Die
Suche nach Gott oder die russischen Katholiken
„Selig die Armen im Geiste! Ihrer ist das Himmelreich“ (Mt 5,3). Damit
beginnt Jesus nach dem Matthäusevangelium die acht Seligpreisungen der
Bergpredigt, welche in der Tradition als das so genannte kleine Evangelium
bezeichnet wird. Dieses erste Seligpreisungswort aus dem Munde Jesu deutet
somit eine der entscheidenden Bedingungen für die Teilnahme an der
Königsherrschaft Christi an.
Es ist dies die Armut im Geiste. Wer diese besitzt, ist nicht etwa geistig
einfältig, beschränkt oder lebensuntüchtig. Ein solcher Mensch hadert auch
nicht mit seinem Los, wenn er etwa als ein Niedriggestellter in der
menschlichen Gesellschaft angesehen werden muss, und sinnt dann auf
gewaltsamen Umschwung. Er baut auch nicht einseitig oder übertrieben auf
seine menschliche Gerechtigkeit oder auch die eigene Frömmigkeit.
Nein, der, der im Sinne des Evangeliums ein
Armer „im Geiste“ ist, erkennt nur im Grunde seines Herzens, dass er klein
vor Gott ist und sich unter keinen Umständen mit IHM messen oder vergleichen
kann. Er realisiert mit jeder Faser seines Wesens, dass er in seinem Leben
voll und ganz auf IHN angewiesen ist, gänzlich von IHM abhängt. Und durch
dieses Freisein von der Last der eigenen Anmaßung und Überheblichkeit ist er
dann auch wirklich frei, und zwar frei für Gott, bereit für Seine Gnade!
Somit können nach den Worten Jesu auch nur diese „Armen im Geiste“
tatsächlich einen Anteil am „Himmelreich“ gewinnen, können letztendlich nur
sie wirklich und dauerhaft des ewigen Lebens teilhaftig werden, welches
darin besteht, „dass sie Dich erkennen, den allein wahren Gott, und Den Du
gesandt hast, Jesus Christus“ (Joh 17,3)! Denn hier entscheiden nicht
menschliche Denkmuster oder rein äußerliches, irdisches Dafürhalten, sondern
die Frage, ob sich jemand wirklich innerlich von seinem Ego und der sündigen
gottlosen Welt freigemacht hat, und zwar freigemacht für Gott und die
Annahme Seiner Wahrheit!
Und in der Wahrheit dieser ersten Seligpreisung liegt auch eine wesentliche
Antwort auf die Frage, warum denn in unserer heutigen westlichen
Gesellschaft so viele Menschen den Glauben aufgegeben, sich von Gott
entfernt haben. Dieser traurige Prozess geschah alles andere als zufällig.
Ist ja seit einer geraumen Zeit leider auch bei vielen offiziellen
Mitgliedern der beiden großen christlichen „Kirchen“ in Deutschland und auch
sonst vielerorts in der Tat zu beobachten, wie bei ihnen das innere
Verlangen nach Gott und den höheren Werten, der so genannte geistige Hunger,
weitestgehend verschwunden, wie Gott in ihrem Denken nach und nach verdrängt
und sukzessive durch rein menschliche Ideale „ersetzt“ wurde.
So erlebt man ja heute in unserer Gesellschaft auch eine Art
Selbstzufriedenheit, die den betreffenden Menschen einen jeglichen Blick
„nach oben“ raubt. Viele wähnen sich in ihrer Einbildung und
Selbstüberschätzung klug, schlau und „aufgeklärt“, so dass sie meinen, gern
ohne Gott auskommen und somit auf IHN weitestgehend verzichten zu können.
Und dieser Verlust des Blicks und der Orientierung „nach oben“ bewirkt bei
leider nicht wenigen unserer Zeitgenossen nicht nur eine Trübung des
geistigen Orientierungssinns, sondern vermittelt ihnen auch eine Art
verkehrte geistige Sattheit, wodurch sie sich zwar selbst sehr „reich“
vorkommen, in Wirklichkeit aber die Ärmsten sind!
Besonders deutlich wird einem diese traurige Wahrheit, wenn man Gelegenheit
hat, Kontraste zu erleben. Eine solche Gelegenheit bot sich mir Anfang
Oktober, als ich in Moskau weilte und eine Gruppe dortiger
traditionalistischer Katholiken (des Römischen Ritus!) kennenlernte. Diese
Gruppe überwiegend junger russischer Akademiker, die weitestgehend
Konvertiten aus dem kommunistischen Heidentum sind - eine typische
Erscheinung des Moskauer Katholizismus! -, trennte sich bereits Anfang der
90-er Jahre mehr oder weniger von der Konzilskirche. Bis dahin wurde nämlich
in der Moskauer Kirche des hl. Ludwig1 die
hl. Messe von einem älteren und glaubenstreuen Priester (P. Stanislav
Masejka) im alten Ritus gefeiert, der dort seit 1967 Seelsorger war. Und mit
dem Zerfall der Sowjetunion kamen dann junge „Priester“ aus Polen nach
Moskau und führten nicht nur den so genannten „Novus Ordo Missae“ ein,
sondern auch einige andere der verderblichen „Reformen“ der postkonziliaren
Zeit.
So praktizierten die russischen Katholiken bis dahin noch keine
Handkommunion. Josef Wert, „Bischof“ von Novosibirsk, sagte mir persönlich
vor ungefähr 10-12 Jahren, die Handkommunion sei für die Katholiken in
Russland schlecht, fügte aber absurderweise hinzu, für die Katholiken in
Deutschland sei sie aber „vielleicht gut“. Und nun hat sie auch diese
„Reform“ ereilt - inzwischen wurde auch drüben die Handkommunion
flächendeckend eingeführt und die Gläubigen sozusagen auf Kurs gebracht!
Der Hochaltar, der in dieser Ludwigskirche stand und bis dahin natürlich
benutzt wurde, „landete“ samt Zubehör sogar auf einem Müllhaufen! Ich habe
selbst entsprechende Fotos gesehen. Die Kanontafeln konnten von den
Gläubigen noch gerettet werden, die alten Messbücher dagegen wurden auf dem
Müllhaufen vom Regen aufgeweicht, von Alkoholikern aufgesammelt und für eine
Flasche Wodka verscherbelt! So „fromm“ ist man also inzwischen dort drüben
geworden, dass man sogar so etwas zulässt! Taize und Ökumenismus stehen
selbstverständlich ebenfalls hoch im Kurs.
So trennte sich eine Gruppe der Katholiken von diesem modernistischen Kurs
und sammelte sich um jenen Priester P. Masejka, der litauischer Abstammung
ist und von den Modernisten Anfang der 90-er Jahren offiziell in den
Ruhestand geschickt wurde. Aber es ist leicht zu erraten, warum er so eilig
in diesen „Ruhestand“ geschickt wurde!
Nach dem Tod dieses Bekennerpriesters im Jahre 1995 blieb die betreffende
Gruppe ohne einen Priester und Seelsorger. Besonders ab 1999 hatte dann die
Priesterbruderschaft St. Pius X. ein bitter trauriges „Gastspiel“ in Moskau.
Es kam nämlich regelmäßig ein Schweizer Priester dieser Gemeinschaft nach
Moskau. Es würde einfach den Rahmen dieser Ausführungen sprengen, wollte man
alle Skandale und Ärgernisse auflisten, die dieser Herr sich „erlaubte“. Es
seien hier nur einige wenige solcher Ereignisse erwähnt, die maßgeblich zur
Trennung dieser Moskauer Katholiken von der Priesterbruderschaft (PB)
beitrugen.
Zunächst fiel den Gläubigen der widersprüchliche Kurs der PB auf. Obwohl
Johannes Paul II. vor einigen Jahren an dem einen und selben Tag sowohl
Papst Pius IX., der ein erklärten Antimodernist war und 1864 den berühmten „Syllabus
der 80 vom Heiligen Stuhl verurteilten Irrtümer der Neuzeit“
veröffentlichte, als auch Johannes XXIII. „seligsprach“, der ein
hochgradiges Mitglied der Freimaurerloge und der Initiator des Vatikanum II.
und der modernistischen „Reformen“ war, erklärte jener Priester, die erste
„Seligsprechung“ sei gültig, die zweite dagegen nicht. Eine zufriedenstellende Antwort auf den Einwand der Gläubigen, dies sei
widersprüchlich, entweder müssten beide „Seligsprechungen“ als gültig oder
eben als ungültig betrachtet werden, gab es natürlich nicht.
Dann fielen den Gläubigen neben dem theologischen Aspekt auch die
finanziellen Machenschaften einiger Priester dieser PB auf, die zwar im
Westen hohe Summen für die russischen Katholiken sammelten, diese aber nicht
nach ihrer Bestimmung einsetzten. Dabei wurde von ihnen auch völlig
wahrheitswidrig2 (!) angegeben, sie würden
in Moskau furchtbarsten Verfolgungen seitens der staatlichen Organe
ausgesetzt werden, wobei feststeht, dass sie noch nie in der betreffenden
Moskauer Kapelle weilten und zelebrierten!
Und als sich dann diese Moskauer Gemeinde von dem betreffenden Priester der
PB trennte, erklärte sich der Generalobere der PB mit diesem praktisch
solidarisch. Der betreffende Priester ging zum Schluss sogar so weit, dass
er von den Moskauer Gläubigen einen Treueid auf sich und die
Priesterbruderschaft verlangte!
Und es kam sogar dazu, dass dieser Priester dann noch einmal bei Nacht
(Überraschungseffekt) in Begleitung zweier kräftiger Männer in der Moskauer
Kapelle erschien, um diese Kapelle zu zerstören und zu verwüsten (wobei dort
nichts mehr diesem Priester gehörte). Dies konnte nur verhindert werden,
weil zugleich auch ein Verwandter eines der Gläubigen erschien, der bei der
Moskauer Polizei arbeitet. Dieses skandalöse und ekelerregende Verhalten des
Priesters führte unter anderem auch dazu, dass dieser Polizist jegliches
Interesse am Katholizismus, an einer eventuellen Konversion zu ihm, verlor.
Und zu allerletzt ging die Gehässigkeit dieses P. Bösiger sogar so weit,
dass er Briefe an verschiedene Gemeindemitglieder schrieb, in welchen er
ihnen vorwarf, gegen die Kirche zu sein, und sich beim modernistischen (!)
„Erzbischof“ von Moskau Tadeusz Kondrusiewicz für die geäußerte Kritik (an
dessen Modernismus!) entschuldigte!!! Dies bezeugen mehrere der Moskauer
Katholiken. Ein weiterer Kommentar dazu erübrigt sich.
So wandten sich die Gläubigen an Bischof Pivarunas und er bat mich, mit
ihnen Kontakt aufzunehmen.
Aber was mir bei diesen tapferen Katholiken besonders auffiel, ist ihr
geistiger Hunger, das Verlangen nach der Wahrheit. Bei den stattgefundenen
Gesprächen und den gehaltenen Predigten klebten sie buchstäblich am Mund des
Priesters. Sogar eine anwesende konversionswillige junge Frau bemerkte, die
Anwesenden hätten neben den Augen und Ohren beim Zuhören fast auch noch den
Mund aufgerissen! Und obwohl die überwiegende Mehrheit dieser Menschen
Akademiker waren, also mit Hochschulabschluss, hatte ich nicht den Eindruck,
als würden sie sich etwa selbst für besonders klug und gescheit halten, als
würden sie sich einreden, sie würden bereits alles wissen und müssten nicht
weiter nach der Wahrheit Ausschau halten, wie es für den Westen geradezu
charakteristisch zu sein scheint! Aber vielleicht sind sie auch gerade
deshalb bei der Wahrheit geblieben und haben sich nicht grundsätzlich zu
faulen Kompromissen verführen lassen.
Natürlich ist nicht immer alles reines Gold, was glänzt. Diese Menschen
bedürfen auch der Führung und Leitung durch einen klugen Priester. Das beste
wäre, sie würden in absehbarer Zeit einen eigenen Priester erhalten, der
vernünftig ist und Lebenserfahrung besitzt, und der dort eben regelmäßig
Seelsorge betreiben könnte. Anfragen nach einem wahren katholischen Priester
treffen in Moskau sogar aus dem tiefsten Sibirien ein. Jedenfalls ist in der
russischen Hauptstadt durchaus Potential zum Wachstum dieser Gemeinde
gegeben.
Daher möchte ich Sie, verehrte Leser, inständig bitten, auch dieser
Gläubigen im Gebet zu gedenken, damit sie nicht nur dem überlieferten
katholischen Glauben treu bleiben, sondern damit da auch Wege und Mittel
gefunden würden, die ihnen substanziell weiter helfen.
Sollte darüber hinaus jemand von Ihnen auch etwas an finanziellen Mitteln
für diese Gläubigen erübrigen können, wären sie ihnen ebenfalls sehr
dankbar! Denn vorerst haben sie es (bei russischen Löhnen und Moskauer
Preisen) nicht leicht, die Unkosten für die Miete der Kapelle (eine
Drei-Zimmer-Wohnung in einem Mietshaus) aufzubringen. Gern können Sie Ihre
Spenden entweder mir persönlich geben oder auf das Konto der „Beiträge“ (mit
dem entsprechenden Vermerk wie etwa: „Für Moskau“) überweisen. Ich
garantiere Ihnen, dass kein einziger Cent zweckentfremdet verwendet wird.
Vergelt`s Gott!
Möge uns allen der Herrgott mit Seiner Gnade beistehen und unseren Hunger
nach IHM stillen!
P. Eugen Rissling
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1
Da diese Kirchengebäude dem französischen Staat gehört und ursprünglich als
ein Gotteshaus für ausländische Botschaftsangehörige diente, konnte sie von
den Sowjets (aus Propagandazwecken) nicht gut geschlossen werden.
2
Ich konnte ja diese Frage kürzlich selbst nachprüfen!
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