Gottes Erbarmen hilft dem reumütigen Menschen

 
Herr, ich bin Deines Trostes und Deiner geistlichen Heimsuchung nicht wert. Darum verfährst Du gerecht mit mir, wenn Du mich hilflos und ohne Trost läßt. Könnte ich auch ein ganzes Meer von Reuetränen vergießen, so würde ich doch noch Deines Trostes nicht wert sein. Ich verdiene geschlagen und gestraft zu werden; denn oft und schwer habe ich Dich beleidigt und mich in vielem sehr verfehlt. Wenn ich alles aufrichtig bedenke, bin ich auch nicht des geringsten Trostes wert.

Aber Du, milder und barmherziger Gott, willst Deine Werke nicht zugrunde gehen lassen, vielmehr das Übermaß Deiner Güte an uns Sündern als „dem Gefäß Deiner Barmherzigkeit“ (Röm. 9,23) offenbaren. Deshalb läßt Du Deinem Diener ohne sein Verdienst über alles Menschenmaß hinaus Trost zukommen. Deine Tröstungen aber sind nicht wie die Trostworte der Menschen.

Herr, womit habe ich verdient, dass Du mir himmlischen Trost spendest? Ich erinnere mich nicht, etwas Gutes getan zu haben, wohl aber, dass ich von jeher schnell geneigt zum Bösen und träge zum Guten gewesen bin. Das ist die Wahrheit, ich kann es nicht leugnen. Spräche ich anders, so stündest Du gegen mich auf, wer sollte mich verteidigen?

Habe ich für meine Sünden etwas anderes verdient als die Hölle und das ewige Feuer? Aufrichtig bekenne ich, dass ich Spott und Verachtung jeder Art verdiene und nicht wert bin, zu Deinen Getreuen gezählt zu werden.

Ich höre es zwar ungern, aber um der Wahrheit willen muß ich mich zu meinen Sünden bekennen, damit ich im so leichter Gnade und Erbarmen bei Dir finde.

Was soll ich sagen, da ich schuldbeladen und tief beschämt bin? Ich getraue mir nur, dies Eine auszusprechen: Ich habe gesündigt, Herr, ich habe gesündigt; erbarme Dich meiner, verzeih mir. Schenk mir eine kleine Weile, dass ich meinen Schmerz ausweine, ehe ich in das Land hinabgehe, das finster und mit Todesschatten bedeckt ist (vgl. Job 10,20, 21).

Was verlangst Du denn von einem schuldigen, elenden Sünder? Vor allem, dass er sein Vergehen in Demut bereue.

Aus einer echten Reue und Verdemütigung des Herzens erwächst die Hoffnung auf Vergebung und die Aussöhnung des zerquälten Gewissens mit Gott. Die verlorene Gnade wird wiedergefunden, und der Mensch vor dem drohenden Zorn in Schutz genommen. Da begegnen sich Gott und die reuige Seele in heiligem Kuss.

Die demütige Reue des Sünders ist Dir, Herr, ein annehmbares Opfer. Es duftet vor Deinem Angesicht weit lieblicher als Weihrauch. Sie ist das wohlriechende Salböl, das Du auf Deine heiligen Füße ausgießen läßt; denn ein demütiges und reuiges Herz hast Du noch niemals verschmäht. In einem solchen Herzen ist die Zufluchtsstätte vor dem Grimme des bösen Feindes. Hier wird alles geläutert und abgewaschen, was die Sünde zerrüttet und befleckt hat.

 

Aus: Nachfolge Christi,Thomas von Kempen, 3.Buch, Kapitel 52


 

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