Sakramentalien

(5. Teil)  4. Bilderweihe
a) Aus der Geschichte des Altertums wissen wir, dass bei aller Verschiedenheit zahlreicher heidnischer Religionen diese dennoch insofern einander ähnelten, dass ihre jeweiligen “Götter” nicht nur in mächtigen und eben Eindruck erweckenden Kräften und Gegebenheiten der Natur bestanden (Sonne, Donner, Berg usw.), sondern oft auch gerade von den Menschen selbst aus verschiedenen Materialien gefertigt und dann eben “angebetet” wurden. Und auch in den Büchern des Alten Testamentes lesen wir an verschiedenen Stellen, wie dann die heidnischen Völker gerade diese Artefakte, die ja nichts anderes als das Werk ihrer eigenen Händearbeit waren, eben als ihren eigentlichen “Gott” anerkannt und verehrt hatten. Diesen Zusammenhang zu beachten ist wichtig für unsere weiteren Ausführungen!
Genau so verhielt sich auch das alttestamentarische Israel einmal, als es vom wahren Gott abgefallen war und sich in einer geradezu klassischen Art und Weise dem heidnischen Götzenkult zugewandt hatte. “Als das Volk sah, dass Moses mit seiner Rückkehr vom Berg (Sinai - Anm.) zögerte, rottete sich das Volk bei Aaron zusammen und verlangte von ihm: ‘Auf! Mache uns einen Gott, der vor uns herzieht! Denn wir wissen nicht, was aus diesem Moses, dem Mann, der uns aus Ägypten geführt hat, geworden ist.’ Aaron antwortete ihnen: ‘Nehmt die goldenen Ringe ab, die eure Frauen, Söhne und Töchter an den Ohren tragen, und bringt sie mir!’ Das ganze Volk nahm die goldenen Ringe ab, die sie an den Ohren trugen, und brachte sie zu Aaron.
Der nahm sie von ihnen in Empfang, goss sie um und fertigte daraus ein gegossenes Kalb. Da riefen sie aus: ‘Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägypten geführt hat!’ Als Aaron das wahrnahm, errichtete er vor ihm einen Altar. Dann verkündete Aaron laut: ‘Morgen findet zu Ehren des Herrn ein Fest statt.’ Sie erhoben sich am anderen Morgen in der Frühe, opferten Brandopfer und brachten Friedopfer dar, und das Volk ließ sich nieder, um zu essen und zu trinken. Dann erhoben sie sich, um sich zu belustigen.” (Ex 32,1-6)
Selbstverständlich war dieser Götzendienst dem wahren Gott, der ja weder aus Stein, Holz oder Lehm noch aus irgend einem anderen chemischen oder physikalischen Element besteht, nicht genehm. So wurde dann auch das Volk Israel für seinen Glaubensabfall hart bestraft.
Um aber dem oben beschriebenen und weit verbreiteten heidnischen Götzenkult von vorne herein zu begegnen, erließ Gott im ersten der Zehn Gebote auch die folgende sittliche Anleitung: “Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten, dem Haus der Knechtschaft, weggeführt hat. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben! Du sollst dir kein Schnitzbild machen, kein Bild von dem, was oben im Himmel oder unten auf der Erde oder im Wasser unter der Erde ist! Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und sie nicht anbeten!” (Ex 20,2-5) Daraus leitete man dann auch das so genannte Bilderverbot des Alten Testamentes ab.
b) Daran hielt man sich anfangs auch in der Kirche Christi, der katholischen Kirche, zumal ja nicht nur deren Apostel, sondern auch die erste Generation der Gläubigen, zum Beispiel die Kirche in Jerusalem, überwiegend jüdischer Abstammung und somit in den Schriften des Alten Testamentes sehr bewandert war. Und noch in den ersten drei Jahrhunderten des Christentums stand man religiösen Bildern, den Darstellungen Christi und der Heiligen, sehr skeptisch gegenüber, zumal man sich ja auch noch in der Auseinandersetzung mit dem Heidentum befand und sich von diesem somit auch abgrenzen musste!
“In manchen Kreisen bestand indessen, wie namentlich die Malereien in den Katakomben Roms und anderwärts zeigen, schon länger eine andere Auffassung, so dass durchaus nicht schlechtweg von ‘Bilder- und Kunsthass’ der alten Christen geredet werden kann. Mit dem Untergang des Heidentums fiel auch der Hauptgrund weg, der zu einer schrofferen Haltung bestimmen konnte, und so kamen die religiösen Darstellungen seit dem 4. Jahrhundert mehr und mehr in Gebrauch. Man schätzte sie als Mittel zum Schmuck der Gotteshäuser zur Belehrung und Erbauung der Gläubigen. Wir hören aber auch von Adoration, das heißt Verehrung der Bilder.” (Bihlmeyer, K., Tüchle, H., Kirchengeschichte. Verlag Ferdinand Schöningh 1962, Band I, S. 363) (So dienen ja auch bis heute schön ausgemalte Kirchen dem gläubigen Volk oft als eine Art Bilder-Katechismus, der an die Wahrheiten des Glaubens erinnert und in uns die Sehnsucht zum Übernatürlichen und Göttlichen weckt!)
Und wie auch sonst oft im Leben wurden bisweilen auch hier Missbrauchsfälle bekannt. Aber gegen eine solche eindeutig übertriebene Bilderverehrung erhoben dann auch solche Männer ihre kritische Stimme, die sonst den (richtigen) Gebrauch religiöser Bilder verteidigten, wie zum Beispiel der hl. Gregor der Große (Ep. IX, 105; XI, 13).
Insgesamt aber rechtfertigte man den gesunden Gebrauch und die legitime Verehrung der bildlichen Darstellungen Jesu Christi, Marias und anderer Heiliger mit dem entscheidenden Argument, dass nämlich die Verehrung der Bilder durch die Christen ja nicht den Bildern selbst gelte, sondern - im entscheidenden Unterschied zum Heidentum! - den auf ihnen dargestellten Personen! Die Verehrung des sichtbaren Abbildes einer sich in der Ewigkeit befindenden Person gilt letztendlich dieser Person selbst und niemals dem Bild oder der Statue als dem betreffenden physikalisch-materiellen Abbild!
So führt zum Beispiel der hl. Johannes von Damaskus, der sich als Theologe stark für die Bilderverehrung eingesetzt hatte, aus: „Ich verehre die Materie (einer Ikone - Anm.), nicht als wäre sie Gott, sondern insofern sie von göttlicher Energie und Gnade erfüllt ist“ (Mansi 13, 277 DE). Oder: „Den materiellen Dingen als solchen gebührt keine Verehrung. Wenn aber der, den die Ikonen darstellen, von Gnade erfüllt war, dann erhalten auch sie Anteil an dieser Gnade, nach Analogie des Glaubens“ (ebd., 336 E.).
So sollen zum Beispiel bei einer bildlichen Darstellung Christi keinesfalls Holz, Stein oder Farben irgendwelche Verehrung seitens der Menschen erfahren, sondern niemand anders als Jesus, der göttliche Erlöser, selbst! Und bei den Bildnissen der Heiligen beten wir ebenfalls nicht zu irgendwelchen Dingen oder Materialien, sondern bitten die im Himmel am Throne Gottes weilenden Heiligen um ihre wirksame Fürsprache für uns!
Nochmal: Mit dem historisch weitestgehenden Untergang und der theologischen Überwindung des Heidentums fiel auch die virulente Gefahr weg, irrtümlicherweise anzunehmen, der wahre Gott sei ein dingliches Wesen. Wie Jesus in den Evangelien immer wieder von Seinem “himmlischen Vater” spricht (Mt 7,21; 10,32; 15,13) und uns im so genannten Herrengebet ausdrücklich beten lässt: “Vater unser, der Du bist im Himmel” (Mt 6,9), so wurde es für die Christen unbestreitbar, dass Gott keinesfalls irgendein Ding sein kann, sondern ohne Zweifel ein Geistwesen ist!
Und dem oft erhobenen Vorwurf der Gegner, dass Gott als reines Geistwesen ja überhaupt nicht darstellbar sei, begegnet der hl. Johannes von Damaskus folgendermaßen: „In alter Zeit wurde Gott, der keinen Körper und keine Gestalt besitzt, bildlich überhaupt nicht dargestellt. Jetzt aber, da Gott im Fleische sichtbar wurde und mit den Menschen umging, kann ich das an Gott sichtbare Bild darstellen. Ich bete nicht die Materie an, sondern ich bete den Schöpfer der Materie an, der um meinetwillen selbst Materie wurde und es auf sich nahm, in der Materie zu leben, der mittels der Materie meine Rettung ins Werk setzte.“ (vgl. E. Dumoutet, Le désir de voir l‘hostie et les origines de la dévotion au Saint-Sacrement, Paris 1926)
Somit war die christliche Bilderverehrung als solche theologisch legitimiert und widersprach keinesfalls dem alttestamentarischen strikten Bilderverbot. Zumal ja im Buch Exodus des Alten Testamentes berichtet wird, dass das heilige Zelt des Heiligtums auf eine ausdrückliche Anordnung Moses’ hin selbst zwei aus Gold gefertigte Cherubim-Figuren an den beiden Enden der Sühnestätte enthielt, so dass sie “ihre Flügel nach oben hin ausgebreitet hielten und so zugleich mit ihren Flügeln die Sühnestätte überdeckten” (Ex 37,7-9)!
c) So hatte sich die Bilderverehrung im Laufe der Zeit besonders in der griechischen Kirche fest eingewurzelt “und war, namentlich von den Mönchen, den geistlichen Führern des Volkes, geübt und gefördert, gleichsam zu einem Stück der Religion selbst geworden. Aber auch die Gegnerschaft, die darin ein Zugeständnis an das Heidentum und wegen der Undarstellbarkeit des Göttlichen einen christologischen Irrtum erblickte, war keinesfalls erloschen; dazu kamen allerlei Missbräuche und abergläubische Auswüchse, die sich mit dem Bilderdienst verbanden.” (Bihlmeyer, Tüchle, ebd. Band II, S. 96)
Ab 726 begann dann eine heftige Auseinandersetzung um die Zulässigkeit der Bilderverehrung. Ausgelöst wurde sie durch den verdienten Soldatenkaiser Leo III., genannt der Isaurier, der für die Entfernung bzw. Unsichtbarmachung religiöser Bilder eintrat. Dazu bewog ihn unter anderem auch eine gewisse Rücksichtnahme auf die Moslems und Juden, zumal er als autokratischer Herrscher, da er zugleich “Kaiser und Hohepriester” sein wollte, besonders die Kirche und die freiheitlich gesinnten Mönche in allem seiner Macht unterwerfen wollte.
“Einige Bischöfe in Kleinasien ... billigten das Vorgehen Leos. Die Mehrheit der Geistlichkeit und des Volkes und das ganze Mönchtum war aber dagegen. Außerhalb des Reiches erstand den Bildern ein gelehrter und einflussreicher Verteidiger in Johannes von Damaskus, Mönch im Sabakloster bei Jerusalem. Das Verhalten des Kaisers rief große Aufregung und sogar Volksunruhen hervor. Aber Leo scheute, gestützt auf das Militär, vor Gewaltmaßregeln nicht zurück. Ein Gegenkaiser, den man in Griechenland ausrief, wurde überwunden. Nunmehr erließ der Kaiser ein Edikt, das die Zerstörung der Bilder anordnete (730). Da der Patriarch Germanus von Konstantinopel seine Zustimmung verweigerte, musste er einem gefügegeren Nachfolger Anastasius weichen. (Bihlmeyer, Tüchle, ebd. Band II, S. 97)
Im Abendland leistete man erfolgreicher Widerstand gegen die Bilderstürmerei. Papst Gregor II. (715-731) mahnte den Kaiser in zwei scharfen Schreiben davon ab und wies seine Einmischung in dogmatische Fragen, die zu entscheiden ausschließlich Sache der Bischöfe sei, zurück. Sein Nachfolger Gregor III. (731-741) belegte gleich im ersten Jahr seines Pontifikates alle, die die religiösen Bilder zerstören, entweihen und schmähen, mit der Exkommunikation.

(Fortsetzung folgt)

P. Eugen Rissling

 

 

 

 

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