Weihnachten

Für einen Katholiken ist Weihachten nicht bloß ein längst vergangenes Ereignis, sondern eine tiefe Wirklichkeit, die sich auch heute ereignet. Das Geschehen von Bethlehem wird uns in der Weihnachtsmesse feierlich verkündigt, aber dabei allein bleibt es nicht. Jeder Christ weiß, daß Sein Herr nicht nur einmal vom Himmel herniedergestiegen ist, um dann diese Erde für alle Zeit wieder zu verlassen. Nein, Er bleibt unter uns, ja in jeder heiligen Messe wird seine Gegenwart neu im Sakrament des Altares Wirklichkeit. Jesus Christus ist und bleibt der Opferpriester der Kirche.

Mit den Hirten eilt daher der Gläubige zur Krippe Seines Herrn, mit den Engeln vereinigt er sich bei jeder heiligen Messe zu einem Lob- und Dankgesang, und er nimmt auch teil an den Entbehrungen Seines Herrn. Über der Krippe erscheint ihm schon das Kreuz, aber ebenso die Freude der Auferstehung und Erlösung, die uns die Menschwerdung Jesu Christi geschenkt hat. Mit Seinem Meister opfert deshalb auch der Katholik an der Krippe des Altares sein ganzes Leben, Mühen und Sterben auf und bittet zugleich um Kraft für alle Prüfungen seines Lebens, die der liebe Gott ihm noch aufzuerlegen für gut befindet.

Wir sind nicht auf dieser Erde, um es uns gemütlich zu machen, und die Gnade dieser Erkenntnis schenkt uns vor allem der arme Stall von Bethlehem. Er ist zwar Behausung für die reichste Familie geworden, die jemals auf dieser Erde gelebt hat, aber er verströmt nicht jene Behaglichkeit und sinnliche Wärme, die man sich eigentlich in einer kalten Winternacht wünscht.

Würde nicht aller irdische Reichtum vom eigentlichen Reichtum dieser heiligen Nacht ablenken? Ist nicht gerade die Armut einer solchen Umgebung für den König Himmels und der Erde allein würdig genug? Hätten die Hirten auf den Feldern in einer anderen Umgebung den Gesang der Engel und das “Siehe, ich verkünde euch eine große Freude” überhaupt vernehmen können?

In Jerusalem haben die Weisen aus dem Morgenland den Stern nicht mehr sehen können. Hier lebten zwar die Schriftgelehrten und Priester, aber vom neugeborenen König haben sie nichts gewußt. Hat das Kreisen um irdischen Ruhm und irdischen Reichtum in dieser Umgebung die Erkenntnis des neuen Lichtes des Sternes verhindert?

Mit der heiligen Familie zieht der Gläubige nach Ägypten, einen gefahrvollen, unsicheren Weg, der aber durch das Gebot Gottes gewiesen wird. Er erlebt, daß auch heute für den wahren Herrn und König oft dort kein Platz ist, wo man es eigentlich erwartet. Daß Verfolgung dort erduldet werden muß, wo sich Gottes Friede und Gottes Erlösung in der Welt ankündigt.

Voll Freude folgt der Gläubige den Spuren Seines Herrn. Welche Gnade liegt darin, die Geburt Jesu Christi und die Offenbarung Seiner Liebe dort feiern zu dürfen, wohin auch Jesus selbst fliehen mußte. Wo bereitet man Ihm heute die Herberge, wo darf heute noch das heilige Meßopfer der katholischen Kirche in seiner wahren und in der von der katholischen Kirche bis heute überlieferten Form gefeiert werden, wo nimmt man die Botschaft vom Frieden Gottes arglos an, wo herrscht nicht Haß und Zwietracht, die Ihn aus den Herbergen unserer Herzen und (Gottes-)häusern vertreibt?

All das sind Fragen von eminenter Bedeutung. Das Christentum ist keine Theorie, sondern Leben, und wird nur dort sichtbar und verstehbar, wo Christus wirklich in die Herzen der Menschen einkehren darf. Allein in der Treue und im Vollzug des wahren Gottesdienstes wächst der Organismus der Kirche, allein dort wird er auch Bestand haben. Nicht die zwischenmenschliche Beziehung ist das Fundament der Kirche, sondern die Bewegung zu Gott hin, die jede soziale Bemühung von selbst gebiert. Somit ist das Bemühen um den Mitmenschen auch nicht mehr durch die allzu großen menschlichen Schwächen zum Scheitern verurteilt, sondern zu seiner wahren Größe und Bedeutung erhoben.

Gott selbst ist Mensch geworden und hat unter uns gewohnt. Das ist eine unerwartete und unerhört große Botschaft! Der Mensch findet wieder zu seiner Bestimmung zurück, das Dienen wird das Größte, das Bedient-Werden nur in der Annahme einer liebenden Gesinnung sinnvoll und würdevoll.
Mit dem Himmel feiern wir dieses so große Geheimnis. Mit dem ganzen Himmel sind wir in aller Armut verbunden, und wenn auch nichts darauf hindeutet, daß eine kleine Handvoll Christen, die heute wegen ihrer Treue zur Überlieferung der Kirche verfolgt und belächelt wird, einen Beitrag zu einem würdigen, tieferen Leben auf dieser Erde beitragen kann, so ist es doch die Menschwerdung Jesu Christi, die in den Gliedern Seines mystischen Leibes sichtbar werden soll, die die Menschheit aus allen unwürdigen Ketten des Bösen befreit und das eigentliche Leben schafft.

Wir sind berufen, Zeugen des wahren Lebens in Jesus Christus zu sein. Maria war die erste Zeugin und Verkünderin der Botschaft des neuen Testaments. Unsere Familien sollen Abbilder der Heiligen Familie werden.

Das alles können wir nur, wenn wir bereit sind, die Stätten, wo das Licht Gottes niedergehalten wird, zu meiden und dorthin aufzubrechen, wo das Licht Gottes leuchtet: Nicht menschlicher Hochmut oder Eigensinn soll uns dabei leiten, sondern die Treue Jesus Christus und Seiner Kirche gegenüber.

Je mehr sich die Menschen wieder von einer solchen Gesinnung leiten lassen, desto mehr wird alle Finsternis aus den Herzen verschwinden und desto deutlicher wird die Botschaft von Weihnachten auch heute wieder vernehmbar werden.

Die katholische Kirche lebt vor allem durch den Heiligen Geist in den Herzen. “Das Reich Gottes ist in euch” (Lk.17,21). Lassen wir uns vom Heiligen Geist leiten, dann werden wir den Stern nicht übersehen, der uns den Weg zum wahren Licht der Menschheit weist (vgl. Mt. 2).
 

 

Zurück Hoch Startseite