der Sache der Tradition selbst war es dabei offensichtlich nicht im Geringsten interessiert, denn als der erhoffte “Erfolg” ausblieb und somit das in es gesetzte destruktive Ziel nicht erreicht werden konnte, wurde es auch logischerweise geschlossen!
Bezeichnenderweise haben Vertreter der PB im Jahre 1988 selbst auf diesen Fall hingewiesen, als sie damals einigen ihrer ehemaligen Mitglieder sinngemäß Naivität vorwarfen und sie dafür kritisierten, weil diese von ihr absprangen und eben mit Hilfe Roms die Petrusbruderschaft gründeten. Nun stehen sie absurderweise selbst im Begriff, derselben Naivität zum Opfer zu fallen!
Und welche gewaltige und für jeden sichtbare Welle der Rückkehr zur Tradition innerhalb der “Konzilskirche” hat denn die besagte Petrusbruderschaft ausgelöst? Sie verpflichteten sich ja damals (ebenfalls), die Texte des Vatikanums II. “im Lichte der Tradition zu lesen”. (Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich dies damals in einer der offiziellen Stellungnahmen der Patres aus Wigratzbad gelesen habe.) Ihre Gründer bzw. die ersten Mitglieder waren ja (ehemalige) PB-Mitglieder, die ja in den Seminarien der PB ausgebildet wurden. Warum haben diese es denn nicht fertiggebracht, eine nennenswerte geschweige denn eine riesengroße Bewegung des Inhalts “Zurück zur Tradition” auszulösen? Mit welchem Recht bzw. sich auf welchen sachlichen Umstand stützend erwartet denn nun die PB, dass ihr jetzt so etwas gelingen werde?
Wo ist auch der durchschlagende Erfolg jener etwas kleineren Gruppierungen, die eine ähnliche Position einnehmen wie die Petrusbruderschaft und wie sie von der Kommission “Ecclesia Dei” betreut werden? Sie werden offensichtlich mehr oder weniger nur geduldet, da man sie ja noch braucht, um sich schlussendlich auch noch die Piusbruderschaft einzuverleiben. Würde es diese nicht mehr geben bzw. wäre aus römischer Sicht die Gefahr der Rückkehr zur nennenswerten und unabhängigen Opposition gegen die modernistischen Irrlehren als gering genug einzustufen, hätte man sie wohl alle schon längst aufgelöst.
Wie ersthaft es das heutige Rom dulden wird, dass man es kritisiert bzw. ihm vorschreibt, was tatsächlich katholisch sei, lässt sich an einem sich erst kürzlich ereigneter Vorfall ablesen. So ist auf www.kreuz.net vom 16.05.2012 zu lesen: “Die Päpstliche Kommission ‘Ecclesia Dei’ hat die Seite ‘disputationes.over-blog.com’ gebeten, zwei Artikel vom Netz zu nehmen. Das berichtete die Seite am Sonntag in einer kurzen Stellungnahme. Der Blog wird von Pater Stefano Carusi vom altgläubigen ‘Institut vom Guten Hirten’ betreut. Das Institut wurde in Frankreich von ehemaligen Patres der Priesterbruderschaft Sankt Pius X. gegründet.
Pater Carusi sagt nicht, wer den Zensur-Befehl unterschrieben hat: ‘Wir erhielten im Namen der Päpstlichen Kommission ‘Ecclesia Dei’ die Anordnung, zwei Artikel zu entfernen.’ Der Befehl sei ‘mit Drohungen’ verbunden gewesen, berichtet Pater Carusi, ohne Einzelheiten zu nennen. Die Zensurforderung betraf einen Artikel mit dem Titel ‘Sind der ‘Eigenritus’ und die ‘Hermeneutik der Kontinuität’ genug?’ und einen anderen mit dem Titel ‘Rom-Econe-Einigung: ‘Waren das Scherze?’‘
Der erste Artikel stammt vom 2. Mai. Darin geht es um die jüngste Visitation des Instituts. Der Text berichtet, dass der Sekretär von ‘Ecclesia Die’, Prälat Guido Pozzo, forderte, dass das Institut die Alte Messe als Eigenritus ‘ohne Exklusivität’ betrachte. Ferner verlangte der Prälat, die Kritik des Institutes am Katastrophen-Konzil abzuschwächen und den an mehreren Punkten falschen ‘Katechismus der Katholischen Kirche’ als Grundlage anzunehmen.
Beide Maßnahmen müssten in der Piusbruderschaft die Alarmglocken läuten lassen.
Der andere beanstandete Artikel stammt vom 6. September 2011. Dieser Text befasst sich mit der Frage einer praktischen Anerkennung der Bruderschaft ohne dogmatische Einigung. Der Artikel zitiert verschiedene Stellungnahmen von Amtsträgern der Piusbruderschaft, wonach eine Aussöhnung ohne lehrmäßige Übereinkunft ausgeschlossen sei.”
Da sieht man halt, wie viel an tatsächlich freiem Spielraum der PB im Falle einer Einigung mit Roms zugestanden werden wird. Sie wird im Pantheon-System der modernistischen “Konzilskirche” nur das Spektrum der konservativen Gläubigen bzw. der Traditionalisten abdecken müssen, um diese bei der Stange zu halten und so langsam der Assimilation zuzuführen bzw. auf Kurs zu bringen! Denn über allem schweben und herrschen ja beim Neuen Rom die zwei Obergötter “Vatikanum II.” und “Novus Ordo Missae” Pauls VI. mit ihren verschiedensten “Neuerungen” und Irrlehren im Denken und in der Liturgie, die dem gesamten restlichen “Götterhimmel” ihren Stempel aufdrücken. Will sich nun die Priesterbruderschaft tatsächlich mit solchen Geistern verbrüdern und somit nun auch formal ein Teil dieses neuen “Pantheon” werden?
■ Was einen ebenfalls extrem nachdenklich stimmt - um dies abschließend noch anzumerken -, sind gewisse Äußerungen von Bischof Fellay in Bezug auf das Vatikanum II., die er in der jüngeren Vergangenheit von sich gegeben hat und einen sehr nachdenklich stimmen. Zwar hat sich die PB seit Beginn ihrer Existenz regelmäßig durch gewaltige Widersprüche in Bezug auf das modernistische Rom hervorgetan, worauf wir in unserer Publikation ja ebenfalls bereits wiederholt hingewiesen haben. So anerkennt man ja seitens der PB auf der einen Seite absurderweise das modernistische Rom bzw. deren “Papst” als katholisch bzw. als rechtmäßig, obwohl man ihnen selbst durchgehend schwerwiegende Häresien vorgeworfen hatte, und verweigert ihnen aber auf der anderen Seite die echte Gefolgschaft bzw. den schuldigen Gehorsam, die der katholischen Kirche und deren rechtmäßigem Papst gegenüber seitens eines Katholiken an sich gebühren, obwohl man in ihnen ja ausdrücklich die katholische Kirche bzw. den rechtmäßigen Papst sieht - eine klassisch schismatische Gesinnung, für welche z.B. der hl. Papst Pius X. ganz sicher klare Worte gefunden hätte!
Dennoch hat man innerhalb der PB z.B. auch am Vatikanum II. über all die Jahre hindurch kein gutes Haar übrig gelassen, weil man es immer sinngemäß als eine wesentliche Quelle vieler Übel innerhalb des offiziellen modernistischen Katholizismus angesehen hatte. So kritisierte man ja auch seitens der PB ständig die dort verkündeten Irrlehren des Ökumenismus, Liberalismus und der (dem Irrtum ein Recht auf Existenz zubilligende) Religionsfreiheit, was ja einen klaren Bruch mit der bisherigen Theologie darstellte. Kürzlich kam mir eine akustische Aufnahme einer Rede von Erzbischof Marcel Lefebvre zu Ohren, in welcher er wiederholt das Vatikanum II. sogar als “apostatisch” bezeichnete!
Nun aber schockiert Bischof Fellay mit einer kürzlich in einem Interview getätigten Äußerung, die alles, was bisher gesagt worden ist, praktisch auf den Kopf stellt bzw. über den Haufen wirft: “Der Papst sagt, dass ... das Konzil in eine Reihe der großen Tradition der Kirche gesetzt werden muss, in Übereinstimmung mit ihr verstanden werden muss. Das sind Aussagen, mit denen wir völlig übereinstimmen, gänzlich, uneingeschränkt.” (www.catholicnews.com vom 11.05.2012.)
Gilt jetzt also die ganze bisherige Kritik am Vatikanum II. nicht mehr? Wurde jetzt auf ihm plötzlich doch keine richtige oder keine schlimme Häresie gelehrt, obwohl man es bisher selbst immer so dargestellt hatte? Wird nun sogar empfohlen, an seinen Aussagen so lange sophistisch “herum zu interpretieren”, damit als Ergebnis der eigenen glänzenden rhetorischen “Leistung” in dem Maße ein völlig neues “Konzil” herauskommt, dass man es dann z.B. zusammen mit dem Tridentinum “in eine Reihe der großen Tradition der Kirche” einordnen könne?
Hat denn Bischof Fellay überhaupt keine Selbstachtung, dass er historische Realitäten plötzlich auf eine solche alles andere als anständige Weise verdreht, wo man nur den Kopf schütteln kann über so viel Opportunismus und Taktieren? Hat er dann u.a. auch keinen Respekt vor seinen eigenen Gläubigen, weil er sie anscheinend für dumm verkaufen möchte und erwartet, dass sie ihm alles glauben, auch wenn sie dadurch selbst die letzten Reste der Grundlage ihrer theologischen Daseinsberechtigung aufheben?
Eine andere ähnliche Äußerung von Bischof Fellay: “Ich denke, wir sehen, dass viele Sachen, welche wir verurteilt haben als ob sie vom Konzil wären, sind aber tatsächlich nicht vom Konzil” (www.catholicnews.com vom 11.05.2011). Wenn es so ist, warum hat denn aber Bischof Fellay nicht viel viel früher auf eine solche bisher angeblich so unsachlich und unberechtigt geäußerte Kritik am Vatikanum II. reagiert? Und warum ist er der Sache nicht viel früher auf den Grund gegangen und hat öffentlich festgestellt, dass die bisherige Position der PB auf wackligen Füßen stehe? Warum ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt?
In jedem Fall wird ersichtlich, dass Bischof Fellay - wie auch immer man es drehen oder wenden möge - offensichtlich bewusst mit der Wahrheit spielt und sein Augenmerk weniger auf die theologische Problematik des Vatikanums II. oder des NOM richtet als auf irgendwelche andere Interessen, die ihn vielleicht sogar vordergründiger beschäftigen. Bleibt zu hoffen, beten wir auch darum, dass diese ganzen Widersprüche, in die man sich seitens der PB weiterhin und noch mehr verstrickt, auch bei deren eigenen Gläubigen dazu beitragen, dass ihre Augen geöffnet werden und sie den Mut und die Gnade finden, daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen und eine konsequente katholische Haltung einzunehmen. Denn nur wenn sie sich auch vor so manchen Halbwahrheiten und fragwürdigen “Argumenten” freimachen, die ihnen bisweilen auch von den eigenen Oberen aufgetischt werden, werden sie auch wirklich und konsequent für die wahre katholische Kirche eintreten können!

P. Eugen Rissling

1 Vgl. “Beiträge”/86, S. 7-16.

 

Zurück Hoch Startseite