90 Jahre Fatima


Zu den Charakteristika der Neuzeit gehört die Folge verschiedener Erscheinungen Mariens, wo die Mutter Gottes immer wieder zu Gebet und Buße für die Sünden der Menschheit aufruft.

Die Kirche hat vielen dieser Erscheinungen nach reichlicher Prüfung ihre Anerkennung nicht versagt, sondern die Anliegen der Gottesmutter auch offiziell zu den ihren gemacht.

Nach der Erscheinung von 1830 in Paris kam es, durch viele wunderbare Begebenheiten gefördert, auch offiziell zur Erlaubnis der Verbreitung der „Wundertätigen Medaille“. 1846 begannen nach der Erscheinung in La Salette oder 1858 nach der Erscheinung in Lourdes zahlreiche Gläubige, auch gegen manche kirchenoffizielle Widerstände, sich um die Muttergottes zu scharen und ihre Bitten zu erfüllen, bis die Anerkennung der Erscheinung und auch die Unterstützung der Anliegen Mariens, ebenfalls nach vielen Zeichen und Wundern, auch offiziell von der Kirche vertreten wurden.

Eine der letzten und bekanntesten kirchlich anerkannten Marienerscheinungen sind diejenigen von Fatima vom 13. Mai bis 13. Oktober 1917, die nach einem Sonnenwunder, das von zigtausenden Menschen auch weit entfernt von der Erscheinungsstelle verfolgt wurde, allgemeines Aufsehen erregte.

In Fatima zeigte die Muttergottes den Kindern Lucia, Jacinta und Francesco einen kurzen Einblick in die Schrecknis der Hölle und bat um das Gebet für die armen Sünder, die auf dem Weg und in der Gefahr der ewigen Verderbnis sich befinden.

Sie prophezeite das baldige Ende des ersten Weltkrieges und bat dringend um das tägliche Rosenkranzgebet, damit nicht noch Schlimmeres über die Menschheit komme.

Dabei sollten die Kinder ein Geheimnis besonders bewahren, das von Lucia auf Bitten der zuständigen kirchlichen Behörden später schriftlich aufgezeichnet wurde, und das als das „dritte Geheimnis von Fatima“ bald weltweit Interesse hervorrief, jedoch nach Lucia erst durch den Heiligen Vater spätestens im Jahre 1960 veröffentlicht werden sollte.

Alle waren verblüfft, dass trotz kirchlicher Anerkennung und Würdigung der Botschaft von Fatima Joh. XXIII. diesen Zeitpunkt ohne Veröffentlichung des Geheimnisses verstreichen ließ, unter anderem mit der Begründung: „Obwohl die Kirche die Erscheinungen von Fatima anerkennt, wünscht sie nicht die Verantwortung auf sich zu nehmen, die Wahrhaftigkeit der Worte zu garantieren, von denen die Hirtenkinder sagen, die Jungfrau habe sie an sie gerichtet“ (Pressemitteilung der Agentur AMI vom 8. Februar 1960).

Erst nach weiteren 40 Jahren wurde am 13. Mai 2000 angekündigt, das Geheimnis werde veröffentlicht.

Doch als diese Veröffentlichung am 26. Juni 2000 merkwürdigerweise entgegen den früheren Erklärungen keinerlei Worte Mariens enthielten, sondern nur vom Bild eines „in weiß gekleideteten“ Bischofs berichtete, der mit anderen Bischöfen, Priestern und Ordenleuten durch eine halbzerstörte Stadt geht, bis er schließlich auf einem Berg unter einem Kreuz mit den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und weltlichen Personen von einer Gruppe von Soldaten „mit Feuerwaffen und Pfeilen“ getötet wird, und als dann noch vom Vatikan aus erklärt wurde, das Bild beziehe sich auf das Attentat von 1981 auf Joh. Paul II., bei dem aber niemand getötet worden war und das ja längst der Vergangenheit angehörte, wurden erste Bedenken geäußert, ob es sich hier wirklich um den wahren und vollständigen Inhalt des 3. Geheimnisses handeln könne.

Vor allem die merkwürdige vatikanische Interpretation zum Text erschien fragwürdig. So schrieb selbst die Washington Post: „Aber der am Montag, dem 26. Juni, veröffentlichte Text lässt keinen Zweifel über das Schicksal des Bischofs, da er notiert, dass der Bischof ‘von einer Gruppe von Soldaten getötet wurde, die Schüsse und Pfeile auf ihn abfeuerten.‘ Alle die Begleiter, Bischöfe, Priester, Mönche, Nonnen und Laien, starben mit ihm. Johannes Paul II. überlebte jedoch die Schüsse des Einzeltäters, Mehmet Ali Agca, und niemand aus der Menge auf dem Petersplatz wurde verletzt“. Es fiel außerdem auf, dass trotz umfänglicher vatikanischer Kommentare (auch von Kard. Ratzinger) kein Bezug genommen wurde auf den merkwürdigen Satz am Ende des zweiten Geheimnisses: „In Portugal wird das Dogma des Glaubens allzeit erhalten bleiben“, der wie ein Hinweis auf das Folgende dasteht und uns fragen lässt: Warum wird hier nur Portugal genannt? Was bedeutet das für die folgenden Sätze und was ist mit den übrigen Ländern? Gibt es eine allgemeine Veränderung der Glaubenslehre?

War der Inhalt nun wirklich veröffentlicht und warum hatte man so lange gezögert, wo er doch nichts enthielt, als was die Kirche im Laufe ihrer Geschichte immer wieder in Verfolgungen und Anfechtungen erleben hatte müssen?

Wurde das „Dritte Geheimnis von Fatima“ am 26. Juni 2000 vom Vatikan nicht (ganz) veröffentlicht? Diese Frage stellt neuerdings auch ein Buch des in Italien aus Funk und Fernsehen bekannten Publizisten Antonio Socci, das am 22. November 2006 in Italien erschienen ist.

Auf diese Frage stieß er durch eine Aussage des mit den Vorgängen im Vatikan sehr vertrauten Journalisten Vittorio Messori, der anläßlich des Todes von Schwester Lucia sagte, die Veröffentlichung am 26. Juni 2006 „habe durch die Interpretation, die Inhalte und die Vollständigkeit des Textes das Geheimnis nicht gelüftet, sondern ein neues Rätsel geschaffen.“

Soccis Schlüsselerlebnis war dann ein versteckter Hinweis des ehemaligen Privatsekretärs Joh. XXIII., Erzbischof Loris Francesco Capovilla, der sich zwar offiziell nicht zum dritten Geheimnis äußern wollte, aber immerhin ausweichend antwortete und indirekt darauf aufmerksam machte, dass es einen Widerspruch in den Datumsnennungen gebe. Aus Capovillas Archiv, dessen Papiere offizielle Siegel tragen, geht hervor, dass Paul VI. das Geheimnis am Nachmittag des 27. Juni 1963, einem Donnerstag, gelesen habe.

Am 26. Juni 2000 behauptete hingegen das offizielle Dokument zum 3. Geheimnis, dass er es am 27. März 1965 geöffnet habe. Auf die Frage, ob es sich dann um zwei verschiedene Texte handelt, soll Erzbischof Capovilla dann nach einigem Zögern geantwortet haben: „Genau so ist es“.

Hierauf stützt sich Socci neben anderen auffallenden Punkten, wenn er davon spricht, dass es „ein Viertes Geheimnis, oder besser einen zweiten Teil des Dritten Geheimnisses gibt“, der bisher noch nicht veröffentlicht wurde. Nach Erzbischof Capovilla und anderen Zeugen soll Joh. XXIII. einen Text mit Ausdrücken aus dem portugiesischen Dialekt vorgelegen haben, weswegen man eigens einen Übersetzer, den portugiesischen Monsigniore Paulo José Tavares aus dem Staatssekretariat (+1973 als Bischof von Macau) zu Rate ziehen musste. Im Text, der am 26. Juni 2000 veröffentlicht wurde, fehlt jedoch jeder regionale oder dialektale Ausdruck.

Wenn also noch viele Fragen zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Veröffentlichung der Botschaft von Fatima noch nicht wirklich beantwortet sind, so können und wollen wir doch nicht das, wozu uns Maria immer auffordert, aus den Augen verlieren: Die Umkehr, das Gebet und besonders das Gebet und die Buße für unsere und aller Sünden, welche die Liebe Gottes so sehr verletzen, besonders aber für jene, die der Barmherzigkeit Gottes am meisten bedürfen!

Maria bat uns im Zusammenhang der Erscheinungen von Fatima um das tägliche Rosenkranzgebet, um den Empfang der Sakramente am ersten Samstag im Monat, um die Aufopferung der heiligen Kommunion für die Sünder und um eine halbstündige Betrachtung des Lebens Jesu an diesem Tag. Schließlich bat Maria auch um die Weihe Russlands an ihr unbeflecktes Herz und um das folgende Gebet nach jedem Gesätz des Rosenkranzes: „O mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden. Bewahre uns vor dem Feuer der Hölle. Führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen!“

Bemühen wir uns nach Kräften, uns diese ihre Anliegen zu eigen zu machen. Sie gab uns auch eine Verheißung: „Tut, was ich euch sage, und es wird Friede sein!“


Thomas Ehrenberger

 

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