Die kirchliche Tradition


Moderne Auffassungen

Vor einigen Monaten brachte der Bayerische Rundfunk eine Ansprache eines amts-”katholischen” Pfarrers, der sich in wenigen Sätzen u. a. auch zum Thema der Tradition äußerte. Seine Vorstellungen lassen sich mit dem von ihm gebrachten Slogan umschreiben: “Innovation (=Erneuerung) statt Tradition”. Er plädierte engagiert dafür, man solle sich nicht scheuen, “neue Formen” anstelle der “alten (überlieferten) Formen” einzuführen. Die Kirche lebe - sinngemäß - davon, daß sie sich erneuere, statt an alten Riten hängen zu bleiben. 

Nun, diese oder ähnliche Parolen sind uns allen bekannt, fast täglich werden wir damit konfrontiert. Es wird der Vorwurf erhoben, die katholische Kirche sei in der Vergangenheit rückständig und uneinsichtig gewesen, weil sie nicht mit der Zeit gegangen und sich nicht an die Gegebenheiten des jeweiligen Zeitalters angepaßt habe. Auch gegen jene katholischen Gläubigen, die sich nicht an den neuzeitlichen kirchlichen “Reformen” beteiligten und beteiligen, wird hervorgebracht, man dürfe nicht an alten Riten festhalten und müsse immer wieder neue Formen einführen, um den modernen Menschen überhaupt ansprechen zu können. 

Besonders in den 60-er und 70-er Jahren herrschte geradezu eine Aufbruchstimmung unter den Theologen und gewissen Teilen der Gläubigen. Man war der Auffassung, anstelle der überlieferten Riten der Kirche etwas Neues und Besseres schaffen zu können. Das “Alte”, v. a. der Römische Meßritus wurde zum Teil sogar als eine Last empfunden, derer man sich vor dem “modernen Menschen” schäme. 

Um keinen (großen) Widerstand gegen die zunächst hinter dem Vorhang inoffiziell beschlossenen “Reformen” zu erfahren, wurden nicht nur die Geistlichkeit und die Ordensangehörigen, sondern auch die interessierten Laien durch Seminare und andere sogenannte Fortbildungsmaßnahmen auf die kommende “Erneuerung” entsprechend eingestimmt. Eine nicht unmaßgebliche Rolle spielte dabei die Bemühung, die “alten Formen” bewußt ins schlechte Licht rücken zu lassen. So wurde der Boden für die “neuen Formen” vorbereitet. Und in diesem Enthusiasmus wurde dann in der Praxis seit Johannes XXIII. und Paul VI. auch tatsächlich alles weggefegt, was noch zu Zeiten des Papstes Pius XII. (+1958) Geltung besaß und als unantastbar galt. Man muß sich in allem Ernst bewußt machen, was es bedeutet, an sämtliche kirchliche Riten die Hand anzulegen - keine einzige liturgische Handlung eines katholischen Priesters sollte nicht davon betroffen werden! Und man gewinnt den Eindruck, man habe sich mit Freuden der “alten Formen” entledigt, weil sie einem nicht nur als überholt, sondern auch als dem wahren geistigen Fortschritt hinderlich erschienen. 

Wir wissen ja: hinter jeder unserer Handlungen steht eine ganz bestimmte Absicht; wir wollen doch damit etwas erreichen und bewegen. Wollten unsere Taten keinem bestimmten Ziel dienen, würden wir doch nicht erst die Mühe auf uns nehmen. So verfolgt(e) auch die in den letzten Jahrzehnten erlebte modernistische Revolution eine ganz bestimmte Absicht. Man wollte die “alten Formen” loswerden, weil sich die Betreffenden wohl nicht mit ihnen identifizieren wollten - sie haben für diese Menschen zu eindeutig die katholische Lehre widerspiegelt! Der fromme Spruch, der von vielen Kanzeln zu hören war, man wolle mit den “neuen Formen” nur die eine und dieselbe Wahrheit besser und verständlicher zum Ausdruck bringen, wurde nur vorgeschoben, um die eigentlichen Absichten der “Reformer” zu verbergen. Bei der kritischen Untersuchung der liturgischen Änderungen kommt man nicht drum herum festzustellen, daß die “neuen Formen” auch neue Inhalte bringen sollten und es in der Folge auch taten! 

 

Die Treue in Gott

Die katholische Kirche hat dagegen schon immer die enorme Bedeutung der kirchlichen Tradition für ihr eigenes Wesen und Selbstverständnis betont. Auch wenn es heute nicht vielen bekannt zu sein scheint, begründet wird dieses Traditionsverständnis der Kirche letztendlich mit nichts anderem als mit dem Verweis auf das innergöttliche Leben. Gott, bei dem es grundsätzlich “keinen Wandel und keinen Schatten von Veränderung gibt” (Jak 1,17), Gott, der immer derselbe ist und sich in aller Ewigkeit nicht ändert, “wohnt im unzugänglichen Lichte” (1 Tim 6,16), Ihn hat “niemand je gesehen” (Joh 1,18)! 

Nun hat uns aber “der Eingeborene, der Gott ist, der da ruht am Herzen des Vaters, (vom Vater) Kunde gebracht” (Joh 1,18). Gott hat sich den Menschen in Seinem Sohn geoffenbart, der “der Abglanz Seiner (des Vaters) Herrlichkeit und das Abbild Seines Wesens ist” (Hebr 1,3). In Jesus Christus spiegelt sich der himmlische Vater wider: “Wer an Mich glaubt, der glaubt nicht an Mich, sondern an Den, der Mich gesandt hat; und wer Mich sieht, der sieht Den, der Mich gesandt hat” (Joh 12,44f.). Der Vater und der Sohn können nicht gegeneinander ausgespielt werden; zu Philippus, der das Verlangen äußerte, den Vater zu sehen, sagte Er: “Wer Mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du nur sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, daß Ich im Vater bin und der Vater in Mir ist? Die Worte, die Ich zu euch rede, sage Ich nicht aus Mir selbst; der Vater, der in Mir bleibt, vollbringt die Werke” (Joh 14,9-11). 

Diese unerschütterliche Treue des Sohnes zum Vater kommt auch in den folgenden Worten Christi zum Ausdruck, mit denen Er Seine Tätigkeit und den Inhalt Seiner eigenen Worte als die Seines Vaters bezeichnet: “Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Der Sohn kann nichts aus sich selbst tun, sondern nur, was Er den Vater tun sieht. Was dieser tut, das tut ebenso auch der Sohn” (Joh 5,19). Mit anderen Worten: der Sohn ist die Offenbarung des Vaters, d.h. der Vater spricht durch den Sohn, und nur durch den Sohn kann man den Vater erkennen: “Alle sollen den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt auch nicht den Vater, der Ihn gesandt hat” (Joh 5,23). Zu den Ihn verleugnenden Juden sagt Christus: “Freilich habt ihr Seine (Gottes) Stimme nie vernommen, Seine Gestalt nie gesehen und Sein Wort in euch nicht festgehalten, weil ihr ja Dem nicht glaubt, den Jener gesandt hat” (Joh 5,37f.), denn “niemand kommt zum Vater als durch Mich. Wenn ihr Mich erkannt hättet, würdet ihr auch Meinen Vater kennen” (Joh 14,6f.). Hätte daher der Sohn nicht ausnahmslos am Prinzip der treuen Wiedergabe des vom Vater Gehörten festgehalten, wäre nicht die Botschaft Gottes zu uns, Menschen, gelangt. Hätte unser göttlicher Erlöser die Botschaft des Vaters verzerrt, hätte Er ihr eigene, nicht vom Vater ausgehende Inhalte beigemischt, dann würde es sich dabei weder um göttliche Worte handeln, noch hätte Er sich (wegen der Untreue) als der wahre Sohn Gottes erwiesen! Daraus ist zu erkennen, welche zentrale Rolle für Ihn und Seine messianische Sendung die Treue zum Vater spielt. 

Auch der Heilige Geist, der nach der Himmelfahrt Christi sowohl vom Vater “im Namen” des Sohnes (vgl. Joh 14,26) als auch vom Sohn selbst (vgl. Joh 15,26; 16,7) auf die junge Kirche herabgesandt wurde, “wird nicht aus sich reden, sondern alles, was Er hört, wird Er reden... . Er wird Mich verherrlichen; denn Er wird von dem Meinigen nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist Mein. Darum habe Ich gesagt: Er nimmt von dem Meinigen und wird es euch verkünden” (Joh 16,13-15). Der Heilige Geist, der doch der Geist des Vaters und des Sohnes ist, handelt ebenfalls nicht eigenwillig, nein, in unverbrüchlicher Treue zum Vater und zum Sohn “wird Er Zeugnis von Mir (Christus) geben” (Joh 15,26) und “euch an alles erinnern, was Ich euch gesagt habe” (Joh 14,26). Auf diese und nur auf diese Weise ist die Einführung “in alle Wahrheit” durch den “Geist der Wahrheit”, von der das Evangelium spricht (vgl. Joh 16,13), im Geiste Christi zu verstehen! 

 

Kirche - Hüterin des Glaubens

Nachdem Jesus Christus zum Vater aufgefahren ist, sollten nun die Apostel Seine Sendung fortsetzen. Gleich am Abend des Auferstehungstages erschien der Herr Seinen Jüngern und gab ihnen den Auftrag: “Friede sei mit euch! Wie Mich der Vater gesandt hat, so sende Ich auch euch” (Joh 20,21) und stattete sie unmittelbar darauf mit der Vollmacht der Sündenvergebung aus. Der Friede mit Gott, den Christus für uns am Kreuz erworben hat, soll nun durch den besonderen Dienst der Kirche in Entsprechung zum Missionsbefehl möglichst allen Menschen vermittelt werden. 

Die Sendung, die Christus und Seine Kirche haben, ist dieselbe - auch die Kirche soll das göttliche Heil wirken! Zwar ist sie nicht die Quelle der Gnaden, dennoch macht die Versöhnung der Menschen mit Gott ihren eigentlichen Auftrag aus - unter dem Beistand des Heiligen Geistes als Vermittlerin der Erlösungsgnaden zu wirken. Es liegt in der Natur der Sache, daß sie sich dabei getreulich an die Vorgaben ihres göttlichen Meisters (in Verkündigung und liturgischer Praxis) halten muß. Nur so kann gewährleistet werden, daß tatsächlich die Gnade Christi vermittelt wird. Wollte die Kirche von diesem Prinzip der unbedingten Treue zu dem von Christus überkommenen Glaubensgut abweichen, würde sie weder in der Autorität Christi handeln noch - was folgenschwerer wäre - das Heil Christi vermitteln können!

Dieses Bewußtsein der Treue zu den Anordnungen ihres göttlichen Heilandes war in der Kirche seit frühesten Zeiten lebendig erhalten. Bekannt sind ja die Worte des hl.Apostels Paulus: “So betrachte man uns als Diener Christi und als Verwalter der Geheimnisse Gottes. Da verlangt man von einem Verwalter weiter nichts, als daß er treu befunden wird” (1 Kor 4,1). Timotheus erhält von ihm die Weisung: “Timotheus, bewahre das anvertraute Gut” (1 Tim 6,20)! Den Korinthern schreibt derselbe Apostel: “Wir sind Gottes Mitarbeiter. [...] Als umsichtiger Baumeister habe ich mit Hilfe der Gnade Gottes den Grund gelegt. Ein anderer baut darauf weiter. Mag jeder zusehen, wie er weiterbaut. Denn niemand kann einen anderen Grund legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus” (1 Kor 3,9-11). Jesus Christus hat für die Menschen das Heil erworben und die Kirche mit dessen Vermittlung beauftragt. Daher erkannte die katholische Kirche eine ihrer hauptsächlichsten Aufgaben darin bestehend, das auf sie überkommene Glaubensgut von jeder menschlichen Beimischung rein zu bewahren und es unversehrt an kommende Generationen zu überliefern: “So steht denn fest, Brüder, und haltet euch an die Überlieferungen, die ihr mündlich oder schriftlich von uns empfangen habt” (2 Thess 2,15). 

Stellvertretend für die Zeit der Väter verweisen wir hier auf das Zeugnis des hl. Kirchenlehrers Vinzenz von Lerin aus seinem Merkbuch 2;22: “Was ist ´das anvertraute Gut´? Was dir anvertraut, nicht von dir erfunden ist, was du empfangen, nicht selber ausgedacht hast. Sache ... öffentlicher Überlieferung. Etwas, was dir überkommen, nicht von dir hervorgebracht ist, wessen du nicht Urheber, sondern Wächter sein sollst. [...] ´Bewahre das anvertraute Gut´, hüte unverletzt und unbefleckt das Talent des katholischen Glaubens!”1 

Hierbei handelt es sich keinesfalls um ein stures Festhalten an alten Glaubensformeln, das etwa mit fehlendem Realitätsverständnis oder bloß formalem Traditionalismus begründet wird. Es geht hier nicht um irgendwelche menschliche Überlieferungen, die etwa wegen persönlicher Vorliebe fürs Alte den Nachfahren aufgezwungen werden sollten, sondern um die Überlieferung und Vermittlung der Erlösung Jesu Christi - also um eine heilige Überlieferung! Der Grund, der Inhalt und das Objekt der kirchlichen Überlieferung ist und kann nichts anderes sein als das Heilige, das Heil unseres göttlichen Erlösers. 

Weil die Kirche Jahrhunderte hindurch treu an diesem Prinzip der Tradition festgehalten hat, ist auch der Glaube der Apostel, den sie ihr göttlicher Meister lehrte, bis auf uns überkommen. Es ist deutlich zu erkennen, daß nur auf diese Weise die Kontinuität im Glauben gegeben werden kann - unser Glaube ist derselbe Glaube, den die Apostel, den auch Athanasius, Augustinus, Benedikt, Gregor der Große, Franziskus, Pius V. oder Pius X. besaßen und wodurch sie das ewige Heil erlangt haben. So kann auch heute ein Katholik (der sich in Lehre und Liturgie unbedingt an der Tradition der Kirche orientiert) mit Recht behaupten, daß er den Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Glauben seiner Väter besitzt und aufgrund dessen zur Hoffnung auf die himmlische Seligkeit berechtigt ist. Nicht umsonst ist die Apostolizität eine der Wesenseigenschaften der Kirche! Diese Treue zum Glauben der Apostel bedingt auch, daß die katholische Kirche über alle Jahrhunderte hindurch in Lehre und (liturgischer) Praxis identisch mit sich selbst geblieben ist! Es ist nicht nur derselbe Inhalt, der uns gepredigt wird, sondern auch dieselbe Heilsinstitution, die Christus gestiftet hat und die uns das göttliche Heil vermittelt! Diese Identität im Glauben gehört ebenfalls zu den Momenten, die die Existenz der Kirche über die Zeit der Augen- und Ohrenzeugen Christi hinaus rechtfertigt. Wollte oder dürfte die Kirche den (wesentlichen) Inhalt ihrer Glaubensverkündigung der jeweiligen Zeit “anpassen”, würde sie ihre eigene Legitimation verlieren. 

Deswegen war und ist die katholische Kirche durch nichts dafür zu gewinnen, neue Lehren und “neue Formen” einzuführen, weil sie auf diese Weise ihrer Berufung untreu geworden wäre, “die gesunde Lehre unerträglich” gefunden “und sich nach eigenem Sinn Lehrer über Lehrer” gesucht hätte, “um sich einen Ohrenschmaus zu verschaffen” (vgl. 2 Tim 4,3). Der Kern, die wesentlichen Aussagen des christlichen (=katholischen) Glaubens sind absolut unantastbar, weil die christliche Offenbarung keinen Menschen, sondern Gott zum Urheber und zum Inhalt hat! 

Die Treue zum Glauben bedeutet aber auch die Treue zu den “Formen” dieses Glaubens. Denn die “Formen” sind ja in gewissem Sinn Träger des Geistes - z.B. nur durch die Einhaltung eines gültigen Ritus kann die sakramentale Gnade vermittelt werden. Also handelt es sich hierbei um keine bloß frommen Zeremonien, die lediglich dem Zweck der Gemütserhebung eines Menschen dienen sollten, sondern um geisterfüllte und göttliches Leben spendende liturgische Riten der Kirche Jesu Christi! Und spätestens seit der Reformationszeit besitzen wir genügend Beispiele dafür, wie die Einführung “neuer Formen” die (verdeckte oder offene) Einführung neuer Inhalte mit sich brachte. Nur ein mit viel Naivität behafteter Mensch kann behaupten, daß z.B. eine das Wesen eines kirchlichen Ritus berührende Liturgiereform (wie etwa die des modernen Rom) nicht an der Substanz des Glaubens rütteln will. Warum denn sonst mit einer gründlichen “Liturgiereform” erst beginnen? 

Gerade das traurige Beispiel der heutigen Amtskirche zeigt, welch` verheerende Folgen sich einstellen, wenn man die Tradition der Kirche bewußt (!) über Bord wirft und stattdessen “innovativ” und “erneuerungs”-süchtig wird. Nicht nur verstrickt man sich dann in gewaltige (geisteswissenschaftliche) Irrtümer und Widersprüche - nicht selten scheinen die Menschen nicht einmal das gesunde Denkvermögen zu besitzen; nicht nur geht dann der Bezug zur Lehre und zur Kirche Jesu Christi verloren, so daß die eigene Identität und Legitimation aufgegeben wird; vor allem vermag die sogenannte “römisch-ökumenische Kirche” nicht, die Sendung unseres göttlichen Erlösers fortzusetzen, und somit Sein Heil, das allen Menschen zuteil werden soll, zu vermitteln! 

Mit unserer einschneidenden Kritik an der Amtskirche geht es uns letztendlich nicht darum, ob man nun “fortschrittlich” oder “rückständig” ist oder entsprechend in den Augen unserer Zeitgenossen erscheint bzw. erscheinen soll - die Erlösung Jesu Christi und das ewige Heil der Menschen stehen auf dem Spiel! Dadurch, daß die heutige römische "Kirche" seit den 60-er Jahren grundsätzlich das Prinzip anerkannte, "neue Formen" einführen zu dürfen, hat sie die innere Stabilität aufgegeben, die über alle Jahrhunderte hindurch ein Charakterzug der katholischen Kirche war. Denn hält man an der apostolischen Tradition fest, besitzt man einen inneren und äußeren Halt, der nicht gering zu schätzen ist. Ist man aber "erneuerungs"-süchtig, dann beginnt eine geistige Hetze nach immer "besseren" Formen. Somit nimmt auch diese "Erneuerung" nie ein Ende, sowohl die Gemeinschaft als auch die einzelnen Gläubigen werden nie zur Ruhe kommen können. Wer geglaubt hat, mit der "Liturgiereform" von Roncalli und Montini seien die modernistischen "Änderungen" abgeschlossen, der täuscht sich. Eine seitens der "Reformkirche" 1988 eingesetzte kirchliche Studienkommission legte 1995 "Studien und Entwürfe zur Meßfeier - Texte der Studienkommission für die Meßliturgie und das Meßbuch" vor, denen zufolge der "Novus Ordo Missae" (1969) modernisiert werden sollte, so daß die letzten Überbleibsel des alten Liturgieverständnisses der katholischen Kirche verschwinden würden. 

Nein, der populäre und populistische Slogan “Innovation statt Tradition” offenbart ein erschreckend hohes Maß an geistigem Leichtsinn. Er verkennt völlig das Wesen der katholischen Kirche und widerspricht zutiefst ihrem Selbstverständnis. Die Sache selbst betreffend gibt es keine Aufteilung z.B. in “fortschrittlich-”, “modernistisch-” oder “liberal-katholisch” und “traditionalistisch-” oder “konservativ-katholisch”. Es gibt nur die Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche, die von unserem göttlichen Erlöser gestiftet wurde und die Sein Werk der Heiligung der Menschheit fortsetzen soll. Handelt es sich ja dabei um den mystischen Leib Christi, um den fortlebenden Christus (vgl. Gal 2,20: “Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir”). Somit kann diese alleinseligmachende Kirche Jesu Christi - will sie ihrem Auftrag treu bleiben - nichts anderes als (im oben dargelegten Sinn) “traditionalistisch” sein! 

 

P. Eugen Rissling



1 Rudloff, Leo von, Das Zeugnis der Väter. Regensburg 1937, S.46.

 

 

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