Betrachtung über die Verehrung des heiligen Fronleichnams

 
1. Warum ist der Leib des Herrn im heiligen Sakramente zu ehren? Was enthält das Sakrament des Leibes Christi? Es Enthält

den Leib Christi als Wohnung der Gottheit. Mit der Menschheit Christi, also seinem Leibe und seiner Seele, ist die Gottheit unzertrennlich verbunden zu einer einzigen Person. Wegen dieser unzertrennlichen Verbindung gebührt jedem Teile Anbetung, also auch dem heiligen Leibe. Als Wohnung und Gefäß der Gottheit erkannten die Hirten und Weisen den kindlichen Leib und beteten das Kind an. Göttliche Kraft strömte von seinem Leibe aus, als er durch das Judenland wanderte und Gutes tat; die Berührung seines Gewandes schon machte gesund. Und als er mit glorreichem Leibe aus dem Grabe gestiegen war, da warf Magdalena und Thomas sich anbetend nieder zu seinen Füßen. - Wie heilig, ehrwürdig ist dieser Leib: er fasset in sich die Fülle der Gottheit, die sonst Himmel und Erde nicht fassen! Dieses Sakrament enthält

den Leib Christi als Werkzeug unserer Erlösung. Wenn Gott uns erlösen wollte, mußte er einen menschlichen Leib annehmen; ein Geist kann ja nicht (physisch - Anm.) büßen, leiden, sterben. Der Leib war das Werkzeug der Sünde gewesen, ein Leib sollte das Werkzeug der Sühne werden. Wie heilig, ehrwürdig ist dieser Leib! Nicht auf gewöhnlichem Wege der Natur gebildet, sondern durch ein neues Schöpfungswort des göttlichen Geistes, war er von Anfang an das Opfer für das Heil der Welt. Sein kostbares Blut war der Lösepreis, die Schuld des menschlichen Geschlechtes abzutragen und uns den Himmel wieder zu erkaufen. Es war ein Wahnglaube des Altertums, für den Aussatz gebe es nur ein Heilmittel, nämlich ein Bad von Menschenblut. Das ist ganz wahr, auf den Sündenaussatz angewendet. Diesen heilt nur ein Bad im Blute Christi. Wenn wir gewaschen werden im Bade der Wiedergeburt, gereinigt im Bußsakramente, so geschieht es durch das Blut Christi. Der Leib des Herrn hat die Kosten unserer Erlösung zahlen müssen. Darum werde gerade dem Leibe so große Herrlichkeit zuteil in der Auferstehung, Himmelfahrt, und gewissermaßen noch mehr im heiligen Sakramente. Dieses enthält

den Leib Christi, die Wonne des Himmels. Dass die Seligen den hochheiligen, verklärten Leib sehen dürfen, bildet eine eigene Art der Seligkeit für sie. Wie groß muß ihr Glück sein, wenn sie seine Herrlichkeit sehen und sich sagen dürfen: wir werden ihm gleich sein. Der Leib unserer Niedrigkeit, der jetzt im Staube der Erde modert, er wird gleichgestaltet werden dem Leibe seiner Herrlichkeit, und in unserm verklärten Fleische werden wir ihn schauen und mit ihm glückselig ewig leben. Wie müssen sie überströmen von Dank und Preis, sooft sie seine heiligen Wunden schauen, die Male seiner Liebe und seines Triumphes. In den Räumen des Himmels ist eine beständige Fronleichnamsfeier. „Ich sah unzählige Scharen von Menschen aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen, die standen vor dem Throne und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und Palmen in ihren Händen; und sie riefen mit starker Stimme und sprachen: Heil unserm Gotte, der sitzet auf dem Throne, und dem Lamme“... Dem Lamme aber folgen nur jene, die Jungfrauen waren, und sie sangen ein Lied, das die andern nicht singen können (Offenb. 7,14). - Diesen hochheiligen Leib haben auch wir in unserer Mitte, das Gefäß der Gottheit, das Werkzeug unserer Erlösung, die Wonne des Himmels.

2. Wie ist er bei uns? Vorerst ganz und vollständig, wie er vordem auf Erden wandelte und jetzt im Himmel thront. Wenn die Rede ist von seinem Fleisch und Blut, so wissen wir, wie das zu verstehen ist. Unter der Gestalt der konsekrierten Hostie ist Christus ganz, mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, mit Gottheit und Menschheit. Auch unter der Gestalt des konsekrierten Weines ist er nach der Wandlung ganz und ungeteilt. Ebenso ganz und ungeteilt ist er unter jedem Teile der Gestalt; wenn die Gestalten getrennt werden, wird Christus nicht geteilt, das ist nunmehr unmöglich, da er nicht mehr leiden und sterben kann. Warum wird denn von seinem Fleisch und Blut gesprochen? Weil er seine Leiden hier vergegenwärtigt; und damit recht klar hervortrete, dass er in diesem Sakramente nicht bloß geistig gegenwärtig ist, sondern da Fleisch und Blut gleich uns hat. So sagt ja Johannes auch im Anfang seines Evangeliums: Das Wort ist Fleisch geworden.

Wenn er aber hier auch wirklich menschliches Fleisch und Blut hat gleich uns, so ist sein Leib doch nicht mehr ein grober irdischer Leib, sondern ein verklärter, himmlischer Leib, alles Grobe, Irdische, Schwerfällige, Verwesliche und Niedrige hat er abgestreift; es ist jener Leib, der trotz Stein und Siegel aus dem verschlossenen Grabe stieg, dessen Glanz die Wächter blendete, der durch verschlossene Türen kam, der keiner Speise und keines Trankes bedurfte, keines Leidens mehr fähig war.

Er ist da unter dem Schleier der Gestalten, Wir können ihn schauen mit Leibesaugen und müssen ihn doch suchen mit den Augen des Glaubens, der die Hülle der Hostie durchschaut und unter ihr den Gottmenschen erkennt. Er verbirgt sich jetzt noch tiefer als vordem. In der Krippe sah er aus wie ein gewöhnliches Menschenkind und war doch Gott; da er auf Erden wandelte und am Kreuze starb, sah er aus wie ein gewöhnlicher Mensch, seine Gottheit war verborgen. Jetzt verbirgt er nicht nur seine Gottheit, sondern auch seine Menschheit. Wir sehen Zeichen seiner Gegenwart, aber er entzieht sich unsern Augen. Denn, sagt er, selig, die nicht sehen und doch glauben!

Welch eine erstaunliche Fülle von Wundern umgibt also den Leib des Herrn im heiligen, anbetungswürdigen Sakramente! Mehr als Bethlehem sind unsere Kirchen, mehr als die Krippe unsere Altäre. In jeder Messe steigt der Gottmensch wieder vom Himmel herab, Brot und Wein verschwinden auf das Wort seines Dieners, er macht sich klein, verbirgt sich unter fremder Hülle und verbleibt da so lange, als die Gestalten unverändert vorhanden sind. Er macht sich zum Gefangenen durch ein Wunder seiner Allmacht und Liebe. Große Wunder gehen in jeder Messe vor, die Engel staunen und beten an. Warum aber bleiben wir so gleichgültig, so kalt? Weil unser Glaube so elend ist. Als der Herr in seinem irdischen Wandel Wunder tat, umgab ihn das Volk mit ehrfurchtsvoller Scheu und oft mit Schrecken. Der Evangelist schließt den Bericht über die Heilung des Gichtbrüchigen mit den Worten: Schrecken ergriff alle, und sie wurden voll Furcht, sprechen: Wir haben heute Wunder gesehen! - Wir haben mehr gesehen wie sie, sehen mehr, sooft wir in die Kirche treten. Herr, wir glauben, aber hilf unserm Unglauben, damit wir sagen mit Mund und Herz und durch unser ganzes Benehmen: O wie heilig ist dieser Ort, hier ist wahrhaft Gottes Haus und die Pforte des Himmels! (1 Mos. 28).

3. Warum ist der Leib Christi gegenwärtig? Weil wir der Gottesnähe bedürfen. Es liegt tief in unserer Natur das Verlangen nach der Nähe Gottes. Gott ist uns nahe vermöge seiner Allgegenwart, dieses wissen wir. Aber es genügt uns nicht; es fesselt uns nicht fest genug an ihn; wir möchten auch mit leiblichen Augen seine Nähe erkennen können. Zu allen Zeiten hat sich daher Gott den Menschen auch sichtbar genaht. Im Paradiese ist er den ersten Menschen erschienen, hat mit ihnen geredet von Mund zu Mund, ist mit ihnen umgegangen gleich einem Vater mit seinen Kindern. Mit den Patriarchen (den Stammvätern des auserwählten Volkes) tat er desgleichen. Und als er zur Aufrechterhaltung der wahren Gottesverehrung sich ein eigenes Volk erwählte, da hat er diesem Volke sich oftmals gezeigt und hat auf eigene Art unter ihnen gewohnt. Die Wolken- und Feuersäule war das sichtbare Zeichen seiner Gegenwart. Später die Bundeslade. Sie stand im Allerheiligsten, und oftmals ließ sich eine Wolke auf sie herab, aus der Gott mit dem Hohenpriester redete. Gerade dieses, die besondere Nähe und Gegenwart Jehovas, machte dem Israeliten seinen Tempel so unvergleichlich ehrwürdig. Wenn er aus fernen Landen nach Jerusalem pilgerte an den großen Festen und die vergoldeten Zinnen des Tempels erblickte, dann jubelte er mit dem königlichen Sänger: Wie teuer sind mir deine Gezelte, o Herr! Kein anderes Volk hat seine Götter so nahe, wie du nahe bist deinem Volke. - Sollte das Judenvolk mehr haben als das Christenvolk? Nein, auch uns wollte Gott auf eigene Weise nahe sein, auch wir sollten unser Allerheiligstes haben, auch unsere Tempel sollten Wohnungen des Allerheiligsten sein, wo wir ihn finden und in seiner Nähe weilen könnten.

Ein anderer Grund seiner leibhaftigen Gegenwart ist, dass seine Liebe sich von uns nicht trennen kann. „Meine Freude ist es, unter den Menschenkindern zu sein.“ Auch unsere Liebe bedarf seiner Gegenwart. Welch ein Trost für die Mutter, die ihr Kind durch den Tod verlor, wenn sie seine teure Leiche in der Nähe hat, wenn sie das Grab besuchen, auf dem Grabe weinen kann! Christus hat diese Welt verlassen, aber seinen Leib haben wir noch. Gefesselt von dem geheimnisvollen Tode der Sakramentsgestalten, tröstet er unsere Liebe bis zu dem glücklichen Augenblicke, wo wir ihn sehen werden nicht unter der Form einer regungslosen Hostie, sondern von Angesicht zu Angesicht. Tuet dieses zu meinem Andenken, sprach er; vergesset mich nicht.

Endlich muß sein heiliger Leib das Mittel sein, uns beständig mit dem Vater zu versöhnen und uns zu heiligen . „Nehmet hin und esset, denn dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird; trinket alle daraus, denn dies ist mein Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ - Wie kommt es, dass die Bosheit und die Undankbarkeit der Menschen, die Flut von Sünden, die zum Himmel schreien, die Langmut Gottes nicht erschöpft? Den Grund sehen wir auf dem Altare. Inmitten der verderbten Welt sieht der Vater seinen Eingeborenen noch beständig sich verdemütigen, vernichten, um den Frevel seiner Brüder zu sühnen. Dort ist der Baum des Lebens für die Welt sowie für jede Christenseele. „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinket, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.“ Sein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, die Nahrung der Liebe und Gnade, alles Guten und Göttlichen in uns, Stärke im Kampfe, Bewahrung vor dem Falle und Verderben. „Der Leib unsers Herrn Jesu Christi bewahre deine Seele zum ewigen Leben,“ heißt es bei der Ausspendung der heiligen Kommunion.

Siehe, wie vielfachen Grund wir haben, den heiligen Fronleichnam zu ehren. Insbesondere fordert das Fest desselben auf, wieder gut zu machen, was im Laufe des Jahres gesündigt wurde gegen die schuldige Liebe, Ehrfurcht und Dankbarkeit. Die gläubige Christenheit entfaltet darum die möglichste Pracht des Gottesdienstes. Die Kirchen werden zu klein, die Straßen werden zu Tempeln, und in feierlichem Zuge, unter Jubelklängen, zieht der Herr hinaus inmitten seiner Gläubigen, die vor aller Welt das Bekenntnis ihres Glaubens, ihrer Liebe und Dankbarkeit ablegen. Die Welt verwandelt sich in ein Jerusalem, alles jubelt dem Messias in Brotsgestalt Hosanna zu, bestreut seinen Weg mit Blumen. Erneuere dabei von Herzen den Vorsatz: Ich will, Herr, deinen Fronleichnam in Ehren halten allezeit; will auch nicht vergessen, dass ich deinen Leib heilig halten muß in meinem Leibe, den du so hoch ehrst durch dieses Sakrament, damit ich würdig werde, einmal dich zu schauen ohne Schleier in deiner Herrlichkeit, wo das Hosanna tönet ohne Ende!

 

(Aus: Leonhard Goffine, Handpostille, 1922, 346ff.)

 

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