Kurze Messbetrachtung


35. Teil


20. Kommunionvorbereitung - Libera nos - Brotbrechung - Pax Domini

a) Nachdem der Priester das „Amen“ des Paternoster gesprochen hat, holt er (obwohl die Zeigefinger und die Daumen seiner jeweiligen Hand geschlossen bleiben) die rechts von ihm auf dem Altar liegende und teilweise vom Korporale bedeckte Kelchpatene hervor, wischt sie leicht mit dem Kelchtuch ab, hält sie mit seiner rechten Hand vertikal an den Altar gestützt und beginnt währenddessen leise das folgende Gebet Libera nos, in welchem die letzte Bitte des Herrengebetes zunächst fortgesetzt und dann inhaltlich weiterentwickelt wird: „Erlöse uns, Herr, wir bitten Dich, von allem Übel, sei es vergangen, gegenwärtig oder zukünftig; und auf die Fürsprache der seligen, glorreichen, allzeit reinen Jungfrau und Gottesmutter Maria, wie auch Deiner heiligen Apostel Petrus, Paulus, Andreas und aller Heiligen, gib barmherzig Frieden in unseren Tagen. Komm uns zur Hilfe mit Deinem Erbarmen, dass wir von Sünden allzeit frei und vor jeder Beunruhigung gesichert seien.“

Meistens übt dieses „Übel“ seine negative Macht auf uns in der Gestalt von Sünde aus bzw. verursacht durch eine Sünde. Wir wissen ja alle aus eigener Erfahrung zur genüge, wie schwer es für den schwachen Menschen bisweilen ist, sich dieses Einflusses der Sünde zu entziehen. Dieser Vorgang der inneren wie äußeren Umkehr, der ganzheitlichen Loslösung von der Sünde, kann außerdem teilweise auch noch lange andauern, kann für uns unter Umständen sogar einen langwierigen Prozess darstellen. Und während dieser Zeit leidet der Mensch unter der leider immer noch vorhandenen „Anziehungskraft“ z.B. irgendeiner bestimmten, von ihm früher begangenen sündhaften Tat.

Und wie diese das eigene Gewissen belastende moralische Schuld der Vergangenheit angehören kann und vielleicht auch noch nicht gebüßt sein (!), so kann sie das Herz eines Menschen auch in der Gegenwart in harten Fesseln gefangen halten. Aber der Einfluss dieser Macht des „Übels“ kann ja auch für die Zukunft befürchtet werde. Wer will schon behaupten, dass er die künftigen sittlichen Prüfungen vor Gott und seinem Gewissen allesamt bestehen wird! Erfahren wir denn nicht selbst ständig, wie wankelmütig der Mensch ist, wie leicht und wie schnell er sich nicht selten von seinen guten Vorhaben abbringen lässt?

Deshalb bittet die Kirche den Herrgott in diesem Gebet zunächst darum, wir mögen „von allem Übel“ befreit werden, „sei es vergangen, gegenwärtig oder zukünftig“! Die Kirche betet inständig um Befreiung von der Sünde. „Damit ist aber zugleich auch die Bitte um Befreiung von den Folgen und Strafen der Sünde eingeschlossen“ (Eisenhofer, L., Handbuch der katholischen Liturgik. Herder 1933, Band II, S. 198). Nimmermehr möge welches von uns auch immer begangene Unrecht seinen negativen Einfluss auf uns ausüben, niemals möge ein welcher Art auch immer sittliches Laster uns in seinen Bann ziehen und unsere positive Widerstandskraft, das gesunde moralische Streben nach christlicher Vollkommenheit, lähmen!

„Die traurigste Folge der Sünde ist der Unfriede, welcher die Menschen von Gott und voneinander trennt. Unter Anrufung der Gottesmutter, der Apostelfürsten Petrus und Paulus, des hl. Andreas und aller Heiligen, fleht darum die Kirche: ´Gibt gnädig Frieden in unseren Tagen´, zunächst den äußeren Frieden (´in diebus nostris´ - ´in unseren Tagen´), in dessen Genuss um so leichter der innere Friede zu bewahren ist, der seine Wurzel in der überreichen göttlichen Barmherzigkeit hat, die vor der Sünde und vor jeglicher aus der Sünde stammenden Verwirrung (´perturbatione´ - ´Beunruhigung´) bewahrt“ (Eisenhofer, ebd., S. 198).

Zum Zeichen, dass alle Gnade, so auch die Errettung von der Sünde und deren Gefahren und der innere Friede vom heilbringenden Kreuz Christi her stammt, bekreuzigt sich der Priester bei den Gebetsworten „gib barmherzig Frieden“ mit der Patene in der Hand und küsst sie dann auch nach den Worten „in unseren Tagen“. Wie wir „durch das Kreuz mit Gott versöhnt“ wurden (Eph 2,16), und uns dadurch das wahre Heil geschenkt wurde, so ist das Kreuz Christi auch die überreiche Quelle des inneren Friedens, des Friedens der Seele!

Und dieser Kuss der Patene ist Ausdruck der Ehrfurcht gegen den Leib unseres Herrn Jesus Christus, der ja sogleich auf jene gelegt werden soll. Zumal ja diese Patene wie auch der Kelch vom Bischof mit heiligem Öl (dem Chrisma) konsekriert worden ist und somit nur von Klerikern, die im Besitz einer der Höheren Weihe sind, angefasst werden darf. Doch könnte damit auch angedeutet werden, dass der wahre Friede, der Himmelsfriede, und seine seligen Folgen für die menschliche Seele vom würdigen Empfang des Himmelsbrotes erwartet werden!

Und schlussendlich schiebt dann der Priester die Patene auch unter die konsekrierte Hostie auf das Korporale, und die Hostie bleibt somit bis zur Kommunion des Priesters auf der Patene liegen. Er deckt dann noch den Kelch ab und macht eine Kniebeuge vor dem Allerheiligsten.

b) Abgeschlossen wird dieses Gebet Libera nos durch die Formel: „Durch unseren Herrn Jesus Christus, Deinen Sohn, der mit Dir lebt und herrscht in Einheit des Heiligen Geistes, Gott...“ Damit wird (erneut) zum Ausdruck gebracht, dass der Dreifaltige und Dreieinige Gott die überreiche Quelle jeglichen Heils und „unser Herr Jesus Christus, Dein Sohn“ der einzige „Mittler zwischen Gott und den Menschen“ (1 Tim 2,5) ist. Nur „durch“ Ihn, nur mittels Seines Erlösungswerks konnte uns die seligmachende Heilsgnade Gottes geschenkt werden ...und wird sie uns auch heute noch fortwährend durch den Vollzug des hl. Messopfers dargeboten!

Dabei wird beim ersten Teil dieser letzten Gebetsformel die heilige Hostie in der Mitte zunächst in zwei Teile gebrochen. Diese Zeremonie der physischen Brotbrechung erinnert ausdrucksstark an den gewaltsamen Tod unseres göttlichen Erlösers, der Sich nicht gescheut hatte, zu unserem Heil die Schmach des bitteren Leidens und des grausamen Todes zu erleiden! Zugleich ist sie auch sinnfällig Ausdruck des Opfercharakters der heiligen Messe, in welcher sich ja das blutige Geschehen am Kreuz auf eine unblutig-sakramentale Weise auf den Altären der Kirche erneuert!

Diese liturgische Handlung des Brotbrechens ist uralt, schon in apostolischer Zeit gehörte sie zum festen Bestandteil der hl. Messe. Denn sonst wäre es nicht zu erklären, warum sich der theologische Terminus des „Brotbrechens“ bereits bei den ersten Christen als eine klare und feste Bezeichnung für die gesamte liturgisch-eucharistische Opferhandlung, die hl. Messe, eingebürgert hatte (vgl. Apg 2,42.46; 20,7; 1 Kor 10,16)!

Danach legt der Priester die rechte Hostienhälfte auf die Patene zurück und bricht dann von der anderen, der linken Hostienhälfte unten ein kleines Stückchen ab. Zugleich spricht er halblaut oder singt (beim Hochamt) die letzten Worte „...von Ewigkeit zu Ewigkeit“, worauf der Messdiener antwortet: „Amen.“ Mögen wir uns eben in alle Ewigkeit des „Friedens“ Christi und Seines göttlichen „Erbarmens“ erfreuen!
g) Der größere dieser beiden Teile kommt ebenfalls auf die Patene zurück. Mit dem kleineren Teilchen in der rechten Hand macht der Priester dagegen drei Kreuzzeichen über dem (abgedeckten) Kelch und spricht dabei halblaut die Pax Domini: „Der Friede des Herrn sei allezeit mit euch“, worauf ihm seitens der Ministranten geantwortet wird: „Und mit deinem Geiste“. Und der Priester lässt das kleine abgebrochene Hostienteilchen in den Kelch gleiten.

Gemeint wird hier in erster Linie nicht der äußere, weltlich-politische Friede. Der Priester wünscht hier den Gläubigen zu allererst den inneren Frieden, den Frieden des Herzens, welcher von Gott kommt und somit letztendlich nichts anderes als eine innige und aufrichtige Beziehung der menschlichen Seele zum Herrgott zur Voraussetzung haben kann. Zumal Er ja selbst diesbezüglich ausdrücklich und feierlich sagte: „Frieden hinterlasse ich euch, Meinen Frieden gebe Ich euch. Nicht wie die Welt ihn gibt, gebe Ich ihn euch“ (Joh 14,27)!

Und wie dieser „Friede“ bereits bei der Krippe des Herrn von den Engeln allen „Menschen Seiner Huld“ verheißen wurde (Lk 2,14), wie Jesus den Aposteln ansagte, während ihrer Missionstätigkeit beim Betreten eines jedweden Hauses immer zuerst fromm zu wünschen: „Friede sei diesem Haus“ (Lk 10,5), wie Er selbst die Apostel nach Seiner eigenen Auferstehung zunächst begrüßte: „Friede sei mit euch!“ (Lk 24,36), so richtet sich auch der zelebrierende Priester kurz vor dem Empfang der hl. Kommunion an die Gläubigen mit demselben frommen Gebetswunsch.

Und zwar möge dieser „Friede des Herrn“ „allezeit“ mit und bei ihnen sein! Auch wenn eine Welle der äußeren Verfolgung über sie einbrechen sollte, auch wenn ihre Seele durch innere Versuchungen, verursacht durch den Widersacher Gottes, aufgewühlt werden sollte, auch wenn Kreuz, Leid oder Anfeindungen welcher Art auch immer ihren Glauben und ihr Gottvertrauen auf eine harte Probe stellen sollten, möge doch der Friede Christi stets ihr Herz und ihre Seele erfüllen und ihnen inneren Halt und geistige Orientierung geben!

Und die drei Kreuzzeichen, die vom Priester dabei mit dem kleinen Hostienteilchen über den Kelch mit dem konsekrierten Wein, dem Blut Christi, gemacht werden, unterstreichen einmal mehr die christliche Glaubenswahrheit, dass dieser „Friede“ des Menschen mit Gott seine eigentliche Ursache in niemand anderem als in unserem göttlichen Erlöser Jesus Christus, in Seinem stellvertretenden Sühneleiden und -sterben hat - „In keinem anderen ist Heil“ (Apg 4,12)!

„Wie die Brotbrechung, so ist auch die Vermischung in allen Liturgien üblich. Um diese Vermischung historisch zu begreifen, muss berücksichtigt werden, dass anfänglich gesäuertes Brot für die Eucharistie verwendet, ferner, dass das heilige Sakrament von einer Messe zur anderen aufbewahrt (vgl. die Sancta in den römischen Ordines) und vielfach sogar in andere Kirchen, selbst nach auswärts, versandt wurde. Da gesäuertes Brot leicht verhärtet, war es notwendig, es vor dem Genuss aufzuweichen, was durch die Beimengung zum konsekrierten Wein geschah“ (Eisenhofer, ebd., S. 201).

Geistig zu deuten ist diese Vermischung des Leibes Christi, des konsekrierten Hostienteilchens, mit dem Blut Christi, dem konsekrierten Wein im Kelch, als ein Hinweis auf die geistige Auferstehung, welche sich in der Seele des Menschen durch seine Teilnahme am hl. Messopfer, dem Opfer Christi, und vor allem durch den Empfang der hochheiligen Gaben Christi vollzieht! Wie sich der Leib Christi mit Seinem Blut vereinigt und somit Seine glorreiche Auferstehung angedeutet wird, so „entsteht“ auch „Leben“ (vgl. Joh 14,6), wahres Leben, in der Seele der katholischen Christen, indem sie im Blute Christi gereinigt werden (vgl. 1 Joh 1,7) und durch die Teilhabe an der hl. Kommunion, durch die Partizipation an den allerheiligsten göttlichen Geheimnissen auch und gerade Jesu Christi und Seines göttlichen Lebens teilhaftig werden: „Diese geheiligte Mischung von Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus gereiche uns bei ihrem Empfang zum ewigen Leben. Amen“!

P. Eugen Rissling


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