Sakramentalien

  (6. Teil)  4. Bilderweihe - Fortsetzung
d) Leos Sohn Konstantin V. Kopronymus ging noch schärfer gegen die Heiligenbilder vor. Er versammelte dann 754 eine Synode in Konstantinopel, die nach seinem Wunsch den Bildersturm sanktionierte und die Bilderverehrung als Satanswerk und neuen Götzendienst erklärte.
“Die Beschlüsse der Synode wurden vom Kaiser rücksichtslos durchgeführt. Alle Bischöfe des Reiches mussten ihnen schriftlich zustimmen. Allenthalben wurden die Bilder aus den Kirchen entfernt, vielfach zerstört, die Wandgemälde und Mosaiken übertüncht und durch profane Darstellungen (Bäume und Vögel) ersetzt. Den Mut des Widerstandes gegen den brutalen Despotismus hatten fast nur die Mönche. Sie wurden seit 761 mit barbarischer Grausamkeit verfolgt, viele Klöster in Kasernen und Arsenale verwandelt, das Klostergut entzogen; auch an Martyrern der Bilderverehrung fehlte es nicht (Abt Stephan ✝764 u.a.). Scharen von Mönchen wanderten nach dem Westen aus. Es änderte nichts an der Lage, dass sich die Patriarchen von Antiochien und Jerusalem für die Bilder erklärten und Papst Stephan III. auf der Lateransynode 769 die ikonoklastische (bilderstürmende - Anm.) ‘synodus execrabilis’ (‘verabscheuungswürdige Synode’ - Anm.) von 754 mit der Exkommunikation belegte.” (Bihlmeyer, K., Tüchle, H., Kirchengeschichte. Verlag Ferdinand Schöningh 1962, Band II, S. 98)
Unter Kopronymus’ Sohn und Nachfolger Leo IV Chazarus (775-780) wütete die Verfolgung nicht mehr so extrem, obwohl sie immer noch bestand. Aber erst in der Zeit, da Leo IV. starb und seine Witwe Irene die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Konstantin VI. übernahm (780-790), trat der entscheidende Umschwung ein. Sie, die  schon vorher dem Bilderkult huldigte, ließ jetzt zu, dass jedermann ungestört Heiligenbilder herstellen und verehren durfte. Um aber den Kirchenfrieden völlig wiederherzustellen, ließ sie mit Hilfe des Patriarchen Tarasius von Konstantinopel und im Einvernehmen mit Papst Hadrian I. ein neues, wirklich Ökumenisches Konzil einberufen, das siebente in der Reihe.
Dieses, zu welchem auch zwei päpstliche Legaten entsandt wurden, kam erst 787 in der altberühmten Stadt Nicäa zustande, in welcher ja auch schon das Erste Ökumenische Konzil von 325 durchgeführt wurde. Die letzte, achte, Sitzung dieses 2. Konzils von Nicäa fand dann in Gegenwart Irenes und ihres noch minderjährigen Sohnes in Konstantinopel statt.
In Bezug auf “das Bild unseres Herrn und Gottes und Erlösers Jesus Christus, unserer unbefleckten Herrin, der heiligen Gottesgebärerin, der ehrwürdigen Engel und aller heiligen und frommen Menschen” wurde dann auf diesem Konzil folgendes beschlossen: “Je häufiger sie nämlich durch eine bildliche Darstellung angeschaut werden, desto häufiger werden auch diejenigen, die diese betrachten, emporgerichtet zur Erinnerung an die Urbilder und zur Sehnsucht nach ihnen, und dazu, dass sie diesen einen Gruß und achtungsvolle Verehrung zuwenden, nicht jedoch die nach unserem Glauben wahre Anbetung, die allein der göttlichen Natur zukommt, sondern so, wie man der Darstellung  des kostbaren und lebendigmachenden Kreuzes, den heiligen Evangelien und den übrigen heiligen geweihten Gegenständen Weihrauch und  Lichter  zu  ihrer Verehrung dar-bringt, wie es auch bei den Alten fromme Gewohnheit gewesen ist. ‘Denn die Verehrung des Bildes geht über auf das Urbild’ (Basilius der Große, De Spiritu Sancto 18, n. 45), und wer das Bild verehrt, verehrt in ihm die Person des darin Abgebildeten.”
Somit stellt das Konzil fest, dass wir den Jesus- und Heiligenbildern selbst (als äußeren Gegenständen!) nur Verehrung, nicht aber Anbetung entgegenbringen dürfen. Denn anbeten können und sollen wir natürlich allein Gott! Aber diese von der Kirche gewünschte richtige Verehrung schließt dann  auch ein, dass man vor dem Heiligenbild nicht nur den verehren und den um Fürsprache bitten darf, dar darauf abgebildet ist, sondern sich vor einer solchen Ikone etwa auch verneigen, sie küssen und beweihräuchern darf.
Zugleich verurteilte das Nicänum II. das häretische Verhalten, “etwas von dem wegzuwerfen, was der Kirche geweiht wurde, ein Evangelienbuch, eine Abbildung des Kreuzes, eine bildliche Darstellung oder eine heilige Martyrerreliquie”. Und es wurde bestimmt, “wenn es sich um Bischöfe oder Kleriker handelt, sie abzusetzen, wenn aber um Mönche oder Laien, sie aus der (kirchlichen - Anm.) Gemeinschaft auszuschließen”! (Übersetzung nach Denzinger, H., Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. Herder 1991, S. 276f.)
So seltsam es auch war, aber im Frankenreich Karls des Großen wehrte man sich noch eine Weile lang, die Beschlüsse des 2. Konzils von Nicäa anzunehmen. Der Grund dafür lag in der mangelhaften Übersetzung der Konzilsakte aus dem Griechischen ins Lateinische, welche den Unterschied zwischen Anbetung und Verehrung verwischte. So kam es da zunächst zu gewissen Irritationen, die durch eine präzisere Übersetzung behoben werden konnten.
Aber auch im Orient wurden die Beschlüsse von Nicäa bald in Frage gestellt. Kaiser Leo V. der Armenier (813-820) erneuerte 815 den Ikonoklasmus, und die bilderfeindlichen Beschlüsse von 754 wurden wiederhergestellt. Die Verfolgung dauerte fast drei Jahrzehnte an. Besserung trat dann wieder erst unter der Regentschaft der Kaiserinwitwe Theodora ein. Auf einer Synode in Konstantinopel 843 wurde dann den Bildern wieder zu ihren Rechten verholfen.
e) Damit aber ein Heiligenbild bzw. eine Ikone der entsprechenden kirchlichen Verehrung zugeführt werden kann und man vor ihm bzw. ihr erst beten darf, muss sie von einem Priester (nach einer bestimmten kirchlich vorgeschriebenen Segensformel) unbedingt geweiht werden! Denn ohne diese priesterliche Segnung ist sie lediglich ein Kunstwerk, mit ihr aber stellt sie ein Abbild der himmlischen Welt dar!
Nach der wie bei jeder Segnung erfolgenden Einleitung: “Unser Hilfe ist im Namen des Herrn” - “Der Himmel und Erde erschaffen hat”; “Herr, erhöre mein Gebet - Und lass mein Rufen zu Dir kommen”; “Der Herr sei mit euch - Und mit deinem Geiste” folgt das eigentliche Weihegebet: “Lasset uns beten: Allmächtiger, ewiger Gott! Du verbietest es nicht, Bildnisse Deiner Heiligen zu schnitzen oder zu malen; denn so oft wir diese Bilder mit den leiblichen Augen ansehen, sollen wir die Taten Deiner Heiligen und deren Tugenden mit den Augen des Geistes zur Nachahmung betrachten. Daher bitten wir, segne gnädig und heilige dieses Bildnis, das zur Ehre Deines Eingeborenen Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus (oder der seligsten Jungfrau Maria, der Mutter unseres Herrn Jesus Christus oder des heiligen Apostels N., oder des heiligen Blutzeugen N., oder des heiligen Bischofs N., oder des heiligen Bekenners N., oder der heiligen Jungfrau N., oder der heiligen Blutzeugin N.) angefertigt ist, und gib, dass jeder, der davor Deinen Eingeborenen Sohn (oder die seligste Jungfrau, oder den glorreichen Apostel, oder den heiligen Blutzeugen, oder den heiligen Bischof, oder den heiligen Bekenner, oder die glorreiche Jungfrau, oder die glorreiche Blutzeugin) demütig verehrt und verherrlicht, durch dessen (deren) Verdienste und Vermittlung Gnade von Dir in der Gegenwart und die ewige Herrlichkeit in der Zukunft erlange. Durch Christus, unseren Herrn. Amen.
Zum Abschluss besprängt dann der Priester die geweihten Heiligenbilder mit dem Weihwasser, welches ihnen gewissermaßen auch die eigene reinigende und segnende Kraft beigibt!
Somit besteht die richtige Bilderverehrung nicht allein in deren rein äußerem Aufstellen in unseren Kirchen und Privathäusern - das wäre noch ungenügend -, sondern in der Bemühung, “die Taten” der (betreffenden) Heiligen nachzuahmen und “deren Tugenden” nachzueifern! Und werden dann sowohl Jesus Christus als auch Seine gnadenvolle Mutter Maria sowie die anderen Heiligen von uns vor deren geweihten Bildnissen und Skulpturen “demütig verehrt und verherrlicht”, dürfen wir in christlicher Hoffnung darauf vertrauen, von ihnen kraft ihrer “Verdienste” bzw. auf ihre wirksame Gebets-“Vermittlung” hin vom himmlischen Vater reiche “Gnade ... in der Gegenwart” und “die ewige Herrlichkeit in der Zukunft” zu erlangen. Denn die Heiligen treten für uns vor dem himmlischen Thron der göttlichen Gnade gern fürbittend ein, insbesondere wenn wir sie in unseren Gebeten ausdrücklich darum bitten.
f) Daran erkennt man, welches wunderbare Gnadenmittel eine Christus- bzw. Heiligenikone ist, wenn wir sie nämlich in Entsprechung zur kirchlichen Lehre behandeln, was nichts anderes heißt, als dass wir bewusst vor ihr beten. Die geweihte Ikone vergegenwärtigt somit dem Gläubigen in geistiger Hinsicht die Realität und die Anwesenheit des jeweiligen Heiligen im einzelnen und der gesamten himmlischen Welt im allgemeinen! Es ist ja wohl nicht zufällig, dass sich ein Katholik gern vor einem Bild des Heiligsten Herzens Jesu hinkniet, wenn er besonders um Gottes Gnade und Barmherzigkeit (für sich und die anderen) fleht. Denn man wendet sich ja hier dem durch das geweihte Bild präsent vermittelten göttlichen Erlöser zu!
An die Statue bzw. das betreffende Bild der Muttergottes von Fatima richtet man sich dann gern, wenn man (etwa beim Rosenkranz) um die Bekehrung der Sünder beten möchte; zumal ja Maria gerade bei der betreffenden Erscheinung im Jahre 1917 zum verstärkten Gebet in diesem Anliegen aufrief. Und da zum Beispiel der hl. Josef der Patron der Kirche ist, ist es für uns wie selbstverständlich, dass wir vor seiner geweihten bildlichen oder Skulpturdarstellung in den verschiedenen Intentionen der katholischen Kirche bitten.
Es sei hier angemerkt, dass dieses Element der Gegenwart der auf den Ikonen dargestellten Personen in der Ostkirche (etwa im Byzantinischen Ritus) noch stärker ausgeprägt ist als in der Römischen (West)Kirche. Dort ist es nämlich üblich bzw. wird von den Gläubigen sogar erwartet, dass man die Ikonen mit einer tiefen Verbeugung begrüßt und sich vor ihnen bekreuzigt. Im Kirchenraum werden vor ihnen brennende Kerzen aufgestellt, sie werden geküsst und beweihräuchert. Nicht selten werden sie auch in der Art in Prozessionen getragen, wie wir es im Römischen Ritus vom Allerheiligsten Altarsakrament (in der Monstranz) her kennen.
Während man im Westen beim Heiligenbild die Betonung mehr auf die Darstellung christlicher Glaubensinhalte legt, werden sie im Osten als das Abbild des himmlischen Urbildes aufgefasst. So wie uns das verkündete Wort des Evangeliums in Berührung mit dem Heil bringt, so vollzieht sich dieselbe Art der Heilsvermittlung bei den Ikonen optisch. Sie werden als Zugang von dieser Welt hinüber zum Jenseits, zur himmlischen Welt angesehen. Daher begegnet man ihnen auch weniger bzw. kaum als einem Kunstwerk irgendeines Künstlers, sondern als einem Fenster zur Ewigkeit - die auf ihnen abgebildeten Personen sind da für die Gläubigen (wegen der Weihe!) mehr als nur ideell gegenwärtig!
Bezeichnenderweise werden Jesus Christus und die Heiligen auf den ostkirchlichen Ikonen oft auf einem goldenen Hintergrund dargestellt. Dieses Gold symbolisiert das Paradies, den Himmel, die Ewigkeit, aus welcher dann der betreffende Heilige gewissermaßen heraustritt bzw. in der Ikone für uns sichtbar erscheint. Und wenden wir uns dann im Gebet an diese Heiligen, fungieren sie als eine Art Brücke zwischen Ewigkeit und Zeitlichkeit, zwischen Himmel und Erde. Es ist nicht zu übersehen, dass das ostkirchliche Ikonenverständnis gewisse Elemente der westkirchlichen Eucharistieverehrung beinhaltet.
Daher ist es auch nicht zufällig, dass die Ikonenmalerei im Osten auch strengeren Vorschriften unterliegt, was die so genannte “künstlerische Freiheit” angeht. Da ist es praktisch unmöglich, eine Ikone komplett frei zu “entwerfen”, sie der schöpferischen Phantasie des Künstlers zu überlassen - ohne dass sie nach einer so genannten historischen Vorlage gemalt werde. Somit hat die östliche Ikonenmalerei im Lauf der Jahrhunderte ganz genau die Malweise der Ikonen festgelegt, was nämlich den Aufbau, die Farben und den Stil betrifft. Davon darf es keine großen bzw. nennenswerten Abweichungen geben.
Ebenfalls interessant ist, dass die Ikonen da immer unter Gebet und Fasten gemalt werden müssen. Dem oft anonymen Künstler muss bewusst werden, dass er ein heiliges Bild malt, welches dann durch die Weihe des Priesters zu einer Art Fenster der Ewigkeit wird. Halten auch wir die geweihten Bilder und Statuen, die sich in unseren Kirchen, Kapellen und Privathäusern befinden, stets hoch in Ehren, damit uns dann durch die “Verdienste” und die “Vermittlung” der darauf abgebildeten Heiligen “Gnade” von Gott “in der Gegenwart und die ewige Herrlichkeit in der Zukunft” geschenkt werden. “Durch Christus, unseren Herrn. Amen.”

P. Eugen Rissling


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