Der heilige Alfons von Liguori                   
 

Ein Gedenken zu seinem 300. Geburtstag
 

Jede Zeit hat ihre eigenen Nöte, und jeder Zeit schenkt Gott auch ihre Heiligen, die im Licht der Wahrheit und Liebe Gottes das Zeugnis der Liebe weitergeben. Auch unsere Zeit braucht solche heiligen Menschen. Leider droht heute das Zeugnis dieser Liebe mehr und mehr zu verschwinden, und oft ist in den Köpfen und Herzen der Menschen nur noch eine Zerrform von Christentum zu finden. Gerade deshalb ist es heute so unermeßlich wichtig, daß wir uns die Botschaft, die heilige Menschen so vieler Jahrhunderte hinterlassen haben, immer wieder neu bewußt machen, daß wir sie wachhalten und weitergeben.

Der heilige Alfons von Liguori ist einer dieser Boten Gottes. Auch er hatte es nicht in der Hand, was einmal aus den Bemühungen seines Lebens werden würde, doch er hat alles hingegeben, um die Liebe Gottes gerade den Armen und Verlassenen seiner Zeit zu verkünden.

Zu Beginn seines Lebens war nicht abzusehen, wie wichtig dieses sein Apostolat einmal für die Kirche werden würde. Denn einerseits gab es damals einen derartigen Überfluß an Geistlichen und Ordensleuten, daß man auf den ersten Blick kaum verstehen kann, daß es überhaupt noch weiterer seelsorglicher Bemühungen bedurfte, andererseits war Alfons mit 16 Jahren schon ein Doktor beider Rechte und hatte bereits eine glänzende juristische Laufbahn eingeschlagen, so daß wohl kaum jemand auf den Gedanken gekommen wäre, daß sich dieses sein Leben noch einmal radikal und entschieden ändern sollte.

Alfons wurde am 27. September 1696 in Marianella bei Neapel als Sohn einer adeligen Familie geboren. Zu den Adeligen zählten sich damals in Neapel unter den 450.000 Einwohnern mehr als 100.000! Die meisten von ihnen verbrachten ihre Tage mit Spielen, Theatern, Gesellschaften und - Prozessen! Prozesse zu führen war für viele eine Art Leidenschaft geworden, und den Vormittag verbrachten viele auf dem Gericht. Nächtliche Raufereien ergänzten den Tagesablauf.

Bei der ärmeren Bevölkerung kann man sich deshalb das Ansehen eines solchen “Adels” ausmalen! Familie Liguori war in der adeligen Gesellschaft zwar eine wohltuende Ausnahme. Denn Alfons hatte eine fromme Mutter, und auch sein Vater, ein Kapitän der königlichen Galeeren, war ein aufrechter und religiöser Mensch. Trotzdem litt Alfons immer mehr an der Oberflächlichkeit so vieler Zerstreuungen und an der Auflösung der geistigen Stärke der Persönlichkeit, die ein allzu schmeichlerisches Leben mit sich bringt. Als Anwalt hatte er viele gesellschaftliche und berufliche Verpflichtungen, die Heiratspläne seiner Eltern schienen verheißungsvoll, und nach außen hatte er ein sehr interessantes und erfolgreiches Leben vor sich. Seine Seele kam ihm jedoch leer und zerrissen vor, ohne daß er recht gewußt hätte, wie er dem entkommen könnte. In seinem Inneren empfand er diese Zeit als eine “Hölle”, wie er sich später ausdrückte.

Mit 27 Jahren kommt es zu einem Vorfall, der Alfons zu einem plötzlichen und unerwarteten Entschluß führt. Er muß erfahren, wie in einem Prozeß um eine Erbschaft vor Gericht wieder einmal - wie schon so oft - die Bestechlichkeit über die Wahrheit triumphiert. Wahrheit, Gerechtigkeit und Ehrlichkeit scheinen hier nichts zu gelten. Da verläßt Alfons den Gerichtssaal und ruft: “Welt, ich kenne dich jetzt - Gerichtshöfe, ihr seht mich nie wieder!”

Zu Hause schließt er sich volle drei Tage in sein Zimmer ein, ohne Speise oder Trank zu sich zu nehmen. Seine Angehörigen gehen davon aus, daß sich seine Enttäuschung über den Ausgang des Prozesses sicher bald wieder legen werde. Doch Alfons ist klar geworden: Er kann sein Leben nicht so weiterleben wie bisher, er muß und will sich fortan höheren Aufgaben widmen. Er liest die Lebensbeschreibungen von Heiligen, besucht die Kranken im Spital... Doch wie soll er sein Leben weiter gestalten?

Als er wieder einmal - nach einer Auseinandersetzung mit seinem Vater, der ihn wieder ins “normale” Leben zurückführen möchte - bei den unheilbar Kranken von Bett zu Bett geht, hört er die Stimme: “Laß die Welt und schenk dich mir!” Zunächst setzt er seine Krankenbesuche fort. Doch wieder hört er beim Verlassen des Spitals diesen Anruf der Gnade. Er ist zutiefst erschüttert. Es erscheint ihm, als würde es mit einem Mal hell in seinem Inneren.

Alfons möchte nun gerne Oratorianer werden. Doch sein Vater verweigert ihm die Zustimmung. Nach einer Zeit des Bedenkens gibt er aber widerstrebend nach: Sein Sohn soll Priester werden, jedoch nicht Oratorianer! Er selbst führt seinen Sohn zum Erzbischof. So schließt sich Alfons zunächst einer Priestervereinigung an, die sich den Volksmissionen widmet, und studiert zu Hause unter Leitung eines Theologen. In seinen Notizblock schrieb er sich seine Lebensregeln, wobei für ihn besonders wichtig wurde: “Ich muß mich mit den Tugenden Jesu bekleiden”.

Alfons wird Priester und ist bald ein bekannter Prediger und gesuchter Beichtvater. Als sein Vater einmal zufällig bei einer Kirche vorbeikommt und seinen Sohn predigen hört, ist auch für ihn das Eis gebrochen. Sein Sohn scheint wirklich von Gott zu dieser Aufgabe berufen.

Der Priester Don Alfonso liebt vor allem die Gesellschaft der “kleinen Leute”. Mit ihnen singt und betet er, für sie predigte er und hörte die Beichte. Gerade die Armen nahmen die Frohe Botschaft auch mit Freude an. Don Alfonso zeigte ihnen den Weg zum wahren Reichtum und führte sie auf den Weg zu Gott. Er betonte, daß alle zur Vollkommenheit berufen sind, und fand bald Priester und Laien, die sich an seinem Missionswerk beteiligten. 

Alfons übernimmt die Seelsorge in einem Kolleg für künftige Chinamissionare und unterzieht sich schweren Bußwerken. Nach der ersten Begeisterung lernt er nun auch, daß Liebe mehr sein muß als bloßes Gefühl. 

Eines Tages zieht sich Alfons mit fünf befreundeten Priestern zur Erholung von so manchen Anstrengungen in die Berge um Amalfi südlich von Neapel zurück. Hier sammeln sich bald viele Leute aus der Umgebung, die den berühmten Prediger aus Neapel hören und sehen wollen. Mit der “Erholung” ist es bald vorbei. Denn die arme Landbevölkerung hat niemanden, der sich um sie kümmert. Alfons entdeckt hier, wie viele Menschen abseits der Städte ohne jede seelsorgliche Betreuung leben mußten, während die Priester in den Städten oft nicht wußten, mit welcher Beschäftigung sie sich die Zeit vertreiben sollten. Diese Priester lebten vielfach ohne besondere Aufgaben einfach als Almosenempfänger, oft wohnten sie einfach bei ihren Familien (wie Alfons ursprünglich auch), auf dem Land aber waren die Menschen in seelsorglicher Hinsicht mehr als vernachlässigt. In Neapel teilten sich die 40 Pfarreien der Stadt 4000 Diözesanpriester (das sind knapp 100 Priester pro Pfarrei!). Auch die Klöster waren überfüllt: Über hundert Personen je Männerkloster, über 250 je Frauenkloster! Auf 40 Einwohner kam ein Priester! - Doch hier auf dem Lande? Wie verwahrlost waren doch die Menschen, wie sehr sehnten sie sich nach religiöser Unterweisung und Führung! Dieser Aufenthalt wurde für Alfons zu einem Schlüsselerlebnis. Zunächst nahm sich Alfons auf Bitten hier einer neu entstandenen Gemeinschaft religiöser Frauen an und legte dadurch den Grund, aus dessen Wurzeln sich schließlich der beschauliche Orden der Redemtoristinnen entwickelte.

Für die Seelsorge an den “verlassensten Seelen” und an den Armen gründete er 1732 - nach mancherlei Kämpfen - eine Weltpriestervereinigung. Ein armes kleines Haus bildete den Anfang, und die Not war überaus groß. Doch Alfons öffnete seinen Mitbrüdern die Augen dafür, daß gerade ein armes und verachtetes Leben eine Gnade Gottes ist und eine Hilfe, das Wesentliche des christlichen Lebens tiefer zu begreifen. Viele Geistliche zeigten damals wenig Interesse an einem priesterlichen Leben. Immer wieder gab es Skandale. Um so wichtiger waren eifrige, von Gott erfüllte Priester und Prediger, die sich häufig zusammenschlossen, um von Pfarrei zu Pfarrei zu ziehen und Volksmissionen zu predigen.

Eine solche Vereinigung bildete nun auch Alfons mit seinen Gefährten: Sie wollten sich der Seelsorge in Notstandsgebieten widmen, vor allem auch durch “Volksmissionen” religiöse Leben fördern. Die Erlöserliebe Jesu stand von Anfang an im Mittelpunkt, weshalb die Gemeinschaft auch den Namen “Kongregation vom allerheiligsten Erlöser” (lateinisch: Congregatio Sanctissimi Redemptoris) bekam, wovon sich die Bezeichnung “Redemptoristen” ableitet. Statt einer festen Regel wählte man ursprünglich den Vorsatz, jeden Monat eine bestimmten Tugend in besonderer Weise zu üben, ein origineller Weg, das Ordensleben wieder mehr auf das Wesentliche der Nachfolge Christi auszurichten! Das Tugendleben sollte dabei auch in die Kirche hinein Ausstrahlung gewinnen. Krippe, Kreuz, Altar bildeten den Mittelpunkt der Spiritualität, Opfer und Gebet sollten das Leben der neuen Gemeinschaft tragen.

“Wohlan, meine Christen, so liebt euren Heiland, der gestorben ist, um von euch geliebt zu werden! Sprecht so zu ihm: O mein Jesus, wen sollte ich lieben, wenn ich einen Gott nicht liebte, der aus Liebe zu mir gestorben ist...! Und du, meine schmerzhafte Mutter Maria, um des Schmerzes willen, den du erduldet, da du deinen Jesus sterben sahst, erlange mir die heilige Beharrlichkeit im Guten und eine wahre Liebe zu Jesus Christus! Amen!” - Dies ist der Schluß einer langen Predigt Don Alfonsos über den Tod Christi und vermittelt einen kleinen Einblick in die Art seiner Verkündigung.

Öfter geriet er selbst während der heiligen Messe in Verzückung und Augenzeugen berichten, daß er dann bisweilen über dem Boden schwebte. Alfons ermuntert die Menschen immer wieder zur Betrachtung als Weg zur Innerlichkeit. Seine Schriften und Predigten atmen immer den Geist des Gebetes!

Berühmt wurde die Demut und die Liebe zur Armut des Heiligen. “Mit der Demut und Einfalt eines Kindes müssen wir unsere Vernunft den Wahrheiten des Glaubens unterwerfen”, pflegte er zu sagen.

In seiner Gemeinschaft war er äußerst bedacht darauf, nicht den Anschein zu erwecken, als ob es Ordensmitglieder erster und zweiter Klasse gebe. Alle sollten untereinander wie in einer Familie zusammenleben. Äußerlich gab er sich so einfach, daß er, als er einmal mehrere Mitbrüder zu einer Mission in eine Stadt anführte, in seiner geflickten Soutane von der Bevölkerung zunächst für den Koch der Gemeinschaft gehalten wurde. Wie groß war da die Überraschung, als er dann in der Kirche predigte! Andererseits wurde seine arme Soutane bald auch ein Gegenstand der Verehrung, so daß es sogar vorkam, daß allzu aufdringliche Leute ihm unauffällig Stücke davon herausschnitten. 

Weissagungen, Wunder und Verzückungen machten Alfons weitum bekannt. Ein Ausbruch des Vesuv hörte in dem Augenblick auf, als Alfons ihn auf das Drängen der Leute segnete. Ein stummes Kind segnete er, reichte ihm ein Marienbild und fragte: “Was ist das für eine Dame?” Worauf der Kleine, der bisher nicht einmal Mama oder Papa gesagt hatte, ganz natürlich antwortete: “Das ist die Mutter Gottes!”, und fortan auch keine Schwierigkeiten mit dem Sprechen zeigte. Von allen möglichen schweren Krankheiten wurden Menschen geheilt, wenn Alfons für sie betete oder wenn man ihnen sein Skapulier, seine Kleidungsstücke oder ähnliches auflegte.

1762 wurde Alfons zum Bischof von Sant’Agata ernannt, worüber er zunächst sehr bestürzt war. 1745 hatte er in einer Schrift den heiligen Chrysostomus zitiert, der davor warnte, daß jemand aus eitlem Geltungsdrang Bischof werden wolle: “Es sollte mich wundern, wenn ein solcher selig würde”. Er wußte, welche Bürde ein solches Amt bedeutete. Doch er nahm sein Amt an, und mit der Bischofsweihe schien der Sechsundsechzigjährige den Beginn einer neuen Jugend zu erleben. Die fruchtbarste Zeit seines Lebens begann. Er selbst wirkte noch freier und gelöster.

Seine Diözese zählte zwar nur 30000 Seelen, 350 Weltpriester und 13 Klöster. Doch Alfons nahm seine Aufgabe ernst. Er sorgte er für eine bessere Ausbildung des Klerus und förderte im Volk die Anteilnahme an der heiligen Messe durch Gesang und Gebet. Denn er wußte: Wahre Reform muß die Menschen zur Innerlichkeit und zu Gott führen.

Persönlicher Kontakt mit seinen Priestern, nicht zu strenge Forderungen (auf deren Einhaltung er aber dann mit Ernst bestand), Hirtenschreiben und Anleitung zu einem religiösen Leben sollten den Zustand in seiner Diözese bessern helfen. Oft nütze es natürlich wenig, jedoch Alfons blieb unbeirrbar.

Für seine Gläubigen wurde er ein Vater, der mit ihren Nöten litt und unter ihnen lebte. Alte Leute erinnerten sich noch sechzig Jahre nach seinem Tod, wie Alfons als Bischof mit den Leuten sprach, wenn er durch ihre Dörfer ritt, und durch seine menschenfreundliche Art viel Freude machte. Er bemühte sich sehr um wirkliche Seelsorgestationen und die Durchführung von Missionen. Daß Alfons nach dem Tod Klemens XIV. gebeten wurde, einen Brief zur Lage der Kirche zu verfassen, der beim Konklave vorgelesen werden sollte, zeigt, welches Ansehen er in der Kirche inzwischen genoß. In diesem Brief wies er besonders auf die Wichtigkeit des Gebetes in allen Schwierigkeiten der Kirche hin. 

1775 gestattete der Papst, daß Alfons wegen seiner Kränklichkeit in sein Kloster zurückkehren durfte. In zunehmendem Maße bereitete ihm seine Lendengicht Beschwerden. Gegen Ende seines Lebens war Alfons nur noch ein Häuflein Elend voller Schmerzen. Wenn er gelegentlich eindämmerte oder nicht mehr reagierte, fanden seine Mitbrüder heraus, daß man ihn mit einem Wort sofort wieder zu voller Bewußtheit zurückrufen: “Monsignore, wir müssen noch den Rosenkranz beten!”

Seine letzten Jahre hatte er aber auch noch unter verschiedenen und langwierigen Kämpfen und Intrigen in seinem eigenen Orden zu leiden. Um die staatliche Anerkennung zu erlangen, hatten Mitbrüder eine neue, vom Staat verordnete Regel angenommen (und dafür sogar durch ihre Vertrauensstellung eine Unterschrift des greisen Alfons erschlichen), obwohl dadurch die ursprünglichen Ideale des Ordens verloren zu gehen drohten. Andere Mitbrüder verklagten Alfons in Rom, was schließlich - auch wegen der politischen Schwierigkeiten zwischen Rom und Neapel - dazu führte, daß nur noch die Genossenschaft im Kirchenstaat als “Kongregation vom allerheiligsten Erlöser” anerkannt war. So war die Kongregation gespalten, Alfons selbst war praktisch aus seinem eigenen Orden ausgestoßen! (Unter diesen Verhältnissen mußte er sogar sterben!) War damit sein ganzes Lebenswerk vergeblich?

Alfons ermahnt auch jetzt zu Gottvertrauen und noch eifrigerem Erfüllen des Willens Gottes, da er weiß, daß jedes Werk, das in Gott getan ist, auch ohne die unmittelbare Anerkennung durch die Menschen von Bestand ist und unendlichen und unverlierbaren Wert besitzt. In all seinen Nöten und Anliegen seines Lebens wandte er sich auch vertrauensvoll an Maria. Auf seinem Schreibtisch stand immer ein Bild der “Mutter vom guten Rat”, und eine tiefe Liebe zu Maria gab er seinem Orden mit bis auf den heutigen Tag. (Das Bild der “Mutter von der immerwährenden Hilfe”, das heute im Redemtoristenorden überall verehrt wird, war damals jedoch noch nicht aufgefunden).

Als Architekt, Maler, Musiker, Dichter und Schriftsteller hat sich Alfons betätigt, vieles seiner Werke lebt bis heute weiter. Bekannt ist sein “Duett zwischen einer Seele und Jesus”, wo ihn die Leidensbetrachtung zur tiefinnigen Zwiesprache mit seinem Herrn und Meister fortführt. Sein Büchlein der “Besuchungen” wurde zu einem weit verbreiteten Erbauungsbuch der Christenheit. Erbauliche und dogmatische Schriften hat er verfaßt. Berühmt wurde er aber vor allem durch seine Bemühungen auf dem Gebiet der Moraltheologie. Pius XII. hat ihn 1950 zum Schutzpatron aller Beichtväter und Moralisten ernannt. Alfons hatte zu seiner Zeit gegen eine übertriebene, jansenistisch gefärbte Betonung des Gesetzes zu kämpfen. Die Kirche hatte, obwohl sie sich in dieser Frage noch nicht bis ins Letzte festlegte, in diesem Zusammenhang extreme Systeme verurteilt, die einseitig die Gesetzlichkeit nach dem Buchstaben oder extreme Laxheit vertraten. Alfons gab den Rat: Zweifelt man, ob das Gesetz überhaupt existiert, dann ist man frei. Zweifelt man, ob das Gesetz noch existiert oder ob man sonstwie frei sei, neigt das Schwergewicht der Entscheidung zu Gunsten des Gesetzes hin. Er scheint damit nach dem Urteil der Kirche einen guten, von der Liebe getragenen Weg gegangen zu sein, dem die Kirche auch in ihren Entscheidungen immer wieder zuneigte.

Auch das Verhältnis zwischen Auserwählung und freiem Willen drohte damals unter Theologen zu einem unlösbaren Problem zu werden. Alfons weist hier auf eine wichtige praktische Wahrheit hin: “Wer (wahrhaft) betet, wird gerettet, wer aber nicht (mehr) betet, geht verloren”: Der Mensch vermag nichts ohne Gottes Gnade, er muß sich dieser Gnade aber auch öffnen, damit er sein ewiges Ziel erreichen kann.

Alles in seinem Leben war getragen von einer großen Liebe. Zwar hat ihm sein heftiges neapolitanisches Temperament und eine große Gewissenhaftigkeit anfänglich noch manchmal Schwierigkeiten bereitet. Unter seinem Arbeitstempo hat bisweilen seine Umgebung gelitten. Jedoch hat Alfons bis zuletzt an seiner eigenen Vervollkommnung gearbeitet und schließlich ein Maß der Vollendung in der Sanftmut und in der Ergebung in den Willen Gottes erreicht, welches bewunderungswürdig ist.

Alfons litt mit seinem Herrn und Meister, und die Liebe gab ihm Kraft und Freude im Leid. Zeit seines Lebens hatte er um eine gute Sterbestunde gebetet, und wie oft hatte er die Menschen auf diese wichtige Stunde vorbereitet! Nun war er selbst an diesem Ziele: Ruhig und in Frieden gab er am 1. August 1787 mit 91 Jahren seine Seele Gott zurück.

Von überall strömten die Menschen nun zu seiner Bahre, darunter besonders viele Kinder, die sich wie von selbst hier versammelten. Eine Mutter, welcher der Arzt eben den nahen Tod ihres zweijährigen Söhnchens angekündigt hatte, welches an einer fiebrigen Epidemie erkrankt war, eilte sofort zur Bahre des heiligen Mannes - und erhielt ihr Kind geheilt zurück! Als dann der Kleine, der sonst noch nicht recht sprechen konnte, am nächsten Tag ein Bildchen von Alfons erhielt, fing er an zu rufen: “Alfonso, der Heilige, im Himmel!”, was er voll Freude immer wiederholte und das Bildchen mit seinem Arm emporhob.

So wurde sein Leben zum Segen für viele Menschen. Das Beispiel des heiligen Alfons ist auch für uns heute noch bedeutsam: Seine Liebe zur Armut und zu den Armen, die ihn zu einem wahrhaften Verkünder der Frohen Botschaft werden ließ. Sein Abscheu vor Halbheit und seine aufrichtige Liebe zur Wahrheit. Seine Geduld und sein Gottvertrauen, als er selbst von kirchlichen Stellen, ja sogar von Ordensmitgliedern wie ein Abtrünniger behandelt wurde. Alles in allem aber seine große Gottes- und Nächstenliebe, die ihm auch half, eine bloß äußerliche Gesetzlichkeit, welche die Frömmigkeit immer wieder zu überwuchern droht, gerade in einer Zeit der Bedrohung der christlichen Moral, durch eine tiefere Bemühung um den Willen Gottes zu überwinden. Auch in der heutigen Situation der Kirche gibt es Fragen, die von der Kirche noch nicht bis ins Einzelne entschieden sind, die aber dennoch von uns eine Antwort im Leben fordern. Wie sollen wir mit ihnen umgehen?

Lassen wir uns vom heiligen Alfons belehren, nehmen wir unsere Zuflucht zum Gebet, orientieren wir uns an den Grundsätzen der Kirche und handeln wir im Vertrauen auf die Vorsehung Gottes! So werden wir fähig, eindeutig zu handeln und klar zu sprechen, ohne die Einheit unter den Gläubigen zu gefährden, für den Glauben zu kämpfen, ohne auf die Hoffnung und die Liebe zu vergessen. Gerade unsere Zeit braucht diesen Geist der Heiligen, der uns helfen kann, von einer allzu oberflächlichen Sicht der Kirche frei zu werden und die Menschen zu einer wahren Erneuerung der Herzen zu führen.


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