Kurze Messbetrachtung


19. Teil


16. Kanon (Fortsetzung) 

Nachdem im Te igitur des Römischen Messkanons zunächst die flehentliche Bitte um die Annahme des Opfers vorgebracht und dann für die rechtmäßige kirchliche Obrigkeit (Papst, Bischof) und alle Rechtgläubigen und Förderer des katholischen Glaubens gebetet wurde, schließt der Priester im zweiten Gebet, dem Gedächtnis der Lebenden (Memento, Domine), die Opferbitte für jene Lebenden an, denen er nach einer alten liturgischen Sitte bei Gott einen besonderen Anteil an den Opferfrüchten der heiligen Messe erflehen will: „Gedenke, Herr, Deiner Diener und Dienerinnen N. und N. und aller Umstehenden, deren Glaube und Opfergesinnung Du kennst. Für sie bringen wir dieses Lobopfer dar, und sie selbst opfern es Dir für sich und alle die Ihrigen, damit ihre Seelen gerettet und ihre Hoffnung auf Heil und Wohlfahrt gesichert werde. Sie weihen Dir, dem ewigen, lebendigen und wahren Gott, ihre Gaben“. 

Die Namen dieser besonders zu erwähnenden Gläubigen wurden ursprünglich aus den Diptychen, zweien zusammenklappbaren, durch ein Scharnier zusammengehaltenen Täfelchen vorgelesen, die eben die betreffenden Namen enthielten. Daran erinnern noch die eingefügten „N.N.“, nach welchen der Zelebrant eine kurze Gedenkpause einlegt. Heute wird an dieser Stelle z.B. jener Gläubigen still gedacht, für die das Messopfer darzubringen der Priester durch das Messstipendium des Stipendiengebers gehalten wird. Aber nicht nur ihrer, sondern auch „aller Umstehenden (aller Umstehenden!), deren Glaube und Opfergesinnung“ Ihm bekannt sind, wird hier in der heiligen Messe vor Gott ausdrücklich gedacht. Für sie wird „dieses Lobopfer“ dargebracht, gleich wie auch sie selbst sowohl sich als auch alle „die Ihrigen“ miteinschließen, „damit ihre Seelen gerettet und ihre Hoffnung auf Heil und Wohlfahrt gesichert werde“. 

Wie trostreich ist es denn, wenn wir daran denken, dass der überreichen Gnadenfrüchte des heiligen Opfers auch jene teilhaftig werden können, derer nicht nur der Priester, sondern in gewisser Weise auch die Gläubigen im Messopfer gedenken. Es empfiehlt sich also, abwesende Personen ins Opfergeschehen auf dem Altar einzuschließen, auch auf sie fließt in gewissem Maß der dieser liturgischen Handlung reichlich entströmende Segen Gottes über! Daran kommt das fürbittende Element der heiligen Messe zum Vorschein. Dieses Opfer wird Opfer des Lobes („sacrificium laudis“) genannt, „denn das Opfer Christi zielt darauf ab, der göttlichen Majestät Huldigung, Anbetung und Verherrlichung darzubringen, den Endzweck der ganzen Schöpfung zu verwirklichen. ... Das eine große Anliegen, gegenüber welchem alle verschwinden, ist die Sorge um das ewige Heil. Die Wichtigkeit dieser Sorge und die Dringlichkeit dieser Bitte äußert sich in den gehäuften Ausdrücken: für die Erlösung ihrer Seelen (´pro redemptione animarum suarum´), für die Hoffnung des Heiles (´pro spe salutis´) und des einstigen unvergänglichen Erbes (´incolumitatis´) im Himmel“ (Eisenhofer, L., Handbuch der katholischen Liturgik. Band II, Freiburg 1933, S. 176). Und die „Gaben“ der Gläubigen, die Hingabe ihrer Herzen, werden dem „ewigen, lebendigen und wahren Gott“ dargebracht. Er ist die ewige Unvergänglichkeit und schenkt allen, die Ihn aufrichtig suchen und inständig lieben, Anteil an Seiner Unsterblichkeit! Er ist der unerschaffen Lebendige und kam ja auch in diese Welt, damit auch wir das eigentliche Leben, das ewige Leben haben und es in Fülle haben können! Er ist der einzig Wahre, und gewährt uns im Unterschied zu den falschen Götzen, die sich die Menschen oft selbst schaffen, die wahre Erfüllung! 

Auf das Gedächtnis der Lebenden folgt im Kanon das Communicantes, das Gedächtnis der Heiligen: „In heiliger Gemeinschaft ehren wir dabei vor allem das Andenken der glorreichen, allzeit reinen Jungfrau Maria, der Mutter Jesu Christi, unseres Herrn und Gottes. Wie auch Deiner heiligen Apostel und Blutzeugen Petrus und Paulus, Andreas, Jakobus, Johannes, Thomas, Jakobus, Philippus, Bartholomäus, Matthäus, Simon und Thaddäus; Linus, Kletus, Klemens, Xystus, Kornelius, Cyprianus, Laurentius, Chrysogonus, Johannes und Paulus, Kosmas und Damianus und aller Deiner Heiligen. Ob ihrer Verdienste und Fürbitten gewähre uns in allem hilfreich Deinen Schutz und Beistand. Durch Christus, unseren Herrn. Amen.“ Das Besondere an der Kirche Jesu Christi, der katholischen Kirche, besteht unter anderem auch darin, dass wir, die Gläubigen hier auf Erden, nicht allein sind, sondern uns ebenfalls „in heiliger Gemeinschaft“ (!) mit dem ganzen himmlischen Hof befinden und mit allen Heiligen des Himmels aufs innigste verbunden sind. „Gemeinschaft der Heiligen“ (Credo) bedeutet Gemeinschaft aller Rechtgläubigen, aller Christgläubigen. Durch das Hinscheiden aus dieser Welt hört man nicht auf, Glied der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche zu sein, sondern bleibt mit allen Gliedern des mystischen Leibes Christi, ob im Himmel oder auf Erden (oder im Fegefeuer), geheimnisvoll vereinigt! 

Zunächst „ehrt“ die Kirche eben „in heiliger Gemeinschaft“ das Andenken „der glorreichen, allzeit reinen Jungfrau Maria, der Mutter Jesu Christi, unseres Herrn und Gottes“. Sie ist die Königin aller Heiligen (Lauretanische Litanei) und hat es ob ihrer unbegreiflichen Gnadenvorzüge und übergroßen Verdienste um die Menschwerdung und das Heilswirken Gottes verdient, hier an erster Stelle genannt zu werden! Dann folgen die Namen der zwölf „Apostel und Blutzeugen“, die von Christus zum hehren apostolischen Amt auserwählt und berufen wurden, die Seine göttliche Lehre und die überreichen Gnadenschätze der Sakramente empfingen und getreu weitergaben, die die Grundfesten der Kirche bilden und mit ihrem Wort-, Tat- und Blutzeugnis entscheidend zur Verbreitung des christlichen Glaubens auf dem Erdkreis beitrugen. Danach werden zwölf der frühchristlichen Märtyrer erwähnt, die alle ihre Liebe und Treue zu Christus mit ihrem Blut besiegelten, und die sich vielleicht gerade deshalb einer besonderen Verehrung seitens der früheren Kirche erfreuten. Zunächst stehen in dieser Reihe jene drei Päpste, die als erste dem hl. Petrus auf dem Bischofsstuhl zu Rom folgten: Linus, Kletus, Klemens. Derselben Epoche der Christenverfolgung gehören ebenfalls die Päpste Xystus und Kornelius sowie die bekannten Bischof Cyprianus und Diakon Laurentius an. Chrysogonus und die hochverehrten Ärzte Kosmas und Damianus haben Anfang, Johannes und Paulus Mitte des 4. Jahrhunderts ihr Leben um Christi willen hingegeben. 

Die Apostel und Märtyrer wegen ihres vorbildlichen Glaubens und ihrer heroischen Taten ihrerseits verehrend erhofft sich die katholische Kirche vom Herrgott, Er möge ihr um der „Verdienste und Fürbitten“ der genannten Heiligen willen „in allem hilfreich ... Schutz und Beistand“ gewähren. Denn das Blut der Märtyrer, Ausdruck ihrer Liebe, Treue und Hingabe, bewirkt, dass so manches Maß der göttlichen Gnade auf die Erde geschickt wird, welcher (der Gnade) nun auch die das heilige Opfer mitfeiernden Gläubigen „in heiliger Gemeinschaft“ teilhaftig zu werden begehren. Und da niemand anderes als der göttliche Erlöser Jesus Christus der Urheber aller Gnadengaben (auch der der Apostel und Märtyrer) ist, heißt es zum Schluss dieses dritten Kanongebetes: „Durch Christus, unseren Herrn. Amen.“ 

Ist es ein Zufall, dass die Kirche die Zahl der hier erwähnten Apostel und Märtyrer (neben der Muttergottes) auf 24 begrenzt hat? Jedenfalls berichtet der hl. Apostel Johannes in seiner Geheimen Offenbarung, der Apokalypse, dass er in einem „Gesicht ... in Verzückung geriet“ und neben dem Thron Gottes „noch vierundzwanzig andere Throne“ sah, auf welchen „vierundzwanzig Älteste in weißen Gewändern saßen, goldene Kronen auf ihrem Haupt“. Auch sie fielen „vor Dem auf dem Throne Sitzenden nieder und beteten Den an, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sie legten ihre Kronen vor dem Thron nieder“ und überboten sich in der Anbetung Gottes in geheimnisvoller Majestät und des „Lammes“, das „dasteht wie geschlachtet“ (vgl. Offb 4 und 5). 

Vielleicht soll auf diese Weise zum Ausdruck gebracht werden, dass wir im Lobopfer der hl. Messe an der sich im Himmel ununterbrochen vollziehende Lobpreisung und Anbetung des dreieinigen Gottes seitens des ganzen himmlischen Chores teilnehmen! 

 

P. Eugen Rissling



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