“Das Kleid der Unsterblichkeit”?

■ Wenn an etlichen hohen kirchlichen Festen, die im gegenwärtigen deutschen liberalen Staat ebenfalls als arbeitsfreie Festtage gelten, sowohl im staatlichen als auch im privaten Rundfunk und Fernsehen darüber berichtet wird, dann werden meistens Auszüge aus den Predigten führender Amtsträger der beiden in Deutschland anerkannten christlichen Konfessionen gebracht. Beim aufmerksamen Zuhören fällt dann auf, dass diese “evangelischen” wie “katholischen” “Pfarrer” und “Bischöfe” in ihren Predigten überwiegend Themen des sozialen, politischen wie gesellschaftlichen Zusammenlebens der Menschen ansprechen.
Und wenn von diesem “Klerus” bei öffentlichen Wortmeldungen auch sonst schwerpunktmäßig über die so genannten Menschenrechte und die politischen Freiheiten bzw. über verschiedene andere Fragen des irdischen Daseins gesprochen wird, muss ein außenstehender Beobachter fast notwendigerweise den Eindruck gewinnen, als ginge es der christlichen Religion hauptsächlich bzw. in erster Linie um das politisch-soziale Wohlergehen der Weltbevölkerung. Selbstverständlich stellt die Nächstenliebe einen wesentlichen Bestandteil der christlichen Glaubensbotschaft dar - wer den Bruder hasst, kann nach den Worten Jesu und Seiner Apostel Gott nicht lieben, um es einmal kurz und prägnant zu formulieren! Dennoch ist es wahr, dass die christliche Nächstenliebe nur von der Gottesliebe her gespeist werden kann ...und ohne diese nur eine billige Karikatur bzw. profan verzerrte Version der echten christlichen Gläubigkeit darstellt!
Aber wenn der moderne “Klerus” insofern vor dem liberalen Zeitgeist kuschelt und somit den Massen imponieren möchte, dass er sich als jemand gibt, dem es überwiegend bis ausschließlich um die sozialen Belange der Menschheit geht, dann ist wohl auch ihm der fundamentale Kern des authentischen christlich-katholischen Glaubens praktisch abhanden gekommen - nämlich dessen so genannte vertikale Dimension auf Gott hin! Dann erliegen nun sogar schon auch diese “geistlichen” Herren der Gefahr der Profanierung bzw. Verweltlichung des apostolisch-überlieferten Glaubens, welche von liberal-freimaurerischen Kreisen seit ungefähr 2 Jahrhunderten zunehmend erfolgreich betrieben wird, wonach der Mensch ausschließlich auf sein irdisches Dasein reduziert werden soll ...und die Übernatur wenn nicht ausdrücklich zu leugnen, dann doch “wenigstens” geflissentlich zu verschweigen ist!
Zwar bedient man sich da in “kluger” taktischer Weise noch einer religiös-klingenden Terminologie, färbt sie aber häufig so ein, dass Gott als die oberste moralische Instanz ausscheidet und nur der Mensch mit seinen “Bedürfnissen” als Mittelpunkt des “Glaubens” erscheint - man will, dass der Mensch die geistige Oberhoheit über Gott gewinnt!
■ Nein, man besinne sich doch in diesem Zusammenhang unbedingt darauf, worum es denn in der christlichen Religion letztendlich geht. Ihr Ausgangspunkt, ihre “Quelle” ist doch nicht irgendein Mensch oder das menschliche Kollektiv, sondern der sich schlussendlich in Jesus Christus offenbarende Gott! Und der Herrgott ist wesentlich, ja unendlich mehr als die Summe alles Menschlichen in dieser Welt - Er “sprengt” nicht nur alle physikalischen Naturgesetze, sondern auch Zeit und Raum. Gott ist übernatürlich, ewig, unsterblich!
Und dieser heilige, ewige und unsterbliche Gott hat sich doch offenbart, zum Menschen gesprochen: “Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort” (Joh 1,1)! Und wenn sich also dieser Gott an den Menschen wendet, zu ihm “spricht”, dann sind die Menschen wohl auch fähig, die Übernatürlichkeit Gottes zu erkennen und grundsätzlich zu verstehen. Dann sollen sie sich auch in Erinnerung rufen, dass der Mensch nicht allein für diese Welt erschaffen worden ist, dass sich seine Bestimmung nicht schon in der Sorge um das leibliche Wohl allein erschöpfen kann, sondern dass er als Geistwesen den eigentlichen und entscheidenden Sinn seines Daseins letztendlich in der Ewigkeit, Unendlichkeit und Übernatur Gottes findet!
So möchte man dem modernistisch angehauchten geschweige denn verseuchten “Klerus” zurufen: Warum predigt ihr den Menschen nur ihre politischen Rechte und verschweigt dabei allzu häufig ihre Pflichten Gott gegenüber? Warum aktualisiert ihr überwiegend den leiblichen Hunger und die leider extrem tragische Armut in der Welt und vernachlässigt dabei so häufig, die Menschen zugleich auch auf die Übernatur und ihren geistigen Durst bzw. auf die bittere Armut der Seele ohne Gott anzusprechen? Warum wollt ihr den Menschen nur das Brot des Leibes geben und weigert euch, ihnen zugleich auch Christus, das übernatürliche Brot des ewigen Lebens, zu predigen, damit sie eben zum wahren Leben erst kommen können?
Warum hört man bei euch nichts mehr über Jesus Christus als den einzigen und eigentlichen Erlöser der Menschen, der am Kreuz durch sein Blut die Seelen der Treuen der Macht des Teufels entrissen hat? Warum scheint ihr euch zu schämen, in euren Ansprachen und Predigten über das ewige Leben und das Paradies der Übernatürlichkeit zu sprechen? Warum redet ihr da kaum über den Teufel als den personifizierten Widersacher Gottes, der die Menschen in perverser Weise zum Abfall von Gott verführen will? Warum hört man bei euch kaum etwas über die Sünde als ein Verbrechen dem heiligen und gerechten Gott gegenüber und Sein Strafgericht, über die Hölle und das ewige Verderben eines Menschen, der Gott bewusst zurückweist? Und warum wollt ihr statt dessen in der Regel praktisch einzig und allein als soziale Weltverbesserer auffallen?
Warum beschränkt sich also eure “Glaubensverkündigung” lediglich auf diesseitige Themen und die Übernatur verschwindet aus eurem Ansprachen- und Predigt-Repertoire? Lebt denn der Mensch wirklich nur für diese Welt? Ist es denn ein echter und wahrer Dienst am Menschen, wenn man ihm bewusst-unbewusst die Ewigen und Letzten Dinge verschweigt und ihn auf diese Weise indirekt sogar auf der Jagd nach irdischen “Werten” antreibt?
■ Bevor sich ein katholischer Priester (des überlieferten Römischen Ritus) anschickt, zur Zelebration der hl. Messe zum Altar zu schreiten, legt er ja bekanntlich einige seitens der Kirche fest vorgeschriebene liturgische Gewänder an und verrichtet dabei leise entsprechende kurze Gebete. Und wenn er sich dann mit der Stola schmückt, durch deren Art des Tragens nämlich die jeweilige Weihestufe des Zelebranten (Diakon, Priester, Bischof) angezeigt wird, betet er: “Schenke mir wieder, o Herr, das Kleid der Unsterblichkeit, welches ich verloren habe durch das Sündigen der ersten Eltern. Und obwohl ich als Unwürdiger zu diesem Deinem heiligen Geheimnis herantrete, möge ich dennoch die ewige Freude verdienen”.
Also wird dadurch zunächst die erste Grundwahrheit des apostolisch-katholischen Glaubens angesprochen, dass nämlich der Mensch von Gott ohne Sünde und somit nach Seinem Ebenbild erschaffen worden ist. Der Mensch ist von Gott erschaffen worden, um an Seinem ewigen Leben teilzunehmen, um schlussendlich an nichts Geringerem als an der Unsterblichkeit Gottes teilzuhaben! Der Mensch ist weder allein noch hauptsächlich für diese irdisch-materielle Welt bestimmt - die Ewigkeit und die Übernatur, die substantiell über das Dasein auf Erden hinausgehen, bilden sein eigentliches Lebensziel! Das ist unsere wahre Berufung und Bestimmung, diese Gottebenbildlichkeit macht letztendlich unsere eigentliche und gottgewollte “Würde” aus - nicht etwa die politischen Menschenrechte -, wenn man schon diesen Begriff verwenden will.
Hat ja dann auch (erst) die Sünde (unseres ersten Elternpaares) uns dieser Teilhabe an der Unsterblichkeit Gottes verlustig gemacht! Somit erscheint die Sünde, das heißt ein wissentlich-willentliches Übertreten eines der heiligen und somit zu Recht bestehenden Gebote Gottes, sowohl als die eigentliche Gefahr als auch als der entscheidende Feind des Menschengeschlechtes. Und weil eben die Sünde ein so großes moralisches Übel ist, dass sie so nachhaltig unseren Geist befleckt und unsere Seele belastet, sollten wir uns in erster Linie vor ihr hüten, sie unbedingt meiden. Denn nicht die auf Erden erlittenen Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten bzw. der physische Tod machen das eigentliche Desaster des menschlichen Lebens aus (auch wenn man sich natürlich mit allen uns zur Verfügung stehenden legalen Mitteln für Recht und Gerechtigkeit einsetzen darf und soll!), sondern der moralische Tod der Seele, eben durch Sünde hervorgerufen!
Und da wir wegen der Sünde, des Ungehorsams Gott gegenüber, aus dem Paradies in “dieses Tal der Tränen” (Salve Regina) vertrieben worden sind, müssen wir nun nicht selten sogar äußerst schmerzhaft die beseligende Gegenwart Gottes vermissen ...und uns immer wieder unseres gegenwärtigen schweren Loses bewusst werden. So erkennt nun auch der Priester seine eigene Unwürdigkeit vor Gott und fleht im demütigen Gebet letztendlich um jenes verlorengegangene Kleid der Unsterblichkeit.
■ “Schenke mir wieder, o Herr, das Kleid der Unsterblichkeit!” Dieses Gebet ist ja insofern in den liturgischen Kontext eingebettet, dass es bei der Vorbereitung auf die hl. Messe eben im Hinblick auf diesen bevorstehenden Opfervollzug des Neuen und Ewigen Bundes verrichtet wird. Somit ruft uns damit die katholische Kirche eindrucksvoll in Erinnerung, dass gerade die von Jesus Christus eingesetzten sakralen liturgischen Handlungen, die heiligen Sakramente, an sich in der Lage sind, uns diese “Unsterblichkeit” Gottes eben wieder zurückzugeben, “wiederzuschenken”!
Bereits bei der Taufe ist unsere Seele durch das Taufwasser von unserer Erbschuld reingewaschen bzw. “vom bösen Gewissen gereinigt” worden (vgl. Hebr 10,22) und somit wirklich engel-rein geworden (was durch das weiße Taufkleid symbolisiert wird). (Bezeichnenderweise erscheint der modernistisch-“erneuerte” Taufritus im Kontrast dazu schwerpunktmäßig als ein Ritus der Aufnahme in die menschliche Gemeinschaft der Kirche!) Und da wir nach der Taufe mit Gebrauch der Vernunft leider wieder sündigen, wird jedem Menschen im Sakrament der Buße (Beichte) der Weg zu Gott wieder geebnet, damit er, bildlich gesprochen, ins himmlische Vaterhaus zurückkehren (vgl. Gleichnis vom verlorenen Sohn) und sowohl die göttliche Vergebungals auch den inneren Frieden mit Ihm wiederfinden kann. Im Sakrament der Firmung berührt uns Gott dann in Seinem Heiligen Geist mit den “Zungen wie von Feuer” und will, dass wir uns dadurch von Seiner siebenfältigen Gaben-Glut entfachen lassen und im Einsatz für Ihn, für göttliches Recht und die christliche Gerechtigkeit, sozusagen Feuer und Flamme werden!
Und der Höhepunkt der Teilhabe an der Unsterblichkeit Gottes wird dann wohl bei der Feier der hl. Messe erreicht. Denn hier vergegenwärtigt Jesus Christus, der göttliche Erlöser, Sein sühnendes Kreuzesopfer auf dem Kalvarienberg und setzt auf diese Weise Sein Heilswirken fort - die Sünde wird gesühnt, der geistige Tod der Seele vernichtet und den frommen Gläubigen im Altarsakrament der wahrhaft lebendige Christus als nachhaltige und das ewige Leben Gottes vermittelnde Nahrung der Seele bereitet! Stellt ja der sakramentale Leib Jesu Christi nach einem liturgischen Gebet “das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit” dar.
Somit stellt das hl. Messopfer gewissermaßen das “perpetuum mobile“ der göttlichen Liebe, Gnade und  Barmherzigkeit dar! Es ist bildlich gesprochen der Generator der Unsterblichkeit Gottes, die Gott wesensmäßig eigen ist und die Er uns schenken möchte, sofern wir natürlich willens sind, uns auf Seine geistig-moralische “Wellenlänge” einzustellen. Ja, wahrhaft wird uns in diesem liturgischen Opfer des Neuen und Ewigen Bundes das einst verlorengegangene Kleid der (geistigen) Unsterblichkeit bereitet, angeboten und wiedergeschenkt!
■ Natürlich bedeutet das nicht, dass wir dann schon (endgültig) im Paradies sind. Nein, das tägliche Leben mit seinen Sorgen, Problemen und Lasten drückt bisweilen schon sehr stark auf unsere Schultern, so dass man es manchmal schier nicht mehr aushalten kann. Aber auch gerade in solchen schweren und teilweise sogar extrem bedrohlichen Situationen sollten wir uns bewusst dem Herrgott und den von Ihm eingesetzten Heilmitteln zuwenden, um während einer bildlichen Wanderung durch die Wüste immer wieder bzw. regelmäßig in eine so genannte erfrischende und belebende Oase der bewusst erlebten und erfahrenen Gegenwart Gottes zu gelangen! So stärken wir uns dann mit himmlischer Speise, tanken geistig göttliche Präsens auf, um auch die nächste Etappe unserer irdischen Wanderung durch das “Tal der Tränen” mit Gottes Hilfe und zu Seiner Ehre zu schaffen.
Außerdem erfahren wir ja auch immer wieder, welchen starken Einfluss auf uns diese Welt mit ihrer verschiedenartigen sinnlichen Lust und den anderen gewaltigen Versuchungen zum Abfall von Gott ausübt - kein einziger Mensch kann ja sicher sein, dass er diese Prüfungen immer schadlos übersteht. Und so fragt man sich, wie man denn diesem teuflischen Sog entfliehen, sich von dieser aus dem ersten Sündenfall resultierenden Neigung der menschlichen Natur zur Sünde befreien bzw. sie wenigstens so abschwächen kann, dass man dann in die Lage versetzt wird, etwas “befreiter” aufzuatmen.
Nun, das Negative kann man wohl auch auf diesem Gebiet letztendlich nur durch das Übermaß des Positiven überwinden! Besonders die Jugend möge eingedenk sein, dass diese irdische Welt, sofern sie nicht im Einklang mit Gott steht, uns sozusagen mit Haut und Knochen verschlingt, wenn wir ihr keinen adäquaten Widerstand leisten! Daher sollte man sich als katholischer Christ immer wieder auf den Glauben und seine Werte besinnen und sich im praktischen Handeln bewusst moralische Grenzen auferlegen, die man dann unter keinen Umständen überschreitet. Und vor allem sollte man niemals vergessen, dass das wahre und eigentliche Glück des Menschen nicht in der Anhänglichkeit an diese irdische Welt und ihre Werte besteht, sondern im vorhin beschriebenen Anlegen des Kleides der göttlichen Unsterblichkeit!
Dann sind wir wie zum Beispiel der majestätisch anmutende Adler, die seine beiden Flügen benutzt, um oben in den Lüften zu einem herrlichen Flug anzusetzen! Unsere beiden “Flügel” heißen der Glaube und das Gebet - wenn wir sie in Entsprechung zur “Gebrauchsanweisung” Gottes einsetzen, können wir sehr wohl schon hier auf Erden den Niederungen des Irdischen und Vergänglichen entfliehen und uns in gottnahe Regionen erheben, um uns von Ihm selbst jenes wunderbare “Kleid der Unsterblichkeit” anlegen zu lassen!

P. Eugen Rissling

 

 

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