Kurze Messbetrachtung


17. Teil


15. Kanon

Und wenn wir vom zentralen Stellenwert des Kanons innerhalb des Römischen Messritus sprechen, dann dürfen wir nicht vergessen, in diesem Zusammenhang auch die Bulle „Quo primum“ des hl. Papstes Pius V. vom 14. Juli 1570 zu erwähnen. Wohl wegen seiner immensen Bedeutung steht dieses Apostolische Siegelschreiben gleich zu Beginn eines jeden überlieferten Missale! Demnach sollte auch heute jeder Katholik mit dessen Inhalt vertraut sein. Denn was vom gesamten Messritus gilt, gilt auch um so mehr von seinem Herzstück, dem Kanon! 

Zunächst weist Pius V. darauf hin, dass es gleich zu Beginn seines Pontifikates ein Anliegen für ihn war, „Anordnungen über die Herausgabe und die Verbesserung der heiligen Bücher... zu treffen“, und zwar „im Sinne der Beschlüsse des Heiligen Konzils von Trient“2. Darum wurde „diese schwierige Aufgabe auserlesenen gelehrten Männern ... übertragen“, die „alle altehrwürdigen Messbücher Unserer Vatikanischen Bibliothek miteinander verglichen“ und auch „von überall anderswo her fehlerfreie und unverfälschte Buchdokumente eifrig“ sammelten. „Auch haben sie die Schriften alter und bewährter Verfasser durchforscht, welche uns Urkunden über die heilige Anordnung der gottesdienstlichen Satzungen hinterlassen haben. So haben sie das Messbuch nach der ursprünglichen Norm und der Satzung der heiligen Väter wiederhergestellt.“ Die Priester sollen nämlich wissen, wie „sie von nun an die heilige Messe feiern müssen“! 

Und nach diesen eher einleitenden Erläuterungen kommt dann der Papst zu den entscheidenden Anordnungen: „Was aber von der heiligen Römischen Kirche, der Mutter und Lehrerin der übrigen Kirchen, überliefert wird, das sollen an jedem Orte alle liebend annehmen und es befolgen: so soll daher von nun an immerwährend für alle künftigen Zeiten in allen Gebieten des Christlichen Erdkreises in den Patriachal-, Dom-, Kollegiats- und Pfarrkirchen, den Kirchen des Weltklerus, und den Kirchen jeglicher Orden, den Klosterkirchen (sowohl der männlichen, als auch der weiblichen Gemeinschaften), in den Kirchen der Ritterorden, in den Kirchen ohne Seelsorge, und in den Kapellen - sei es, dass die Messe dort selbst als Konventmesse laut und mit Chor, sei es, dass sie still gefeiert wird - in welchen die Zelebration gemäß dem Ritus der Römischen Kirche zu erfolgen pflegt, oder dazu die Verpflichtung besteht, keine Messe anders gesungen oder gelesen werden als gemäß der Vorschrift des von Uns herausgegebenen Messbuches“. 

Diese klare Anordnung gilt nach dem Willen des hl. Papstes Pius V. bedingungslos! Lediglich jene Messriten bilden eine einzige Ausnahme davon und durften (und dürfen) auch weiterhin in der liturgischen Praxis Verwendung finden, welche damals „in den betreffenden Kirchen bei der Zelebration der Heiligen Messen über zweihundert Jahre lang ununterbrochen eingehalten“ wurden. Hierbei ist z.B. an die alten westlichen Missalia oder an die Messbücher einzelner katholischer Mönchsorden gedacht. Sollten aber die dafür zuständigen Hirten den nun von Pius V. vorgelegten Römischen Messritus übernehmen wollen, stehe ihnen dies selbstverständlich voll und ganz frei. „Für alle übrigen vorher genannten Kirchen heben Wir den Gebrauch ihrer Messbücher auf, indem Wir diese völlig und zur Gänze verwerfen.“ Dabei handelt es sich wohlgemerkt um solche Messbücher, die in der damals jüngeren Vergangenheit in einigen Lokalkirchen des Westens entstanden sind. „Gleichzeitig entscheiden Wir ferner, dass unter Strafe Unseres Unwillens bei diesem jüngst von Uns herausgegebenen Messbuch niemals etwas hinzugefügt, hinweggenommen oder verändert werden darf. Dies (alles) setzen Wir durch diese Unsere Gesetzliche Bestimmung fest, und Wir ordnen es an: sie soll für die Zukunft beständig in Kraft bleiben“! 

Ferner befiehlt Pius V. „kraft des heiligen Gehorsams“ allen Hirten der Kirche, dass sie alle übrigen von dem jetzt überarbeiteten und von ihm (dem Papst) vorgelegten Missale abweichenden liturgischen Zeremonien „in Zukunft gänzlich aufgeben und völlig verwerfen“, „und dass sie es sich nicht anmaßen, bei der Feier der Heiligen Messe andere Zeremonien oder Gebete, als sie dieses Messbuch enthält, hinzuzufügen oder vorzutragen“! „Kraft Apostolischer Autorität gestatten Wir und bewilligen Wir, im Sinne des vorliegenden Schreibens, und gleichfalls mit beständiger Wirksamkeit: Nach ebendiesem Messbuch ist ohne Unterschied in jeder Kirche die Messe zu singen und zu lesen, und zwar ohne jede Unruhe des Gewissens...“ Diese „kraft Apostolischer Autorität“ ergangene Anordnung des Papstes erlaubt es auch heute den Priestern und Gläubigen, die der Glaubens- und der liturgischen Tradition der katholischen Kirche die Treue halten wollen, bei dieser überlieferten Heiligen Messe zu bleiben! 

Denn „keine Bischöfe, Amtsträger, Kanoniker, Kapläne, und andere Weltpriester jeglichen Namens und Titels, und keine Ordensgeistlichen aus welcher solchen Gemeinschaft auch immer, dürfen verpflichtet werden, die Heilige Messe anders zu zelebrieren, als es von Uns festgesetzt worden ist. Sie dürfen auch nicht, von wem auch immer, dazu gezwungen und genötigt werden, dieses Messbuch abzuändern. Auch kann dieses vorliegende Schreiben nie und zu keiner Zeit widerrufen oder eingeschränkt werden: Wir bestimmen und erklären vielmehr in gleicher Weise, dass es für immer fest in seiner unerschütterlich gültigen Kraft bestehen bleibt“! „Dem soeben Gesagten kann nichts hinderlich im Wege stehen: keine Apostolischen Bestimmungen und Anordnungen; keine allgemeinen oder besonderen Bestimmungen und Anordnungen von Provinzial- und Diözesansynoden; kein in den oben genannten Kirchen geübter Brauch, der nach einer sehr lange zurückliegenden und nicht eigens erwähnenswerten, jedoch nicht mehr als zweihundert Jahre alten Vorschrift vollzogen wird; keine irgendwie gearteten gegenteiligen Anordnungen und herkömmlichen Gewohnheiten.“ 

Im Anschluss daran behandelt der Papst noch organisatorische Fragen, die im Zusammenhang mit dem Druck und der Verbreitung des von ihm promulgierten Missale stehen. So ziehen sich z.B. die außerhalb des Vatikans lebenden Drucker die durch die Tat von selbst eintretende Strafe der Exkommunikation zu, wenn nicht einwandfrei die Übereinstimmung der von ihnen gedruckten Missalia mit dem zur Vorlage für den Druck weiterer Messbücher dienende Messbuch feststeht. Auf diese Weise wollte man unbedingt jegliche Art von Druckfehlern vermeiden. Und abschließend führt der hl. Papst Pius V. noch aus: „So sei es denn überhaupt keinem unter den Menschen gestattet, diese Urkunde, welche Unsere Erlaubnis, Unsere Festsetzung, Unsere Verordnung, Unseren Auftrag, Unseren Befehl, Unsere Bewilligung, Unser Zugeständnis, Unsere Erklärung, Unseren Willen, Unsere Entscheidung und Unsere Strafbestimmung enthält, zu entkräften oder sich ihr in schändlicher Verwegenheit zu widersetzen. Wenn es sich aber jemand anmaßen würde, zum Abfall davon zu verleiten, so wisse derjenige, dass er im Begriffe ist, sich den Unwillen des allmächtigen Gottes sowie Seiner Heiligen Apostel Petrus und Paulus zuzuziehen.“ 

Wir sehen ja, dass diese klaren Worte nicht unbedingt einer weiteren Erklärung oder Erläuterung unserseits bedürfen. Sie sprechen selbst eindeutig für sich. Das ist auch der Grund, warum wir sie hier bei der Behandlung des Kanons der hl. Messe anführen. Und sie erlauben uns, auch aus dieser Perspektive die Verwerflichkeit der sogenannten „Liturgiereform“ Montinis zu erblicken. Diese verstößt eigentlich in jeglicher Hinsicht gegen den ausdrücklichen Willen Pius` V. Dabei hat dieser Papst eine andere wichtige Frage, nämlich die nach der Gültigkeit bzw. Ungültigkeit der neu entworfenen liturgischen Zeremonien in „Quo primum“ nicht einmal im Entferntesten erörtert! Denn mit der „neuen Messe“ Pauls VI. hat man ja in der „Konzilskirche“ nicht nur etwas anderes, etwa einen vom bisherigen bloß unwesentlich abweichenden Ritus geschaffen, sondern eine „Messe“, die wegen ihrer theologisch-dogmatischen Irrtümer die Schlussfolgerung, ungültig zu sein, geradezu heraufbeschwort! 

 

P. Eugen Rissling



2 Zitiert nach der Übersetzung von Karl Haselböck, „Freude an der Wahrheit“, Nr. 11, Wien. Hervorhebungen durch die Redaktion.

 

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