Kurze Messbetrachtung


12. Teil


Opferung (Fortsetzung) 

Um nun den Kelch für die Opferung zuzurüsten, begibt sich der Priester zum rechten Altarende und empfängt von den Ministranten die Kännchen mit Wein und Wasser. Zunächst gießt er etwas Messwein in den Kelch und segnet mit der rechten Hand das Wasser, das er in kleiner Menge (mit Hilfe eines entsprechenden Löffelchens) dem Messwein beimischt. Nach einer alten Vorstellung versinnbildet der Wein Christus und das Wasser das Volk, das die Heilige Messe mitfeiert, „welches durch den Segen des Priesters der Vereinigung mit Christus würdig gemacht werden solle“1. (Gemäß den liturgischen Vorschriften unterbleibt diese Segnung des Wassers in Requiemsmessen. In erster Linie soll hier die Opferfrucht nach dem Willen der Kirche den Armen Seelen zugewandt werden.) 

Diese geheimnisvolle Vermischung von Wein und Wasser mahnt die Gläubigen, sich mit dem Opfer Christi, das seinen Ausdruck in Dessen Leiden und Sterben fand, zu vereinigen, die eigene Hingabe an den Herrgott zu vollziehen! Wie sich nun das Wasser gänzlich mit dem Wein vermischt und mit ihm eine unzertrennbare Einheit bildet, so soll jetzt während der Opferung auch eine innige Opfergemeinschaft zwischen Christus, dem Haupt der Kirche, und uns, deren einzelnen Gliedern, entstehen. 

Die Erlösung Christi wird ja für die Menschen nicht automatisch wirksam, ohne ihr eigenes Dazutun kann sie bei ihnen nicht ihre Früchte entfalten. Sie müssen erst miteinstimmen in das stellvertretende Sühneleiden des Gottmenschen, um an ihm effektiv Anteil gewinnen zu können. Und da die Heilige Messe die auf den Stiftungswillen Jesu zurückgehende zeit- und raumübergreifende sakramentale Gegenwärtigsetzung des Heilsgeschehens Christi ist, können die Gläubigen hier durch ihr eigenes Mitopfern sich mit Seinem heilbringenden Opferwillen vereinigen und dadurch in der Folge auch Seines göttlichen Segens teilhaftig werden. Somit wird ersichtlich, dass der Opfercharakter der Heiligen Messe auch unbedingt die Selbsthingabe der Kirche erfordert, dass die Gläubigen in gewissem Sinn zu einer Opfergabe mit Christus werden sollen. Das Wasser ist ja nicht (mehr) vom Wein zu trennen. 

Die Symbolik von Wein und einer kleinen Menge Wasser besteht aber gerade auch darin, dass dieses Wasser voll im Wein aufgeht. Für den Betrachter sind nicht mehr zwei Elemente vorhanden, sondern nur eines - mit äußeren Sinnen ist nur noch Wein festzustellen! Das Wasser geht gewissermaßen in Wein über. Somit ist das Mitopfern des gläubigen Volkes letztendlich auch auf die Teilhabe am Leben Dessen ausgerichtet, mit Dem man sich eben vereinigt. Vornehmlich dieser Gedanke wird in jenem eindrucksvollen Gebet angesprochen, das der Priester bei der Vermischung beider Elemente unter Segenszeichen verrichtet: „Gott, der Du den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert hast; lass uns durch das Geheimnis dieses Wassers und Weines teilnehmen an der Gottheit Dessen, Der sich herabgelassen hat, unsere Menschennatur anzunehmen, Jesus Christus, Dein Sohn, unser Herr, Der mit Dir lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen“. 

Man erinnert sich dabei an das Wort des hl. Apostels Petrus, durch „die kostbaren und größten Verheißungen“ Christi sollten wir „der göttlichen Natur teilhaftig werden“ (2 Petr 1,4). Es lohnt sich zu bedenken, welcher Lohn auf das geistige Mitsterben mit Christus, auf das (liturgische und lebensmäßige) Einwilligen in den Opferwillen Christi wartet: „Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, auch an Seinem Leben teilzunehmen“ (Röm 6,8)! Es ist möglich, bei der Vermischung von Wein und Wasser auch an das „Blut und Wasser“ zu denken, die aus der Seite des am Kreuz hängenden Jesus flossen (vgl. Joh 19,34). Und in der Tat fließt während der eucharistischen Liturgie das erlösende und reinigende Blut Christi, zwar in sakramental-verborgener Weise, aber dennoch real! Somit wird der katholische Christ hier unter anderem auch Zeuge der symbolträchtigen Durchbohrung der Seite Christi. Mit vollem Recht sieht daher die katholische Kirche das (überlieferte) Messopfer als die Quelle mannigfacher Erlösungsgnaden an. 

Zum Zeichen der Darbringung an Gott, der in der Höhe thront, erhebt der Priester bei der Opferung des Opferweines auch etwas den Kelch in der Mitte über dem Altar, indem er betet: „Wir opfern Dir, Herr, den Kelch des Heiles und flehen Deine Güte an: lass ihn zum lieblichen Wohlgeruch vor das Angesicht Deiner göttlichen Majestät zu unserem Heil und dem der ganzen Welt emporsteigen“. Besonders zu beachten ist hier die Dringlichkeit bzw. die Intensität des Gebetes. Man trägt nicht nur einfach eine Bitte vor, man „fleht“ sogar Gott förmlich an! Auch wird Er zugleich nicht etwa in Seiner Allmacht oder Herrschervollmacht angesprochen, sondern bezeichnenderweise in Seiner „Güte“, auf die die Kirche hier hauptsächlich ihre ganze Hoffnung setzt. Dieses große Vertrauen auf die Rettung durch Christus unterstreicht auch der Umstand, dass die Opfergabe der Kirche, hier der Opferwein, als „Kelch des Heiles“ bezeichnet wird. Ebenfalls zu beachten ist auch die inhaltliche Fülle der folgenden zwei Formulierungen: „zum lieblichen Wohlgeruch“, „vor das Angesicht Deiner göttlichen Majestät“! 

Die Mehrzahl „Wir opfern Dir...“ erinnert daran, dass diese Aufopferung beim levitierten Hochamt neben dem Priester auch vom diensttuenden Diakon verrichtet wird. Aber auch sonst lässt sie den Priester nicht vergessen, dass er wegen seiner mittlerischen Stellung auch die Gebete und die geistigen Opfer der ihm anvertrauten Gläubigen darzubringen hat. Die Worte „Zum Heil der ganzen Welt“ lehren den Zelebranten darüberhinaus, den Blick auch auf die Not aller übrigen Gläubigen und Völker zu werfen. Danach macht der Priester auch mit dem Kelch ein Kreuzzeichen über dem Korporale, stellt ihn hinter die Opferhostie auf den Altar und bedeckt ihn zum Schutz mit der Palla. 

Das nächste Gebet wird unter (mittlerer) Verbeugung des Oberkörpers verrichtet. Diese äußere Haltung lässt ausdrucksstark die innere Verfassung erkennen, in welcher der Priester opfert: „Im Geiste der Demut und mit zerknirschtem Herzen lass uns, Herr, bei Dir Aufnahme finden. Und so werde unser Opfer heute vor Deinem Angesicht, dass es Dir wohlgefalle, Herr und Gott“. Der Zelebrant ist sich darüber im Klaren, dass man bei Gott nur dann Erhörung finden kann, wenn man sich unverschleiert die eigene Niedrigkeit und geistige Armut vor die Augen führt. „Die Herzen voll Hochmut verwirft Er“ dagegen, „Gewalthaber stürzt Er vom Thron, ... Reiche lässt Er leer ausgehen“ (Lk 1,51-53). 

Außerdem unterstreicht die (mehrmalige) Wiederholung der Bitte um die wohlgefällige Aufnahme des Opfers durch Gott, die nebenbei auch noch bewusst in farbiger Sprache vorgetragen wird, nicht nur das völlige Durchdrungensein von der Erkenntnis um die eigene Hilfsbedürftigkeit und um das Angewiesensein auf die Hilfe Gottes. Sie soll (in gewisser Anlehnung an litaneiartige Gebete, die sich ja in der katholischen Kirche großer Popularität erfreuen) darüberhinaus auch zum kontinuierlichen Steigern der eigenen Gebets- und Opferhingabe beitragen! Die geistige Armut der sogenannten „neuen Messe“ Pauls VI. besteht, nebenbei bemerkt, unter anderem auch darin, dass man sich bei deren Entwurf als Ideal vorgenommen hatte, sämtliche Bitten, die diese „Eucharistiefeier“ enthalten sollte, lediglich einmal vorzutragen. Dadurch brach man mit der Tradition sämtlicher apostolischer Messriten, die alle Gebetswiederholungen zur Steigerung der Gebetsintensität beinhalten. 

Nun richtet sich der Priester auf, breitet die Hände aus, richtet sie nach oben, schließt und senkt sie wieder, indem er den Segen Gottes auf die Opfergaben herabruft und ein Kreuzzeichen über sie macht: „Komm, Heiligmacher, allmächtiger ewiger Gott, und segne dieses Opfer, das Deinem heiligen Namen bereitet ist“. Nichts, keine scheinbar noch so große Tat ist in den Augen Gottes wertvoll, wenn sich die Menschen zuvor nicht des göttlichen Wohlwollens versichert haben. Wir mögen uns zwar gelegentlich noch so sehr abmühen, worauf es aber wesentlich ankommt, ist der Segen Gottes. Der eine „pflanzt“ halt, der andere „begießt“, „Gott aber gibt Wachstum“ (vgl. 1 Kor 3,6) - letztendlich ist Er allein das belebende Element! Deshalb wendet sich nun die Kirche durch ihren Priester an den Heiligen Geist, Der ja im (nicäno-konstantinopolitanischen) Glaubensbekenntnis als der „Herr und Lebensspender“ bekannt wird, Der „mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und verherrlicht wird“, Seinen Segen auf die Opfergaben herabzusenden, damit diese ihren sühnenden und erlösenden Zweck erfüllen und dadurch auch zum (größeren) Ruhme des „heiligen Namens“ Gottes gereichen können. 

Dieser Segen zielt auch auf die Wesensverwandlung von Brot und Wein in den heiligen Leib und das kostbare Blut des Gottessohnes. Zwar wird diese Konsekration mit den Wandlungsworten Jesu Christi vollzogen, mit jenen Worten, die Er selbst am Abend vor Seinem Leiden gesprochen hat. Aber es war doch die unendliche und unbegreifliche göttliche Liebe, die dieses wunderbare Sakrament Seiner eucharistischen Gegenwart unter den Menschen bewirkt hat. Und der Heilige Geist, die dritte Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, ist ja in gewissem Sinn das Liebesband zwischen dem Vater und dem Sohn! 

 

P. Eugen Rissling



1 Eisenhofer, L., Handbuch der katholischen Liturgik. Band II, Freiburg 1933, S.142.

 

 

Zurück Hoch Startseite